"Van G(eni)aal" übertrifft sich selbst

Van Gaal bewies bei der Einwechslung von Krul erneut goldenes Händchen.
Der niederländische Teamchef wird nach seinem Tormann-Wechsel vor dem Elfmeterschießen gefeiert.

Was Louis van Gaal bei der WM auch macht, es klappt. Mit dem Wechsel des Torhüters vor dem Elfmeterschießen forderte er sein Schicksal nun besonders heraus, wurde aber erneut belohnt. Tim Krul parierte zwei Elfmeter - Oranje träumt weiter vom Titel. In den Niederlanden wird der Schachzug des Trainers der "Efltal" nun ausgiebig gefeiert. Dieser sei von langer Hand geplant gewesen, betonte Van Gaal.

Nachdem er den entscheidenden Ball pariert hatte, rannte Matchwinner Krul mit weit von sich gestreckten Armen über den Rasen der Arena Fonte Nova in Salvador und wurde von seinen Teamkollegen in einer orangenen Spielertraube begraben. Mastermind Van Gaal riss vor der Trainerbank die Hände in die Höhe und genoss die Jubelszenen inmitten seines Betreuerstabes. Mit dem ersten Torhüter-Wechsel vor einem Elfmeterschießen in der WM-Geschichte gelang Van Gaal am Samstagabend nach torlosen 120 Minuten beim 4:3 gegen Costa Rica der entscheidende Geniestreich, durch den Oranje weiter vom ersten Weltmeistertitel träumen darf.

Meister der Wechsel

Die Niederlande spielen am kommenden Mittwoch (22.00 Uhr MESZ) in Sao Paulo gegen Argentinien um den erneuten Finaleinzug. "Ich denke, dass wir durchaus Chancen haben werden", sagte van Gaal, dem in Brasilien einfach alles zu gelingen scheint. Bereits in den Partien zuvor hatte der Ex-Trainer von Topklubs wie Bayern, Barcelona oder Ajax mehrfach mit Wechseln für den Erfolg gesorgt.

"Goldener Griff von Van Gaal", titelte De Telegraaf auf seiner Homepage und befand: "Im Spitzensport hängt der Erfolg manchmal an einem seidenen Faden. Manchmal entscheidet das Glück, und manchmal ein sechster Sinn." Für die Tageszeitung Volkskrant war es einfach das "Meisterstück von Van Gaal". "Louis van G(eni)aal" twitterten die Brüder Ronald und Frank de Boer, die einst selbst unter Van Gaal gespielt hatten.

Mit der Einwechslung von Krul für Jasper Cillessen gelang dem streitbaren Bondscoach sein bisher größter Coup bei dieser WM. "Wir fanden alle, dass Tim der bessere Torwart wäre, um Elfmeter zu halten. Er hat eine große Reichweite und ist sehr imposant", erklärte Van Gaal. "Wir haben auch Costa Ricas Strafstöße studiert und trainiert. Sie haben vielleicht gesehen, dass Tim immer in die rechte Ecke gesprungen ist. Ich bin ein bisschen stolz, dass das alles so geklappt hat", sagte der 62-Jährige über seine ungewöhnliche Aktion.

Entschuldigung

Wer den extrem selbstbewussten Van Gaal kennt, der weiß, dass diese Aussage als das größte Understatement in die Geschichte der Fußball-WM eingehen könnte. Als er nach der Partie über den Rasen schritt, genoss er es sichtlich, dass seine unorthodoxe Maßnahme gefruchtet hatte. "Es war vorher geplant, Tim einzuwechseln, wenn es zum Elfmeterschießen kommt", verriet Van Gaal. Nur Cillessen habe davon nichts gewusst. "Das wäre enttäuschend für ihn gewesen."

Cillessen, der die drückend überlegenen Niederländer in der 116. Minute mit einer Glanztat gegen Marcos Urena überhaupt erst ins Elfmeterschießen gebracht hatte, war nach seiner Auswechslung dementsprechend verstimmt. Wütend trat er eine Trinkflasche um, später entschuldigte er sich bei der Mannschaft für seinen Gefühlsausbruch. "Ich war im ersten Moment verärgert", gestand der Ajax-Keeper, der in seiner Karriere allerdings noch nie einen Elfmeter abwehren konnte.

Nach dem Einzug ins Halbfinale war der Frust bei ihm aber verflogen, gegen Argentinien wird er wieder zum Einsatz kommen. "Jasper macht es bisher hervorragend, es besteht überhaupt kein Grund, hier einen Wechsel vorzunehmen", sagte van Gaal, der auch einräumte, dass sein Vorhaben alles andere als ungefährlich war: "Wenn es schiefgegangen wäre, hätten mich alle für verrückt erklärt."

Niederlande:

"Telegraaf": "Meisterstreich, Tim ist Spitze in einem Thriller. Elfmeter-Killer Tim bringt Oranje ins Halbfinale gegen Argentinien. Die legendäre Auswechslung wird belohnt, Van Gaal übertrifft sich selbst. Im Spitzensport ist die Trennlinie zwischen Niederlage und Erfolg manchmal hauchdünn. Dann kommt es mal auf Glück und mal auch auf den sechsten Sinn an. So wie er Van Gaal ihn im Spiel Niederlande - Costa Rica überkam. Es ist äußerst bizarr, dass Oranje ausgerechnet in einem Spiel fast ausgeschaltet worden wäre, in dem die Mannschaft der Art und Weise, in der die Fans sie spielen sehen wollen, am nächsten kam. Im entscheidenden Moment folgte Van Gaal dem Rat seines Tormanntrainers Frans Hoek."

"Algemeen Dagblad": "Sensation in Salvador. Mit Staunen schauten alle zu, wie Tim Krul plötzlich als Ersatz für Tormann Jasper Cillessen aufs Feld kam. Was dann folgte, waren wahrscheinlich die zehn verrücktesten Minuten im Leben von Krul."

"NUsport" (Onlineportal): "Oranje hat es in Salvador völlig unnötigerweise auf ein Elfmeterschießen ankommen lassen."

"de Volkskrant": "Meisterstreich von Van Gaal: Mit Krul ins Halbfinale. Der sonderbaren Geschichte von Louis van Gaal wurde am Samstag in der Gluthitze des Stadions Fonte Nova in Salvador ein weiteres Kapitel hinzugefügt."

Costa Rica:

"La Nacion": "Das Herz ist gebrochen, aber die Seele ist intakt. Das Ausscheiden bei der WM schmerzt, aber Stolz und Zufriedenheit überwiegen. Die Mannschaft hat alles gegeben. Jungs, man muss mit dem Resultat zufrieden sein."

"Al Dia": "Die Mannschaft Costa Ricas ist wie ein Champion gegangen. Die Tricolor hat die Weltmeisterschaft durch die große Tür verlassen, unbesiegt und mit tadellosem Ruf. In den Fenstern der Fußball-Föderation steht zwar kein WM-Pokal, aber man wird sich an Brasilien 2014 als das Turnier erinnern, in dem Costa Rica auf der Höhe eines wahren Monarchen war."

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