Unglücksvögel und Abzocker

Hinter der bunten Fassade des brasilianischen Fußballs, die verschnörkelt ist mit Emotionen jeder nur erdenklichen Art, sitzt ein immerzu kritischer Geist. Systeme werden beleuchtet, Aufstellungen zum Stoff endloser Diskussionen. Intensiv beschäftigt werden Journalisten und Fans.

Besonders dann, wenn nicht gewonnen wird. Und die Hochstimmung ist nur ein paar Schritte weit entfernt von der Niedergeschlagenheit. Nur 0:0 gegen Mexiko – eine Woche ist vorbei, die Weltmeisterschaft steckt noch in ihren Kinderschuhen – und Brasilien erlebte bereits eine erste Beleidigung. Im Fußball, der hier bekanntlich Ehrensache ist.
Gnadenlos
Sind die kritischen Geister erst einmal erwacht, dann ist Schluss mit dem Frohsinn verbreitenden Unterhaltungsprogramm. Galvão Bueno ist in Sachen Sport zum wichtigsten Mann des Mediengiganten Globo aufgestiegen. Schon des Öfteren ist ihm von einer vollen Stadiontribüne in erboster Einstimmigkeit ein Sprechchor entgegengeschleudert worden, der an Deutlichkeit nicht zu überbieten war.
"Das englische ,F-Wort ‘ war jedenfalls dabei", weiß ein Ohrenzeuge. Es ist nicht zu spaßen mit höchst unterschiedlichen Betrachtungsweisen der Materie, schon gar nicht, wenn sie – wie jene des Herrn Galvão – wenig fundiert erscheinen.
Und es war auch nicht lustig für Luiz Felipe Scolari, den Trainer der brasilianischen Nationalmannschaft, nach der Nullnummer gegen die Mexikaner einer enttäuschten Journalistenmeute in Fortaleza gegenüberzusitzen. "Mein Team hat sich gesteigert. Darüber bin ich glücklich", sagte Scolari und blickte unglücklich drein.
Zur Sprache kam nämlich auch die Sache mit der Aufstellung. Im konkreten Fall: die Unzufriedenheit mit Fred, dem Angreifer. Ein Fehlgriff, meinen Journalisten. Als Eingriff in seine alleinige Verantwortung erachtete dies Scolari: "Ich arbeite mit dem Team und stelle auf, wen ich will. Ihr könnt euch eine eigene Aufstellung ausdenken. Das Problem ist: Ihr habt keinen Einfluss darauf, was ich denke." Weitere Fragen zum Thema wurden mit dem Kommentar "Kein Kommentar!" beantwortet. Punkt. Schluss. Stille.
Passiert ist noch nichts. Brasilien bleibt ein WM-Favorit, aber nicht das Punktemaximum geholt zu haben, erzeugt Enttäuschung.
Hemmungslos
Das Maximum wird hingegen herausgeholt, wenn es gilt, die Reisekassen der WM-Touristen zu leeren. Rio ist Spitzenreiter im Ausnehmen. Dort zahlt jeder Gringo, also Nicht-Brasilianer, im Schnitt 500 Euro pro Tag für Essen und Unterkunft. Erwischt man es besonders ungünstig, kostet Parken 12 Euro für zwei Stunden, ein Bier fünf Euro (in Vor-WM-Zeiten die Hälfte). Den Vogel aber schießt ein Fischgericht um 290 Reais (95 Euro) ab. Da relativiert sich, ob Brasilien gewinnt oder nicht.
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