Eckpfeiler eines Erfolgsteams

Einige Spieler drängten sich auf – und damit auch das Team, das nun auf Algerien trifft.

Es darf inzwischen als weitgehend gesichert gelten, dass auch Philipp Lahm Fehler macht. Am Donnerstag in Recife ist es ihm wieder passiert: Der Kapitän der Deutschen verhedderte sich im Zweikampf, aber nach etwas Gestochere bekam er die Situation doch noch unter Kontrolle. Es geschah nach dem letzten WM-Vorrundenspiel gegen die USA, als Lahm gerade die Eigenheiten seines Kollegen Thomas Müller zu erklären versuchte. Müller sei einfach wichtig für die Mannschaft, "weil er weiß, weil er azi…, anti…, ähem ... vorhersieht, was passiert".

Lahm ist genau so wenig ein Mann für die schwierigen Worte wie "Antizipieren", wie er auf dem Fußballplatz ein Mann für die komplizierten Dinge ist. Der 30-Jährige macht die kleinen Dinge gut, das zeichnet ihn aus. Und vor allem macht er keine Fehler. Oder muss man nach den ersten beiden WM-Spielen in Brasilien schon sagen: Früher hat er so gut wie keine Fehler gemacht.

Beim WM-Auftakt der Deutschen hatte Lahm noch Glück, dass sein Ballverlust vor dem eigenen Strafraum nicht zum Führungstor für die Portugiesen führte; gegen Ghana leitete sein Fehlpass im Mittelfeld das zwischenzeitliche 2:1 für die Afrikaner ein – vor allem aber leitete er eine Debatte ein, wie sie Philipp Lahm zeit seiner bemerkenswerten Karriere noch nicht erlebt hat: Lauter Gurus und Ex-Gurus wie Christoph Daum oder Michael Ballack meldeten sich in der Angelegenheit zu Wort und kleideten ihre Fundamentalkritik am Kapitän der Deutschen in die freundliche Empfehlung, sich aus dem zentralen defensiven Mittelfeld wieder in die Viererkette zurückzuziehen.

Prioritäten

"Ich hab’s mitbekommen", sagte Lahm. "Ich lebe ja jetzt hier nicht in irgendeiner Blase. Ich lese auch Zeitung." Auf die Frage nach den persönlichen Implikationen antwortete er gewohnt vage: "Für mich ist das Wichtigste, dass die Mannschaft erfolgreich spielt und sich immer weiterentwickelt." Lahms letzte Aktion im Spiel wurde aber später vor allem als Ausdruck seiner persönlichen Genugtuung gedeutet. Bei der ersten echten Chance der Amerikaner, einem Konter in der Nachspielzeit, warf er seine ganzen 1,70 Meter Körperlänge in den Schuss von Brad Davis, grätschte den Ball zur Ecke und sicherte der Mannschaft damit den 1:0-Erfolg und den ersten Platz in ihrer Gruppe. Anschließend sprang Lahm auf und ballte beide Fäuste. Genugtuung? "Ich bin Defensivspieler, und da kriegt man nicht gerne Gegentore", antwortete Lahm.

Bei Bundestrainer Joachim Löw muss der Kapitän weder um seine Stellung noch um seine Position fürchten. Schon vor dem Spiel hatte Löw deutlich seinen Willen bekundet, Lahm auf seiner neuen Stammposition zu belassen. Wie gehabt spielte er gegen die Amerikaner als Sechser, Toni Kroos blieb ebenso auf der Halbposition davor. Allein der dritte Mann war diesmal ein anderer: Sami Khedira verlor seine Stelle an Bastian Schweinsteiger.

Nach der vogelwilden Schlussphase beim 2:2 gegen Ghana zeigte das Team, dass es auch gut verteidigen kann. Zum einen stürmten die Amerikaner keineswegs mit ihrer geballten Kraft, zum anderen hielt das Mittelfeld der Viererkette einiges vom Hals. "Heute war das Anlaufen des Gegners viel besser als gegen Ghana", sagte Löw. "Das Mittelfeld hat das Spiel beherrscht. Es hat Druck aufgebaut und wenig zugelassen."

Tolles Duo

Das lag an Lahm, das lag aber auch an Schweinsteiger, der sehr präsent war, viel lief, stets anspielbar und ins Offensivspiel eingebunden war. "Ich glaube, nach 75 Minuten war er platt heute, da ging dann nicht mehr viel", sagte Kroos. "Bis dahin ist er viel gelaufen und hat auch gut geackert." Der Bundestrainer lobte die verbesserte Organisation, und das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die drei zentralen Mittelfeldspieler sich in dieser Konstellation bestens aus dem Verein kennen. "Wir haben das schon oft gespielt in München", sagte Kroos. "Wir waren wieder sehr dominant, ballsicher und harmonieren gut." Vor allem Lahm und Schweinsteiger ergänzten einander blendend. Wenn sich der eine in die Offensive einschaltete, übernahm der andere dessen Position.

So unwahrscheinlich es noch vor zehn Tagen, nach dem Sieg gegen Portugal, schien, dass sich am Montag gegen Algerien für Schweinsteiger ein Plätzchen im Mittelfeld finden lässt, so unwahrscheinlich erscheint das jetzt im Fall Sami Khedira. "Das wird sich einfach zeigen. Der Bundestrainer hat seinen Plan", sagt Khedira, den Schweinsteiger verdrängte.

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