Feiern, Spaßverderber und eingezäunte Emotionen

Auf der Copacabana wurde zuerst geweint, dann doch gelacht. Und demonstriert wurde auch.

Die FIFA-Fan-Meile auf dem Sandstrand der Copacabana hat bereits dicht gemacht. Zu viele Menschen. Mindestens 20.000 sind drinnen, der draußen gebliebene Rest bevölkert die längst abgesperrte Avenida Alantica, mischt sich unter die Hundertschaften der aufmarschierten Sicherheitskräfte.

Polizei, Militärpolizei, rot blinkendes Licht überall. Es ist laut. Erhöht wird der Geräuschpegel von Hubschraubern. Sie stehen über der Menschenmenge wie nach Beute gierende Raubvögel. Auf 133 Quadratmetern tanzt Jennifer Lopez durchs riesige Bild.

In São Paulo eröffnen sie gerade die Weltmeisterschaft. Brasilien gegen Kroatien. Die Erwartungshaltung ist groß, die Euphorie scheint sich am Abend des Spiels auch in Rio explosionsartig entladen zu haben.

Dann erscheinen Sepp Blatter, der Präsident des Fußball-Weltverbands, und Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff auf der Leinwand. Klatschend, ihre persönliche Begeisterung zur Schau tragend. Die Menschen sehen es und machen ihrem Unmut Luft. Pfiffe. Ja, es wurde zu viel Geld verbraten für diese Weltmeisterschaft.

Nach elf Minuten wird es still. Ein eher knapp gehaltenes "Gool" des Kommentators verheißt nichts Gutes. Kroatien geht 1:0 in Führung. Durch Marcelos Eigentor.

Plötzlich brandet Jubel auf. Von unvermuteter Stelle: von Brasilianern, die sich zu einem Demonstrationszug zusammengefunden haben. "FIFA go home", wird skandiert. Sie ziehen am Fan-Shop der FIFA vorbei, ballen Fäuste. "Kroatia." Pure Schadenfreude, die scheinbar auch vor der Hoffnung auf einen gelungenen WM-Start der eigenen Mannschaft keinen Halt macht. Eine Brandrede eines Demonstranten betrifft die vorbeimarschierende Polizei. Er sagt etwas von Hitler und Mussolini. Die Zuhörer applaudieren.

Geteilte Meinung

Der Mann, der sich ein Brasilien-Nachthemd übergezogen und zwei Flügel auf den Rücken montiert hat, als Frieden bringender Engel erscheinen möchte, versteht das alles nicht. Ein Mädchen kommt der Aufforderung nach und tanzt Samba vor der laufenden Kamera eines TV-Teams.

Im riesigen Fan-Shop, der in einem Zelt untergebracht ist, regieren die Gürteltiere. Die Maskottchen der WM sind um umgerechnet 22 Euro zu haben, ein Trikot in brasilianischem Gelb um satte 20 Euro.

Ein paar hundert Meter weiter findet gewissermaßen eine Gegenveranstaltung statt. Vor einem kleineren Bildschirm sind die Emotionen jedenfalls nicht umzäunt. Dort wird ausgelassen gefeiert, dass der Abend noch eine positive Wende nimmt. Neymar, der Volksliebling, leitet sie ein. Mit einem Weitschuss zum 1:1, in der zweiten Halbzeit per Elfmeter zum 2:1. Oscar versüßt das Erlebnis: 3:1, der Endstand.
Feiern, Spaßverderber und eingezäunte Emotionen
Police officers detain an anti-government demonstrator during a protest against the 2014 World Cup in Rio de Janeiro June 12, 2014. REUTERS/Lucas Landau (BRAZIL - Tags: CRIME LAW SOCCER SPORT TPX IMAGES OF THE DAY CIVIL UNREST WORLD CUP)
Auch in São Paulo wurde an diesem Abend demonstriert. Dort gab es sogar handfeste Zusammenstöße mit der Polizei.

Im Vordergrund stand aber die Freude. Die Nationalmannschaft hat es geschafft, die Gefahr einer Weltuntergangsstimmung abzuwenden.

Und die überdimensionale Christus-Statue auf dem Corcovado erstrahlte endlich im grün-gelben Farbengemisch.

So lief das Eröffnungsspiel

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