FIFA ermittelt nach Suarez-Beißattacke

Luis Suarez wird bei der WM in Brasilien vermutlich nicht mehr auflaufen.
Englands Medien sind über den Liverpool-Angreifer empört.

Luis Suarez droht nach seiner Beißattacke das WM-Aus. Die FIFA hat gegen den Starstürmer Uruguays ein Disziplinarverfahren eröffnet. Das teilte die Fußball-Weltverband in den Morgenstunden am Mittwoch mit. Der Angreifer und der uruguayische Verband haben bis Mittwochabend (22.00 Uhr MESZ) Zeit, "ihre Position und jegliche Beweisdokumente, die sie als relevant erachten, darzulegen".

Suarez hatte beim 1:0 im letzten WM-Gruppenspiel gegen Italien seinen Gegenspieler Giorgio Chiellini in die Schulter gebissen. Dem Uruguayer droht als Wiederholungstäter eine lange Sperre.

Medien empört

Die Attacke des Liverpool-Torjägers löste vor allem in England heftige Reaktionen aus. "Verbannt dieses Monster", forderte der Daily Telegraph. "Macht Beißer Suarez zum Geächteten", hieß es etwa bei der Daily Mail. Selbst auf der Insel, wo Suarez noch vor wenigen Wochen nicht nur als Torschützenkönig der Premier League gekrönt, sondern auch zum besten Spieler gewählt worden war, gibt es für den "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" des Weltfußballs kein Erbarmen mehr. Nach den Beißattacken 2010 im Trikot von Ajax Amsterdam und vor gut einem Jahr im Dress von Liverpool, für die der Torjäger jeweils gesperrt worden war, befand der Mirror: "Drei Bisse und du bist draußen."

Der Wiederholungstäter versuchte die Beißattacke im entscheidenden Gruppenspiel um den Einzug ins WM-Achtelfinale in Brasilien zwar zu verharmlosen. "Das passiert im Spiel und auf dem Platz", meinte Suarez, nachdem er den Tatort zunächst wortlos verlassen hatte. Den Journalisten zeigte der 27-Jährige nach dem geglückten Einzug in die K.o.-Runde nur den erhobenen Daumen. Und er zwinkerte ihnen zu. Als sei nichts passiert. Der Biss an diesem 24. Juni 2014 in der 79. Minute im Stadion von Natal könnte die Karriere des bis dahin heftigst von Europas Spitzenklubs umworbenen Suarez jedoch schwer beeinträchtigen.

Nachträgliche Sperre ist wahrscheinlinch

Die rasche Eröffnung einer offiziellen Untersuchung zeigt die Tendenz, dass die FIFA den Fall ernst nimmt. Bereits am Samstag (22.00 Uhr MESZ) steht das WM-Achtelfinale Uruguays gegen Kolumbien an. Bis dahin muss die Akte Suarez spätestens wieder geschlossen sein, um den Turnierverlauf nicht zu gefährden.

Die FIFA beruft sich unter anderem auf Artikel 77 a ihres Disziplinarkodexes. Demnach kann der Weltverband nachträglich einschreiten, wenn eine Spielszene vom Schiedsrichter nicht beobachtet wurde. Dies war offenbar in Natal der Fall.

Internet-Häme für Suarez

"Es war eindeutig ein Aggressionsdurchbruch", beurteilt Cornel Binder-Krieglstein vom Berufsverband österreichischer Psychologen (BÖP) die Beißattacke des Stürmerstars. Der Biss sei wahrscheinlich Ausdruck für Aggression und Gewalt. Suarez habe wohl keine andere Möglichkeit gesehen, etwa durch Schläge oder Tritte, und seine Aggression nicht mehr unter Kontrolle gehabt und daher Gewalt angewandt.

Fußball, so Binder-Krieglstein, sei ein Sport, bei dem Körper an Körper gekämpft werde. "Da werden auch sehr archaische Phänomene ausgepackt, die wie Bisse aus älteren entwicklungsgeschichtlichen Zeiten stammen."

Vor allem in der kindlichen Phase ist das Beißen ein Thema in der Gewaltanwendung. Fast jedes Kind mache eine orale Phase durch, in der Beißen oder die Mundregion für aggressive Zwecke genutzt wird. "Auch kannibalistisches Verhalten ist dem Menschen nicht so fremd", meinte Binder-Krieglstein. Dass Suarez bereits mehrfach zugebissen hat, erklärt sich der Fachmann damit, "dass dies ein Zugang ist, der ihm offenbar liegt, um seine Aggression zu befriedigen".

Italien:

Gazzetta dello Sport: "Wieder der Kannibale."

Corriere dello Sport: "Schon zum dritten Mal. Das ist auch etwas Psychologisches. TV-Beweis für Suarez: Mindestens sieben Spiele."

Tuttosport: "Luis Suarez riskiert den Rest der WM zu verpassen für einen Moment beschämenden Wahnsinns."

Uruguay:

El Observador: "Bei dem mutmaßlichen Biss reagierte der Italiener mit einem Stoß, der voll in die rechte Augenhöhle ging, die sofort anschwoll."

El Pais: "Die Medien der Welt, vor allem die in England, legten mehr Gewicht auf die mutmaßliche Aggression, die der italienische Spieler Giorgio Chiellini Luis Suarez vorwirft, als auf den Sieg von Uruguay selbst, der den Einzug ins Achtelfinale erlaubte."

La Republica: "Die Zukunft von Suarez in den Händen der FIFA. Die Hoffnung für Suarez und den Uruguayischen Fußballverband (AUF) liegt darin, dass der Paragraf 77 b ins Regelwerk 2010 eingeführt, aber noch nie angewendet wurde."

Deutschland

Bild: "Italien raus! Fliegt der Uru-Beißer hinterher?"

Die Welt: "Uruguay beißt Italien weg."

Süddeutsche Zeitung: "Biss im Mittagsgrauen."

Tagesspiegel: "Italien fehlt der Biss."

Schweiz:

Blick: "Italien nach Witz-Rot und Beißattacke draußen."

Neue Zürcher Zeitung: "Suarez beißt wieder zu."

Tages-Anzeiger: "Erst der Pfiff, dann der Biss."

Niederlande

Algemeen Dagblad: "Aber was am schlimmsten ist: Suarez nimmt der WM seinen x-ten Star, indem er sich selbst auf verbrecherische Weise ausschaltete. Ronaldo scheidet morgen wahrscheinlich aus, Iniesta ist schon zu Hause, Pirlo flog raus und Rooney geht heute in die Luft. Für Robben wird es einsam an der Spitze."

De Telegraaf: "Wieder der Kannibale."

De Volkskrant: "Erneut siegt der Verrückte im Kopf von Suarez. Über den Verrückten im Kopf von Luis Suarez wurde fast nicht mehr geredet, weil das Fußball-Genie Luis Suarez ihn scheinbar für immer begraben hatte. Aber im Kopf des Uruguayers kam es am Dienstag erneut zum Kurzschluss."

Frankreich

L'Equipe: "Suarez beißt weiter. Es war sein Glück, dass der Schiedsrichter es nicht gesehen hat. Doch eine Sanktion könnte später folgen".

Belgien:

Le Soir: "Sie legen sich miteinander an, sie drängeln und plötzlich stürzt sich Suarez auf die Schulter seines Kontrahenten wie ein Adler auf seine Beute. Und beißt ihn."

Het Laatste Nieuws: "Der Zahn Gottes."

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