Schüler ein Stück des Weges begleiten

Schüler ein Stück des Weges begleiten
Freiwillige helfen beim Lernen und genießen die Zeit mit den jungen Menschen.

Jeden Montag verlässt Wolfgang Deix sein Büro in der feinen Wiener Innenstadt früher als an anderen Tagen. Denn Montag ist für den jungen Mann Lernhaus-Tag. Er macht sich auf zu seinen "Schützlingen" im Wiener 15. Gemeindebezirk.

Man sieht den Menschen hier an, dass das Geld nicht locker sitzt. Die Eltern haben nicht die Mittel, ihren Kindern Nachhilfe zu finanzieren. Die Jugendlichen sind deshalb dankbar, wenn jemand wie Deix mit ihnen Mathe oder Deutsch lernt.

Schüler ein Stück des Weges begleiten

Eine Schülerin ist Hadidzha, ein 14-jähriges Mädchen aus Tschetschenien. Sie übt mit Deix für die kommenden Schularbeiten, macht mit ihm Hausaufgaben oder bereitet Referate vor. Während an diesem Abend das Mädchen einige Zeit still vor sich hinarbeitet, plagt sich ihre Tischnachbarin mit Physik. Konzentriert hört sie zu, wie Deix ihr das Phänomen des Magnetismus erklärt. Dem junge Mann gefällt der Job des Aushilfslehrers: "Mir macht diese Arbeit hier Spaß", sagt er. "Es ist für mich einfach eine andere Form der Arbeit als in meinem Büro." Das ist in der Alten Börse, wo das Beratungsunternehmen Accenture sitzt. Die Firma hat eine weltweite Initiative "Skills to Succeed" gestartet, die Projekte auf der ganze Welt unterstützt. Mitarbeiter wie Deix arbeiten pro bono für Projekte wie das Lernhaus.

Erfolgserlebnis

Besonders schön ist es für Deix zu erleben, welche Fortschritte die Schüler machen. Wenn aus dem Vierer in Mathe z. B. ein Dreier oder gar Zweier wird. Auch wenn ein Jugendlicher den Hauptschulabschluss macht, fiebert er mit. Mehr noch: "Ich helfe auch bei der Bewerbung um eine Lehrstelle. Und ich zittere mit, ob er den Platz bekommt."

Deix und die anderen Lernhelfer erleben die Schüler nicht nur beim Lernen: "Wir essen gemeinsam, machen Spiele oder reden über alles, was Schüler interessiert." Und worüber sprechen diese gerne? "Liebesgeschichten", scherzt Hadidzha. Oder über Fußball, Berufswünsche und die Ferien. "Weil die Schüler verschiedene Muttersprachen haben, ist unsere gemeinsame Sprache Deutsch", sagt Deix. "Da lernen sie die Sprache automatisch."

So wie Hadidzha, die vor acht Jahren aus Tschetschenien nach Wien kam. Ihr Deutsch ist gut. Dennoch hat sie sich bis jetzt vergeblich um einen Lehrplatz beworben: Am liebsten würde sie Konditorin werden.

Kinder statt Computer

Auch Thomas Pani kommt jeden Montag ins Lernhaus. Der Universitätsassistent und studierte Informatiker sieht seinen ehrenamtlichen Job als Ausgleich: "Im Alltag sitze ich zu neunzig Prozent am Computer. Hier arbeite ich mit Kindern zusammen." Warum er seine Freizeit opfert, um sich sozial zu engagieren? "Wenn es mir keinen Spaß machen würde, würde ich das hier nicht machen", sagt er.

Schüler ein Stück des Weges begleiten

Die 13-jährigen Burschen Emre und Fardin lernen offensichtlich gerne mit ihm. Die zwei haben diese Woche eine Deutschschularbeit. Also trainieren sie alle Wörter, die sie für den Aufsatz brauchen: "Alibi, Verbrecherjagd oder Kriminalfall" schreiben sie auf: "Wir müssen einen Zeugenbericht über einen Raubüberfall schreiben", erklärt Emre. Pani sieht seine Aufgabe darin, Aufgaben und Problemstellungen zu dolmetschen, sodass sie sie verstehen. Zum Glück für die beiden ist "ihr Thomas" da.KURIER.at/lernhaus

In Österreich engagiert sich Accenture neben vielen anderen Sponsoren im Projekt "Lernhaus" für die Förderung von Jugendlichen auf ihrem Weg ins Berufsleben. Das erste Lernhaus wurde 2011 im Wiener 15. Gemeindebezirk eröffnet – mittlerweile gibt es noch weitere Standorte in Neunkirchen (NÖ) und St. Pölten.

Organisiert werden die Häuser vom Österreichischen Roten Kreuz und dem Verein KURIER Aid Austria. Die Einrichtungen sind als Ergänzung zur Schule konzipiert und bieten Förderunterricht in Kleingruppen sowie Einzelbetreuung durch Pädagoginnen und Pädagogen. Welches Kind das Lernhaus besuchen darf, wird immer in Absprache mit der jeweiligen Schule bzw. der Lehrerin entschieden.

Unterstützen

Viele Ehrenamtliche helfen den jungen Menschen zwischen 6 und 16 Jahren beim Lernen. Accenture unterstützt konkret Jugendliche im Alter von 13 bis 15 Jahren in Form von ehrenamtlichen Mentoren dabei, die Pflichtschule positiv abzuschließen. Auch finanzielle Unterstützung gibt es von dem Unternehmen.

Jugendliche, die Lernschwierigkeiten haben bzw. kaum Hilfe von zu Hause erwarten können, sollen hier bestmöglich unterstützt werden. Viele der Schülerinnen und Schüler werden mit Hilfe der "Aushilfslehrer" so gut zum Hauptschulabschluss geführt, dass sie im Anschluss eine weiterführende Ausbildung antreten können, zum Beispiel eine Fachschule oder eine berufsbildende Schule .

Freiwilligenarbeit, ob als formelles Ehrenamt oder in Form von Nachbarschaftshilfe, steht bei den Österreichern hoch im Kurs. Über 15 Millionen Stunden werden wöchentlich in unbezahlte Tätigkeiten zum Wohl der Gemeinschaft investiert.

3,3 Millionen Menschen in Österreich – das sind 46 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren – engagieren sich im Dienste der guten Sache.

Die Tätigkeiten sind recht unterschiedlich: Der höchste Anteil entfällt mit acht Prozent auf Sport- und Turnvereine. Danach folgen der Kunst-, Kultur und Freizeitsektor. Auch im Bereich Umwelt, Soziales, Gesundheit und Bildung sind viele Österreicher aktiv. Dazu gehören auch die Freiwilligen, die in den Lernhäusern Schülerinnen und Schülern gratis Nachhilfe geben.

Ehrenamtliche arbeiten in unterschiedlichen Organisationen. 28 Prozent in Vereinen, 31 Prozent in der Nachbarschaftshilfe, 13 Prozent sind in beiden Bereichen aktiv.

Spaß an der Sache

Das wichtigste Motiv für den Dienst an der Allgemeinheit ist, dass Ehrenamtliche gerne anderen helfen möchten. Für 93 Prozent ist das der Hauptgrund. 88 Prozent haben einfach "Spaß an der Arbeit".

Mit 49 Prozent ist der Anteil der Männer etwas höher als bei den Frauen (42 Prozent). Zu prestigebehafteten ehrenamtlichen Jobs zieht es eher Männer. In der Nachbarschaftshilfe sind Migranten überproportional vertreten. Allgemein steigt das Engagement linear mit der Schulbildung.

Diese Unternehmen helfen

Ohne Großspender könnte das erfolgreiche Projekt Lernhaus nicht weitergeführt werden. Unterstützt wird es derzeit von der Wirtschaftskammer Österreich-Bau, von der Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien, der Versicherungsgesellschaft UNIQA, vom Mineralölunternehmen OMV, vom nö. Energieversorger EVN, vom Land Niederösterreich und von dem Beratungsunternehmen Accenture.

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