"Hatte das erste Mal vor einem Berg Angst"

Nanga Parbat-Expeditionsarzt Günther Straub zeigt sich im KURIER.at-Interview fassungslos über Kölblingers Unfall.

Günther Straub war als Expeditionsarzt Teil der Nanga Parbat-Expedition. Aufgrund persönlicher Probleme brach er die Tour früher als geplant ab und befindet sich bereits seit einiger Zeit wieder in Österreich. Als Freund und Bergkollege von Wolfgang Kölblinger spricht Straub im KURIER.at-Interview über dessen Unfall, die Macht der Natur und wie es ist, sich das erste Mal vor einem Berg zu fürchten.

KURIER.at: Wie haben Sie den am Nanga Parbat verunglückten Wolfgang Kölblinger in Erinnerung?
Günther Straub: Als einen der besten Menschen die ich je gekannt habe, ganz einfach grandios, als Sportler, Mensch, Freund und im Beruf - ein Vorbild. Wir waren 2007 am Broad Peak beim Marsch zum Base Camp eine Zeltgemeinschaft. Berge bedeuteten für ihn Glück, Freiheit, Frohsinn, das Erleben mit Kameraden und auch viel Spaß.

Werden Sie persönlich jemals wieder einen 8000er in Angriff nehmen?

Nein, ich kann mir das nicht vorstellen, denn ich habe diesmal abgebrochen, weil ich mich dieser Route eingedenk meiner Frau und den drei Kindern psychisch nicht gewachsen sah. Es war das erste Mal seit 40 Jahren, dass ich mich vor einem Berg gefürchtet habe, irrational, nur aus dem Bauch heraus und - kombiniert mit der Frage "wofür das alles" - war mein Abbruch der Expedition eine Entscheidung in der Minute.

Blendet man die Gefahr, am Berg zu sterben, doch zu sehr aus?
Ja, genau das ist es, man blendet es aus. Bei schönem Wetter sieht es ja immer super aus, man weiß dass man ein routinierter Alpinist ist und vielleicht unterliegt man dem instinktiven Fehler, man hätte das schon "in der Hand". Aber die Natur zeigt uns, wer stärker ist. Vielleicht hat es seinen Grund, dass viele Gipfel aller Erdteile als "heilig" gelten und nicht nur nicht betreten werden, sondern vor allem nicht "erobert" werden sollen. Das ist ein philosophisches Problem, ich jedenfalls bin an diesem Berg zum Glauben zurückgekehrt - und auch zur Familie. Nur - es weiß jeder der das macht, wie die Statistik auf 8000ern aussieht. Dort oben geht jeder allein, für einen tödlichen Unfall reicht aber schon eine Spalte am Weg zum Lager 1.

Haben Sie derzeit Kontakt zu den anderen Teilnehmern, wie ist die Stimmung?
Ich hatte nach meiner Heimkehr noch keinen direkten Kontakt, nur mit Heike (Heike Göschl, Frau des Expeditionsleiters, Anm.) die das Ganze phantastisch gemanagt hat - trotz der Angst um den Mann und alle anderen. Ich habe am Nanga Parbat auch medizinisch einiges erlebt. Drei Kameraden hatten ein Lungenödem, das hat mich in Summe ganz einfach jenseits meiner psychischen Grenzen gebracht. Abgesehen davon ist die Strecke am Karakorum Highway in Nachbarschaft der Taliban-Gebiete auch sehr belastend gewesen. Die Stimmung im Camp ist derzeit katastrophal. Aber das sind alles meine ganz persönlichen Eindrücke, die keine Allgemeingültigkeit besitzen. Ich oute mich hier gerne als der, der erkannt hat, dass er nicht soviel Mut besitzt, wie er von sich angenommen hatte.

Wie fühlt man sich, wenn man auf einem so gigantischen Berg unterwegs ist, in einer Gegend, die nicht für Menschen gemacht ist?
Es ist eine phantastische Wüste aus Stein und Eis - Karakoram heißt ja "schwarzer Stein". Ich habe unzählige nette Pakistani bereits das zweite Mal treffen dürfen - um auch dieses Bild einmal ein wenig gerade zu rücken. Man begegnet Hilfsbereitschaft, unendlicher Armut, auch fallweise einer unbegrenzten Freude und Begeisterungsfähigkeit.

Der Indus allein ist sehenswert, und ein Berg, dessen Wände vor einem fast 4000 Meter aufragen, es ist ganz einfach majestätisch, man fühlt sich derart klein und ohnmächtig und man beginnt an die Schöpfung zu denken. Jedenfalls fühlte ich mich oft so mutterseelenallein und verloren, dass ich hätte weinen wollen, was mir angesichts der Ereignisse jetzt sehr leicht fällt. Noch vor drei Wochen hat Wolfgang (Kölblinger, Anm.) zu mir gesagt " Ich weiß nicht ob ich mir das noch mal antue, ich hab so viele Hobbies, Freunde und den Riesengarten, und meine Frau", und dann das.

Und es stimmt, die Gegend ist nicht wirklich für Menschen gemacht. Aber ich zeige gerne die Fotos der Behausungen - Ställe würde man das bei uns nennen - wo bis über 4000 Höhenmeter pakistanische Hirten leben müssen und die es auch schaffen.

Nur dort über 8000 Meter hinauf ...muss man das? Diese Frage ist im Alpinismus ja schon hundertfach diskutiert worden, die Antwort weiß jeder nur für sich selbst.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Interview

Kommentare