Faymanns Besuch beim Bündnispartner

Faymanns Besuch beim Bündnispartner
Besuch in Paris: Präsident Hollande will Österreichs Lehrlingssystem übernehmen, Kanzler Faymann will dafür eine EU-Förderung installieren

Dienstag Nachmittag im Innenhof des Elysée-Palasts. Eine Abordnung der Präsidentengarde hat Aufstellung genommen, Staatspräsident François Hollande wartet auf der Treppe. Als Bundeskanzler Werner Faymann vorfährt, geht Hollande die Stufen hinunter, um den Kanzler abzuholen. Zweifaches Handshake für die Kameras.

Schon der zeremonielle Empfang bei Faymanns offiziellem Arbeitsbesuch gestern in Paris zeigt: Frankreich legt seit dem Machtwechsel zu den Sozialisten besonderen Wert auf gute Beziehungen zu Österreich.

Ein Grund dafür ist, dass Frankreich bei der Euro-Krisenbewältigung Verbündete sucht gegen das ausschließlich aufs Sparen fixierte Deutschland. Der strikte Sparkurs ist in Frankreich umstritten, was sich anlässlich der kontroversiellen Debatte um den Fiskalpakt zeigte. Man fürchtete, die Schuldenbremse würde die Wirtschaft abwürgen. Letztlich passierte der Fiskalpakt aber gestern mit 477 Pro-Stimmen (70 Gegenstimmen und 21 Enthaltungen) die französische Nationalversammlung. Sehr zur Erleichterung Hollandes schafften seine Sozialisten die Ratifizierung aus eigener Kraft und ohne auf die Unterstützung der oppositionellen Konservativen angewiesen zu sein.

Bequemer

Faymanns Besuch beim Bündnispartner

Österreichs Kanzler ist in einer vergleichsweise bequemen Situation: Er hat den Fiskalpakt längst durch den Nationalrat gebracht. Auch das Sparpaket, das Frankreich noch bevorsteht, um die drei Prozent Maastricht-Grenze einzuhalten, hat Faymann seit Jahresbeginn unter Dach und Fach. Hollande muss ein 30-Milliarden-Paket, davon 20 Milliarden Steuererhöhungen und zehn Mil­liarden Euro Einsparungen, erst noch durchs Parlament bringen. Und selbst dann ist fraglich, ob Frankreich wegen der schwächelnden Konjunktur das Defizit von derzeit 4,5 Prozent auf drei Prozent im Jahr 2013 drücken kann.

Dramatisch

So war es kein Zufall, dass Hollande mit Faymann vor allem europäische Wachstumsinitiativen besprach. Auch hier ist Faymann in einer starken Position: In Österreich beträgt die Arbeitslosigkeit 4,5 Prozent, in Frankreich mehr als zehn – ein Höchststand seit 20 Jahren. Während 23 Prozent der französischen Jugendlichen ohne Arbeit sind, sind es in Österreich neun. Aus diesem Grund ist Frankreich an der Einführung eines dualen Ausbildungssystems interessiert, eines Lehrlingswesens mit begleitender Berufsschule, wie es Österreich und Deutschland praktizieren.

Dieses Thema nahm breiten Raum in dem fast einstündigen Gespräch zwischen Faymann und Hollande ein. Der Kanzler unterbreitete dem Präsidenten einen neuen Vorschlag: Im EU-Budget solle ein eigener Ausbildungsfonds eingerichtet werden. Faymann: "Daraus sollen Länder für den Aufbau eines dualen Ausbildungssystems erhalten." Hollande interessierte sich auch für das österreichische Modell der Beschäftigungsgarantie – wer keine Lehrplatz bekommt, wird in einer überbetrieblichen Lehrwerkstätte aufgenommen, bis er einen Betrieb findet. Auch diese Lehrwerkstätten sollten, so Faymann, aus EU-Mitteln gefördert werden.

Einig zeigten sich Faymann und Hollande über die Notwendigkeit eine europäischen Bankenunion und dass man Griechenland in der Eurozone halten wolle. Faymann deponierte auch Kontroversielles: Österreich verlange Stresstests für einzelne Atomkraftwerke, und wenn nötig, seien diese abzuschalten. Dazu sagte Hollande: "Bei der Atomenergie bleiben wir bei unseren unterschiedlichen Standpunkten." Aber das würde den "exzellenten Beziehungen" zu "Mon ami Werner" keinen Abbruch tun.

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