Treffpunkt Weltkriegs-Gedenken

Treffpunkt Weltkriegs-Gedenken
Welche Sonderausstellungen sich Nationalbibliothek, Schallaburg und Co. sich zum Thema Erster Weltkrieg einfallen haben lassen.

Sammelt Maikäfer!“ steht auf dem Plakat aus dem Ersten Weltkrieg. Morgens Laubbäume abschütteln und Abends 20 Heller für das Kilo kassieren. „Wir haben als Kinder auch Maikäfer gesammelt und sie den Hendln vorgeworfen“, erzählt der renommierter Historiker Manfried Rauchensteiner. „Und dann erinnerte ich mich, dass ältere, kriegserfahrene Leute uns Kinder davor warnten: Aber bitte nicht zu viel, denn sonst stinken die Eier.“

Treffpunkt Weltkriegs-Gedenken
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Treffpunkt Weltkriegs-Gedenken
Die Erinnerung des Kurators der Ersten-Weltkriegsausstellung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) An meine Völker!ist die passende Anekdote zum Maikäfer-Plakat aus dem Ersten Weltkrieg: „Das Ungeziefer wurde im großen Stil als Futtermittel für Hühner und Schweine gesammelt“, erzählt Rauchensteiner und sagt damit sehr viel über Not und Hunger in dieser Zeit.

Kriegssammlung

Dabei begann alles als eine einzige große Euphorie: Schon zu Beginn des Krieges erging ein Aufruf an die Bevölkerung, alles an die Hofbibliothek zuschicken, was an Dokumenten, Plakaten und Flugblättern da war; aber auch Schulaufsätze, Frontberichte, Briefe, Postkarten und Gedichte, die den Kaiser verherrlichten, sollten abgeliefert werden, erzählt Johanna Rachinger.

Sie ist Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek und als solche Leiterin der Nachfolge-Institution der Hofbibliothek. „Damals war man überzeugt, dass dieser große Krieg ein siegreicher sein wird, und in dieser Euphorie wollte man jeden Schritt zum Sieg dokumentieren. Die Euphorie klang rasch ab, doch zu Kriegsende waren trotzdem 52.000 Objekte plus 30.000 Fotografien am Wiener Josefsplatz eingegangen.“ Diese größte, historische Kriegssammlung der Monarchie wurde noch nie gezeigt. Bisher.

Ersatzstoffe

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Ab 13. März erfährt der Weltkriegsinterssierte in der ÖNB alles über Attentat und Juni-Krise, den alten Kaiser, Verwundete, Kranke, Tote und Frauen im Krieg, den Erbfeind Italien oder die Verwaltung des Mangels; etwa, warum die Bevölkerung nicht nur zum Sammeln von Maikäfern, sondern auch von Brennessel-Stengeln aufgefordert wurde: Nicht, um Tee zu kochen, sondern um Stoffe zu produzieren.

Schon 1914 schlug die Stunde der Ersatzstoffe, sagt Historiker Rauchensteiner: „Ich kenne eine Uniform aus einem derartigen Nesselstoff und weiß, wie man darauf reagiert hat. Zuerst kam der Ausschlag. Dann – wenn man in den Regen kam – ist der Stoff geschrumpft. Zum Schluss hat man ausgeschaut wie ein Kasperl, weil das Material eingegangen ist.“ Am Bisamberg mussten beschäftigungslose Soldaten die Brennesseln ernten. Für 100 Kilo Brennessel-Stengel wurden 6 Kronen bezahlt.

Es kann gut sein, dass man auch auf der Schallaburg Geschichten über Ersatzstoffe begegnet. Am 29. März eröffnet dort die Schau Jubel & Elend. Leben mit dem Großen Krieg 1914-1918. „Damals wurde aus Mangel an Weizen mit Mais gebacken und ein Aufstand riskiert, weil das keiner essen wollte“, erzählt der Kurator Wolfram Dornik. Mit Jubel & Elend wollen die Historiker vor allem an den Alltag an der (Heimat-)Front erinnern. „Heute ist Maisgebäck längst salonfähig“, ergänzt Dornik. Der im Rahmen der Schau auf der Schallaburg auch immer wieder die Frage aufwerfen will, was diese Ereignisse vor 100 Jahren mit uns heute zu tun haben.

Sammelaktion

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Alltag, Tagebuch
Apropos heute: Sechs Wochen lang hat das Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung gesucht, hat unzählige Briefe und Mails erhalten und massenhaft Tagebücher, Feldpostbriefe, Erkennungsbücher und Wehrdienstmarken angeboten bekommen. Das Ergebnis dieser Sammelaktion wird ebenfalls auf der Schallaburg zu sehen sein.

Philipp Lesiak vom Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung berichtet: Etwa von Musterungsfotos: „Damals war man noch stolz, wenn man tauglich war und eingezogen wurde“. Oder von wundersamen Rettungsgeschichten: „Oft trugen Soldaten geweihte Bildchen in Büchern mit sich herum. Das sind begehrte Sammelobjekte, wenn eine Kugel drinsteckt und in der Familie die Geschichte erzählt wird, wie der Opa durch dieses Heiligenbildchen gerettet wurde. Nur so wird der Mensch im Krieg fassbar.“

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