Rucksäcke, die vor Dieben warnen

Mode und Accessoires "können" immer mehr
Der Begriff "smarte Textilien" lässt die Augen der Hersteller leuchten.

Schmale Drähte durchziehen den Wundverband, grün, blau, rot und braun. Sie messen Körpertemperatur, Laktat- und pH-Werte und senden sie regelmäßig per Funk. Mit der Entwicklung der Technischen Uni Dresden können Mediziner überwachen, wie Wunden heilen. Anderswo messen Sensoren in einem Baby-Body Herzschlag, Atmung und mehr. Der Begriff "smarte Textilien" lässt die Augen der Hersteller leuchten.

"Textilien mit Grips"

Mit Sensoren in Kleidung und technischen Textilgeweben wollen sie neue Märkte erschließen: Drähte in Windradrotoren aus Kohlenstofffasern melden, wenn eine Wartung nötig ist. Bevor im Aufzug alle Stricke reißen, schlagen die Seile selbst Alarm. In "Textilien mit Grips" lägen große Wachstumschancen, schwärmt Ingeborg Neumann, die Präsidentin des Branchenverbands Textil und Mode.

Bald werde es Jacken geben, die die Fahrtrichtung des Radfahrers erkennen und entsprechend blinken, Anoraks mit Navigationssystem und Sakkos mit integriertem Smartphone. Noch allerdings ist das Zukunftsmusik. Manches ist in Erprobung, in Berlin etwa Prototypen von Kuriertaschen, in deren Vlies leitfähige Drähte eingewoben sind. Wird die Tasche aufgeschnitten, ändert sich der elektrische Widerstand und ein Alarm ertönt - als Diebstahlschutz.

Elektronikkonzerne wollen in Textilhandel

Die Deutschen wappnen sich gegen neue Konkurrenz. Denn längst schmiegen sich die Technologie-Riesen mit Fitness-Armbändern und Internet-Uhren an die Körper ihrer Kunden. "Da ist der Druck aus USA natürlich da", sagt Neumann. "Die großen Elektronikkonzerne drängen in die textile Welt hinein."

Für die Mittelständler mit deutschlandweit etwa 117.000 Beschäftigten steht einiges auf dem Spiel. Pullover, Socken und Jacken kaufen die Deutschen längst meist aus ausländischer Produktion. Bei technischen Textilien hingegen sehen sich die Deutschen noch als Weltmarktführer, sie machen den Großteil des Branchenumsatzes von 29 Milliarden Euro aus, sie sorgen für das Wachstum. Auch hier sollen deshalb Elektronik und Textil zusammenwachsen.

"Da tut sich eine vollkommen neue Welt auf", umschreibt Klaus Jansen, der Leiter des Forschungskuratoriums Textil, die Möglichkeiten, wenn aus Textilien Daten gewonnen werden. Schon messen Sport-BH die Herzfrequenz der Läuferin, fein verdrahtete Socken überwachen die Belastung der Füße. Sensormatten unter Teppichböden stellen fest, ob in einem Altenheim-Zimmer jemand stürzt.

Zwei Probleme trüben jedoch die Euphorie. Die deutschen Hersteller sind Mittelständler, die meisten haben weniger als 250 Beschäftigte. Forschung und Entwicklung findet deshalb oft in Instituten außerhalb der Unternehmen statt - und die Ergebnisse sickern nur langsam in die Produktion. "Wir müssen die Schnittstellen verbessern", heißt es beim Branchenverband. "Deutsche Produkte müssen besser in die Märkte kommen."

Auch Umweltfragen sind noch offen. Wenn Textilfasern und Elektronik verwoben sind, wird es schwierig, sie für das Recycling zu trennen. "Da besteht noch Forschungsbedarf", gibt Jansen zu. Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem wachsenden Geschäft mit Kohlenstoff- oder Carbonfasern. "Kunstfasern können als Feinfaserstaub in die Gewässer gelangen", sagt Jansen. Der Großteil bleibe aber in den Filtern der Kläranlagen.

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