Met-Gala 2017 steht im Zeichen von Comme des Garçons

Met-Gala 2017 steht im Zeichen von Comme des Garçons
Stoffgewordene Philosophie: Das New Yorker Metropolitan Museum zeigt das Schaffen von Rei Kawakubo.

Rei Kawakubo ist immer für Überraschungen gut. In erster Linie auf dem Laufsteg. Mit ihren kunstvoll-intellektuellen, emotional aufgeladenen Wahnsinnsentwürfen.

Als kürzlich in Paris aufgrund der heurigen Modeausstellung im Metropolitan Museum in New York eine kleine Schar von Auserwählten zu einer Vorschau gebeten wurden, waren wieder einmal alle überrascht: Rei Kawakubo erschien höchstpersönlich. Und – Wahnsinn – ließ sich fotografieren!

In Sack und Asche

1981 zeigte die Japanerin ihre Kollektion zum ersten Mal während der Pariser Modeschauen. Da marschierten Mädchen in Sack und Asche über den Laufsteg. Nichts war dort, wo es nach alter Gewohnheit hingehörte: Lippenstift wie Schrammen im Gesicht, Lidschatten wie blaue Flecken auf Stirne und Wangen. Dazu krumme Nähte, schiefe Säume, verrutschte Taillen ...

Met-Gala 2017 steht im Zeichen von Comme des Garçons
Comme des Garcons, Ausstellung Metropolitan Museum, New York, Mai 2017
Met-Gala 2017 steht im Zeichen von Comme des Garçons
Comme des Garcons, Ausstellung Metropolitan Museum, New York, Mai 2017

Bei der Presse konnte sie damit zunächst nur wenige Fans gewinnen. Die harschen Kritiken reichten von "Hiroshima-Chic" bis "Quasimodo-Style" (Ein Shitstorm würde man heute sagen). Bis heute ließ sich Kawakubo davon nicht irritieren. Bis heute zeigt sich die Modeschöpferin nach der Modeschau nicht. Bis heute darf man sie danach nicht einmal Backstage fotografieren. Auch Interviews gibt sie nur ganz selten.

Met-Gala 2017 steht im Zeichen von Comme des Garçons
Comme des Garcons, Ausstellung Metropolitan Museum, New York, Mai 2017
Rei Kawakubo, die 1942 in Tokio geboren wurde und dort Kunst studiert hat, begann nach ihrem Diplom 1964 in der Werbeabteilung eines Chemiekonzerns zu arbeiten. Schon dort fiel sie mit ungewöhnlichen Kampagnen auf. Weil ihr die herkömmliche Mode nicht gefiel, sattelte sie 1969 um und gründete 1973 ihre eigene Firma, nannte ihr Label Comme des Garçons (Wie Buben). Auch bei der Gestaltung ihres ersten Geschäftes 1976 in Tokio zeigte sich ihre Liebe zum Außergewöhnlichen, zum Besonderen: Der Laden war komplett und ausschließlich mit weißen Kacheln ausstaffiert.

Standing Ovations

Dieser Minimalismus hat sich bis heute nicht geändert. Was sich extrem schnell änderte, war die Akzeptanz ihres Werkes. Bald endeten Comme des Garçons Modeschauen mit Standing Ovations und tun es heute noch.

Immer noch beginnen sie mit einer Überraschung. Gerade hatte man sich an das triste Schwarz gewöhnt, da explodierte in der nächsten Saison Farbe auf dem Laufsteg. Einmal irritieren Modelle, die durch eingearbeitete Pölster wie verunstaltet wirkten. Dann wieder sorgten zarte Stoffgebirge für zauberhafte Romantik. Rei Kawakubo ist die Erste, die Nähte nach außen kehrt, die Säume vernachlässigt. Wer hat ihr das nicht aller nachgemacht!

Met-Gala 2017 steht im Zeichen von Comme des Garçons
Comme des Garcons, Ausstellung Metropolitan Museum, New York, Mai 2017
Met-Gala 2017 steht im Zeichen von Comme des Garçons
Comme des Garcons, Ausstellung Metropolitan Museum, New York, Mai 2017

"Ich zerstöre keine Kleider," erklärte sie dazu in einem ihrer seltenen Interviews angesichts löchriger Pullover, ausgerissener Ärmel und herunterhängenden Mantelfutters. "Ich zeige Kleider, wie sie entstehen, um den Wert und die Schönheit von Dingen aufzuzeigen, die ursprünglich und unvollkommen sind." Mode als stoffgewordene Philosophie. Wie schön. Wie interessant. Was für eine Abwechslung. Was für eine Spannung, bevor ihre Modeschau beginnt.

Kein Wunder, dass der Kurator des Metropolitan Museums, Andrew Bolton, Rei Kawakubo für die heurige Modeausstellung gewählt hat. Und: Es ist erst die zweite Einzelausstellung des Museums – nach Yves Saint Laurent 1983 –, die einer lebenden Mode-Ikone gewidmet ist.

Info: Die Ausstellung "Rei Kawakubo/Comme des Garçons: Art of the In-Between" im Metropolitan Museum of Art auf der Fifth Avenue/82 in New York ist vom 4. Mai bis 4. September 2017 geöffnet. www.metmuseum.org

Zur festlichen Eröffnung der Ausstellung im Jahr 1979 kam auch Jackie Kennedy Onassis. Offenbar interessierten die ehemalige First Lady Amerikas die Gewänder von Kaiserin Sisi und ihrem Mann. Auch Gala-Uniformen des Militärs, Kleidung, die Gustav Klimt für Emilie Flöge und die Wiener Werkstätte entworfen hat und vieles mehr, wurden damals unter dem Titel "Fashions of the Hapsburg (sic!) Era: Austria-Hungary" im Metropolitan Museum of Art in New York präsentiert.

Inzwischen ist die Gala anlässlich der Eröffnung der alljährlichen Mode-Ausstellung im Costume Institute des Museums am ersten Montag im Mai zum absoluten Highlight der Mode-Society geworden. Solange die Prominenz über den endlos langen roten Teppich schreitet, darf fotografiert werden. Im Inneren des Museums, beim Essen, Trinken , Flirten und Feiern gilt absolutes Fotografierverbot.

Unzählige Neugierige sammeln sich schon ab Nachmittag vor dem Museum, um ein Bild von den prominenten Besuchern posten zu können. Und TV-Zuseher profitieren auch vom Aufmarsch der Schönheiten und ihrer extravaganten Outfits: Von Nicole Kidman über Beyoncé bis Lady Gaga, von Kim Kardashian über Kanye West bis Kate Hudson, von Madonna über Gigi Hadid bis Rita Ora ...

Ehrenamtliche Vorsitzende des Tokio-Events sind Rei Kawakubo und Botschafterin Caroline Kennedy. Co-Chairs, also Mitvorsitzende, sind Kult-Model Gisele Bündchen und ihr Mann Tom Brady (zum 5. Mal heuer Gewinner der Super Bowl), Katy Perry (in Comme des Garçons bereits auf und in der US-Vogue zu sehen), Pharrell Williams und natürlich US-Vogue-Chefin Anna Wintour.

Nur um Mode und Schönheit geht es an diesem Abend nicht. So viel Geld wie in dieser Nacht, nimmt das Museum selten ein. Handelt es sich bei der Gala doch um einen Charity Event – mit Kosten bis zu 25.000 Dollar pro Platz. Aber nicht das Geld, sondern Anna Wintour bestimmt die Gästeliste.

Und auch die Besucherzahlen können sich in den vergangenen Jahren sehen lassen – vor allem, seit Andrew Bolton als Kurator das Modeflügel-Zepter schwingt. 2016 stürmten 815.992 Besucher "China: Through the Looking Glass", die Alexander McQueen-Ausstellung 2011," Savage Beauty", wollten 661.509 sehen. Damit belegen die beiden Mode-Kracher die Plätze fünf und acht von den 10 meistgesehenen Ausstellungen des Museums. Wie wird Rei Kawakubo diese Hürde nehmen?

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