Diese Frauen tragen nur Mode von der Straße

Bloggerin von "Found on the Street"
Zwei Berlinerinnen tragen ausschließlich Kleidung, die andere vor die Tür gestellt haben.

Auf den ersten Blick sieht der Instagram-Account von Anna Rakhmanko und Karina Papp aus wie viele andere. Lässige Posen, coole Locations und zahlreiche stylishe Outfits gibt es bei den beiden Frauen zu sehen. Doch im Gegensatz zu den meisten Mode-Bloggern haben sie nicht Unsummen für Jacken, Hosen und Accessoires von internationalen Luxus-Modehäusern ausgegeben – sondern ihre Kleidungsstücke auf der Straße gefunden.

Unter dem Namen "Found on the Street" zeigen die beiden gebürtigen Russinnen seit vergangenem Herbst auf der sozialen Plattform Alternativen zur Konsumgesellschaft auf. Die Idee, auf der Straße liegen gelassene Kleidung mit nach Hause zu nehmen, kam durch Zufall. "Ich bin 2009 nach Berlin gezogen und mir sind sofort die Boxen mit dem Schriftzug ‚Zu verschenken’ aufgefallen", sagt Rakhmanko. "Irgendwann wurde ich neugierig und habe hineingeschaut." Die vor vielen Häusern der deutschen Hauptstadt abgestellten Kartons entpuppten sich als modische Fundgrube.

Von der brandneuen Jeans bis zu DDR-Überbleibseln ist so gut wie alles dabei. Seitdem hat die 29-Jährige so viel gefunden, dass ihre Garderobe fast nur noch aus abgegebener Kleidung besteht.

Mode mit Geschichte

Obwohl sie nie bewusst auf die Suche geht, nimmt auch ihre Freundin Karina Papp jede Woche etwas mit nach Hause. "Berlin hat eine so hohe Einwohnerfluktuation. Menschen ziehen irgendwo ein, dann ziehen sie wieder aus – und immer bleiben Sachen zurück. Außerdem wird am Wochenende gerne ausgemistet." Hygienische Bedenken habe sie keine. "Die Kleidung lag ja nicht im Müll, sondern ist von jemandem, der sie nicht mehr braucht, bewusst zur Verfügung gestellt worden." Kleidung aus Kartons auf der Straße sei letztendlich nur eine Weiterführung von Secondhand-Shops.

Ob die beiden manchmal darüber nachdenken, wem die Jacken und Pullover früher gehört haben? "Auf jeden Fall", so Rakhmanko. "Das ist das Besondere an diesen Kleidungsstücken. Sie haben oft eine lange Geschichte." Selbstgenähtes nehme sie besonders gerne mit. "Man denke nur daran, wie viel Mühe sich jemand gemacht hat, dieses zu nähen, zu pflegen und irgendwann weiterzugeben." In einer Boutique sind die Mode-Fans heute kaum noch anzutreffen. Alles, was sie benötigen, besitzen sie laut eigener Aussage bereits. Nur Unterwäsche und Schuhe werden noch gekauft. Ab und zu leihen sie etwas von Freunden aus.

60 Euro pro Jahr

"Laut meiner Budget-App habe ich vergangenes Jahr 60 Euro in regulären Geschäften ausgegeben", verrät Papp. Geld zu sparen, sei für die Journalistin und Übersetzerin jedoch nicht der primäre Grund, Kleidung von der Straße zu nehmen. "Die Welt quillt über mit Produkten und dennoch wird immer weiter produziert, beworben, gekauft und schließlich wieder weggeschmissen. Ich möchte kein Teil dieses Teufelskreises sein." Indem sie ihre stylishen Outfits auf Instagram teilen, wollen Karina Papp und Anna Rakhmanko vor allem eines: Zeigen, dass es viele verschiedene Wege gibt, sich durch Mode auszudrücken.

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