"Es gibt 90-Jährige, die sich ein Facelifting machen lassen"

Non-invasive Methoden wie Botox werden immer beliebter
Schönheitschirurg Dr. Peter Durnig im Gespräch über skurrile Patientenwünsche und nicht wiederkehrende Fettpolster.

KURIER: Wie definiert ein Schönheitschirurg eigentlich Schönheit?

Dr. Peter Durnig: Das ist nicht so leicht zu sagen. Attraktivität kann man eher fassen und in Worten beschreiben. Es gibt bestimmte Kriterien, die ein Gesicht attraktiv machen wie z.B. Symmetrie. Jedoch ist es relativ schwierig zu beurteilen, was schön ist. Was als schön definiert wird, ist nicht nur von individuellen Faktoren abhängig, sondern auch ortsbezogen. Außerdem ändert sich heutzutage das Schönheitsideal alle paar Monate, was man am Trend zu buschigen

Augenbrauen
sehr deutlich sehen konnte. Proportionen sind in jedem Fall extrem wichtig. Eine bestimmte Nasenform kann an einer Person toll aussehen und an einer anderen trotzdem nicht stimmig wirken. Es geht immer um das Gesamte und die Frage: Was passt zu welchem Gesicht und Körper? Attraktivität ist nur die kleine Schwester von Schönheit. Bei letzterem geht es um viel mehr, wie z.B. Mimik und Gestik. Das geht dann weit über das Körperliche hinaus und hat teils sogar etwas Mystisches an sich.

Körper und Gesichter werden immer schlanker und makelloser. Sogar auf Instagram wird kaum ein Foto unbearbeitet hochgeladen. Haben Sie das Gefühl, dass sich Ihre Patienten von den Medien unter Druck gesetzt fühlen?

Der Durchschnittsmensch sieht tausende manipulierte Fotos pro Woche und Medien spielen eine dementsprechend große Rolle. Da baut sich natürlich ein gewisser Druck auf , denn diese Dinge haben relativ wenig mit dem zu tun, was man jeden Morgen im Spiegel sieht. Umgekehrt denke ich aber, dass die meisten das trotzdem gut reflektieren können. Die Wünsche meiner Patienten sind selten so speziell, wie manch einer denkt. Das Unperfekte hat auch seinen Reiz. Es ist aber schon so, dass je weiter die Vorstellungen von der Norm abweichen, desto krankhafter wird es.

Stichwort krankhaft: Menschen, die unter dem Dorian-Grey-Syndrom leiden, sind psychisch nicht in der Lage zu altern. Dementsprechend oft legen sie sich unter das Messer. Ab welchem Punkt lehnen Sie eine OP ab?

Ein Schönheitschirurg ist auch immer ein Psychologe und man muss die Wünsche immer im individuellen Kontext betrachten. Bei Brustvergrößerungen wird es ab einer gewissen Größe der Implantate kritisch. Ich führe eine OP dann nicht durch, wenn es dem Patienten mehr Probleme bereiten, als Nutzen stiften würde. Und bei einer Vergrößerung von 500 Gramm pro Brust kann das unverantwortlich sein, weil die Krankenkasse ab dieser Größe eigentlich die Kosten für eine Verkleinerung übernimmt, weil man von gesundheitlichen Risiken ausgeht.

Was war der verrückteste Patientenwunsch in Ihrer Laufbahn als ästhetischer Chirurg?

Ich hatte einmal eine Patientin, die sich ihre Implantate unbedingt entfernen lassen wollte, obwohl sie absolut perfekt aussahen. Ich hatte die Befürchtung, dass die Brust nach der Entfernung hängen würde, aber sie hat sich zu diesem Zeitpunkt einfach unwohl mit dem Silikon gefühlt. Sie war nach der Entfernung sehr glücklich. Ein befreundeter Chirurg aus Amerika hatte einmal einen 90-Jährigen, der ein Facelifting durchführen ließ. So etwas Ausgefallenes ist bei uns in Europa eher die Ausnahme. Hier beschäftigen sich Pensionisten mit ganz anderen Dingen.

Bei Brustvergrößerungen galt lange Zeit das Motto: Je größer desto besser. Ist das immer noch so oder zeichnet sich ein Gegentrend ab?

In Österreich liegt der Durchschnitt bei 300 Gramm pro Brust. Das ist in der Regel eine Vergrößerung von A auf B oder C-Cup. In letzter Zeit wurden wieder vermehrt größere Implantate angefragt, jedoch zeichnet sich derzeit weder in die eine oder andere Richtung ein klarer Trend ab.

"Es gibt 90-Jährige, die sich ein Facelifting machen lassen"

Um Kim Kardashians Körper herrscht derzeit ein wahrer Hype. Ist der Po der neue Busen?

In Österreich definitiv nicht. Sobald sich eine Patientin Fett absaugen lässt, stellt sich jedoch die Frage, ob man es anderweitig verwenden kann. In Amerika gibt es sogar einen Spezialisten, der sich auf Gesäße spezialisiert hat. Die Nachfrage nach Brustvergrößerungen ist hierzulande bei weitem größer als nach Povergrößerungen. In Ländern mit Stränden werden solche Eingriffe sicherlich öfter nachgefragt, ich bezweifle aber, dass es sich in Österreich jemals durchsetzen wird.

Operative Eingriffe stehen non-invasiven Methoden gegenüber. Was wird öfter angefragt?

Der Trend geht ganz klar zu non-invasiven Lösungen. In Amerika stehen Behandlungen mit Botox, Hyaluron & Co. derzeit in einem Verhältnis von 10:1 zu Operationen. Jedoch ist es auch hier schwierig zu sagen, ob in manchen Fällen eine Operation sogar besser wäre.

Botox wird immer gesellschaftsfähiger, über potentielle Nebenwirkungen wird aber kaum gesprochen. Kann man darauf allergisch reagieren?

Eine allergische Reaktion ist extrem selten und ich persönlich habe es in meiner Praxis noch nie erlebt. Tatsächlich ist der Beipackzettel von Parkemed um einiges länger als jener von Botox.

Gegner kritisieren trotzdem nach wie vor, dass es ein Nervengift sei.

Botox ist seit sehr vielen Jahren im Einsatz und es gibt nach wie vor keine Probleme mit Nebenwirkungen. Der Begriff "Nervengift" ist eine Negativdarstellung, der ich nicht ganz zustimmen kann. Die Dosis macht den Unterschied. Bei Kinder mit Schiefhals kann man es beispielsweise therapeutisch anwenden, damit sich der Muskel entspannt. Auch bei Gesichtsnervlähmungen kann man es einbringen, damit sich die Augenlider wieder normal schließen. Es kommt immer auf die Menge an und erst ab einer bestimmten Dosis kann von Gift die Rede sein.

Welche Körperbereiche kann man sonst noch mit Botox behandeln?

Außer dem Gesicht kann man noch den Hals behandeln. Auch bei übermäßigem

Schwitzen
in Achselhöhlen, auf Fußsohlen und dem Rücken wird es häufig angewendet. Damit sich tiefe Falten gar nicht erst bilden, kann man es prophylaktisch anwenden.

Also würden Sie einer 18-Jährigen bereits zu Botox raten?

Es gibt große Unterschiede, wie jemand in einem bestimmten Alter aussieht, wenn er zu mir in die Ordination kommt. Sich also nur auf der Zahl aufzuhängen macht keinen Sinn. Es gibt 35-jährige PatientInnen, denen man bereits zu einem Facelifting rät, weil so viel Hautüberschuss vorhanden ist. Andere sehen wiederum mit 60 Jahren noch so gut aus, dass man noch immer mit sanfteren Methoden wie Hyaluron arbeiten kann. Mit 18 Jahren bereits Botox zu spritzen ist aber dann doch etwas zu viel des Guten.

Viele stören sich an ihren Fettpölsterchen, wollen sich aber nicht unter das Messer legen. Wie gut kann man diese ohne OP behandeln?

Bei der Kryolipolyse (Anmerkung d. Red.: Behandlung, bei der Fett durch Kälteeinwirkung reduziert wird) wird mit kleinen Aufsätzen gearbeitet, die auf bestimmte Zonen aufgelegt werden. Hier ist es möglich bis zu 25 Prozent der Fettzellen zu reduzieren. Eine Fettabsaugung ist natürlich weitaus effektiver, man kann genauer modellieren und eine 60 – 70-prozentige Reduktion erreichen.

Können sich einmal entfernte Fettpolster wieder nachbilden?

Unser Körper hat eine vorgegebene Anzahl von Fettzellen. Wenn ich diese an einer gewissen Stelle wegnehme, dann kommen sie auch nicht wieder. Das heißt jedoch nicht, dass wenn man 15 Kilo zunimmt, die Reiterhosen trotzdem nicht wieder auftauchen. Die Fettzellen werden dann einfach größer – auch dort wo man abgesaugt hat. Nachwachsen können sie jedoch nicht.

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