Carrie wird erwachsen

Carrie wird erwachsen
Von Manhattan in die Vorstadt: Zwölf Jahre nach dem Ende von "Sex and the City" feiert die 51-Jährige ihr Serien-Comeback. In "Divorce" mimt sie die Anti-Carrie: eine frustrierte Ehefrau, die ausbrechen will.

Eines stellte Sarah Jessica Parker gleich zur Beginn ihrer Pressetour klar: Frances, der Hauptcharakter in ihrer neuen Serie "Divorce" (Start: 9. Oktober beim Bezahlsender HBO), ist nicht wie Carrie Bradshaw. Und "Divorce" ist auch nicht die Fortsetzung von "Sex and the City" – obwohl der Plot, das muss selbst Parker zugeben, diesen Gedanken schon recht nahelegt. Frances, Ende vierzig, Personalchefin, lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Teenager-Kindern in der Vorstadt (ok, Carrie hätte Manhattan vermutlich nie verlassen). Zu Beginn der Serie eröffnet sie ihrem Mann (dargestellt von Thomas Haden Church), dass sie die Scheidung will, ihr Leben neu ordnen möchte. Seine Reaktion: "Bist du betrunken?"

Im Laufe der Serie merkt Frances, dass ein Neustart gar nicht so einfach ist und es ihr schwerfällt, einen klaren Schlussstrich zu ziehen. Später stellt sich heraus, dass sie eine Affäre hat und die Ehe schon länger in der Krise steckt. Wenn es schon keine Parallelen zu Parkers Alter Ego Carrie gibt – dann vielleicht zu ihrem Privatleben? "Wir alle kennen diese Situation im Leben einer Frau, in der sie einen Neuanfang probieren will", sagte sie, vergangenes Jahr fünfzig geworden, anlässlich des Serienstarts.

Vorzeigefamilie

Ironischerweise gehört ausgerechnet sie, die Hauptdarstellerin und Produzentin einer Serie namens "Divorce", zu einer seltenen Spezies in Hollywood: Menschen, die noch keine Scheidung hinter sich haben. Seit neunzehn Jahren ist Parker mit dem Schauspieler Matthew Broderick verheiratet; 2002 kam Sohn James Wilkie zur Welt, sieben Jahre später – dank einer Leihmutter – die Zwillinge Tabitha Hodge und Marion Elwell. Die Familie lebt in einem Townhouse in Lower Manhattan – unweit jener Straße, wo sich Carries Serien-Haus befand. Trennungsgerüchte um das Ehepaar Broderick gab es immer wieder. Bestätigt wurden sie nie, doch Parker gibt offen zu, dass das Eheleben nicht immer rosig ist: "Eine Ehe ist ein Auf und Ab. Immer wieder stellt man sich die Frage, ob man alleine glücklicher sein könnte. Matthew und ich haben durchgehalten."

Lebensgefühl

Zwölf Jahre nach der letzten Folge "Sex and the City" repräsentiert Parker auf dem Fernsehschirm also wieder das Lebensgefühl vieler Frauen in ihrem Alter: erschöpft von der Rush Hour des Lebens, die Kinder (fast) aus dem Haus, der Job fordernd, die Ehe dahindümpelnd. "Ich will mein Leben ändern, solange es mir noch etwas bedeutet", sagt Frances in einer Schlüsselszene zu ihrem Mann. Und spricht damit wohl vielen Zuseherinnen aus der Seele.

Dieses Konzept ging schon in den späten Neunzigern auf, als die HBO-Serie "Sex and the City" zum Überraschungshit – und in weiterer Folge zur Kultserie – avancierte (siehe Lebenserfahrung unten): vier New Yorker Mittdreißigerinnen auf der Suche nach dem besten Mann, den tollsten High Heels, dem aufregendsten Sex. Vier Frauen, denen Freundschaft über alles ging und die das Wort "Frauenpower" neu definierten.

Carrie wird erwachsen
Actress Sarah Jessica Parker, star of the television series "Sex and the City" received an Emmy nomination for Best Lead Actress in a Comedy Series as nominations were announced in Los Angeles July 12, 2001. The Emmy Awards will be presented in Los Angeles September 16. REUTERS/HBO/Handout

Parker war Anfang dreißig, als sie Produzent Darren Star für die Rolle der Sex-Kolumnistin Carrie Bradshaw castete. Sie hatte gerade einige größere Filme (darunter: "Der Club der Teufelinnen") abgedreht und zögerte vor dem Sprung auf den Fernsehschirm. Der Vertrag kam auch deshalb zustande, weil sie sich eine "Nacktklausel" hineinschreiben ließ: Als einzige der vier Hauptdarstellerinnen war sie in den 94 Folgen nie nackt zu sehen. Sarah Jessica Parker, die kurz vor Drehbeginn ihren Mann geheiratet hatte, wurde zur Ikone einer (Single-) Frauengeneration – und zur gefragten Mode-Instanz.

Eine Stilikone im Laufe der Zeit

Carrie wird erwachsen

USA SHOWEST AWARDS
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NYC Ballet Opening Night
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Sarah Jessica Parker
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Sarah Jessica Parker arrives at the Metropolitan M
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USA MET BALL 2014

Das wahre Leben

Dass sie mit Carrie – außer ihrem Faible für schöne Schuhe und ausgefallene Outfits – nicht viel gemeinsam hat, daraus machte Sarah Jessica nie ein Geheimnis. Nach sechs mega-erfolgreichen Serienstaffeln und zwei Kino-Verfilmungen (mit gemischten Kritiken) war Parker nicht krampfhaft auf der Suche nach ihrer nächsten großen Rolle. Sie konzentrierte sich auf ihre drei Kinder, lancierte eine Schuhkollektion und brachte eines der meistverkauften Parfums auf den Markt (siehe unten). Dazwischen drehte sie ein paar Filme, die entweder vom Publikum ("Die Familie Stone – Verloben verboten") oder den Kritikern ("Smart People") geschätzt wurden. "Wenn du an einem Punkt in deinem Leben bist, an dem du Entscheidungen treffen kannst, kannst du dich entscheiden, Nein zu sagen. Das ist sehr angenehm", erklärte Parker der New York Times, angesprochen auf ihre lange Fernsehpause.

Nach dem Glamourleben in New York City war es der Tochter eines Schriftstellers und einer Volksschullehrerin sichtlich ein Bedürfnis, das "wahre Leben" abzubilden. In der Komödie "Working Mum – Der ganz normale Wahnsinn" thematisierte sie 2011 die Doppelbelastung arbeitender Mütter. Auch "Divorce" handelt von einer Mittelklassefamilie – aber wie viel Ahnung hat jemand, der pro Film 30 Millionen Dollar verdient, von den Sorgen und Nöten einer Durchschnittsfrau? In einem Interview mit dem Magazin Time wehrte sie sich gegen die Annahme, sie sei abgehoben: "Ich bin mir unserer Welt bewusst. Ich bin mir unserer Wirtschaft bewusst, ich bin mir arbeitender Mütter bewusst, ich bin mir bewusst, wie schwierig es ist, Rechnungen zu bezahlen. Ich bin eine denkende Frau, die die Welt um sich herum wahrnimmt – und ich komme aus einer Familie, die wenig Geld hatte."

Brangelina

Einen besseren Zeitpunkt für den Start einer Scheidungsserie hätten sich die Produzenten jedenfalls nicht aussuchen können – gute zwei Wochen, nachdem das berühmteste Ehepaar der Welt seine Trennung verkündet hat und die Welt kurzzeitig in einen kollektiven Schockmodus verfiel. "Wenn es um Scheidungen in Film und Fernsehen geht, denkt man meistens an Rosenkriege und reiche Leute, die streiten", sagt Parker. So soll "Divorce" nicht sein. "Ich wollte eine andere Geschichte erzählen, eine, die ich so noch nie im Fernsehen gesehen habe."

Und die Macher rechnen auch nicht damit, an den Erfolg von "Sex and the City" anknüpfen zu können. Man habe nicht vor, sechs Staffeln über zwei streitende (Ex-)Eheleute zu machen, verkündete Drehbuchautor Paul Simms (der schon für die Hit-Serie "Girls" verantwortlich zeichnete) im Vorfeld. Das hieße aber nicht, dass das Thema Scheidung nicht genügend Drama-Potenzial biete – man denke nur an die mächtigen Anwälte, die derzeit auch im Fall Brangelina als Hauptdarsteller fungieren. Oder an Gerichtsprozesse, die sich jahrelang hinziehen. Gut möglich also, dass uns Sarah Jessica Parker noch länger erhalten bleibt – zwar nicht als Carrie, aber als Frances.

Chic, erfolgreich, "fabulous": Carrie und ihre Freundinnen waren die Gesichter unserer Generation. Am liebsten hätten wir zu den vier Mädels gehört, in deren Glamour-Leben wir jeden Dienstag hineinschnupperten. Ich beneidete sie nicht um die Outfits, die Clubs oder die Männer von Manhattan, sondern um die Abende zu viert. Wenn jede ihr Leben vor den anderen ausbreitete und sie einander Unterstützung und Widerspruch garantierten. Und es keine Geheimnisse oder Tabus gab. Eines machte die Serie deutlich: Nichts ist so stark wie moderne Frauenpower. In ihrer eigenen Sicht der Welt brachte es Carrie auf den Punkt: "Träume ändern sich, Trends kommen und gehen, aber Freundschaft ist nie aus der Mode."

Die Fragen aus Carries Kolumnen beschäftigten uns hier genau so wie in New York City. Wie es aussieht mit der großen Liebe, was wir im Bett machen (wollen) und wie wir das Glück erkennen. Zu jedem Thema unseres Lebens gab es eine Szene – und für mich als Journalistin mit Locken war Carrie das perfekte Alter Ego.Verwunderlich, dass es bis heuer dauerte, bis ich mir im Urlaub eine Kette mit Namensschriftzug machen ließ. Und eine für meine kleine Tochter, auch wenn die Mädchen ihrer Generation neue Serienvorbilder haben werden. Wer weiß, was ihr Rollenverständnis prägen wird?

Die 15 Jahre seit der ersten Staffel im ORF sind an mir nicht spurlos vorübergegangen. Ich denke jetzt immer wieder an die Folge "40 und fabelhaft?" mit Carrie als Cover-Model mit Ringen unter den Augen. Und ich erinnere mich, als Miranda wegen Baby Brady nicht mehr mit den Mädels um die Häuser ziehen konnte. Als sie die Stadt verließ, um nach Brooklyn zu ziehen, war für uns alle eine Ära vorbei. Wir sind gemeinsam erwachsen geworden.

An den großen Erfolg der Kultserie konnte bislang keine der vier Hauptdarstellerinnen anknüpfen. Kim Cattrall alias Samantha Jones, die heuer ihren 60. Geburtstag feierte, beklagte erst kürzlich die dürftigen Jobchancen für Schauspielerinnen ihres Alters. Seit vier Jahren produziert sie ihre eigene Serie: "Sensitive Skin" dreht sich um eine Frau in der Midlife-Crisis.

Für Cynthia Nixon, die in der Serie die zynische Anwältin Miranda Hobbes mimte, gab es nach "Sex and the City" auch einen privaten Neubeginn: Sie trennte sich vom Vater ihrer beiden Kinder und verliebte sich in die Aktivistin Christine Marioni, mit der sie mittlerweile einen Sohn hat. Beruflich konzentrierte sich die 50-Jährige aufs Theater: Für ihre Rolle als trauernde Mutter im Broadway-Stück "Rabbit Hole" wurde sie 2006 mit einem Tony Award ausgezeichnet.

Auch Kristin Davis, berühmt geworden als Romantikerin Charlotte Yorke, spielt Theater – in London war sie im Stück "Fatal Attraction" zu sehen. Die 51-Jährige adoptierte vor fünf Jahren ein Mädchen und setzt sich für den Schutz von Elefanten ein.

Mit Carrie Bradshaw habe sie nur eines gemeinsam, sagte Sarah Jessica Parker einmal: die Leidenschaft für Schuhe. So gesehen wenig überraschend, dass sie 2014 ihre eigene Schuhkollektion auf den Markt brachte. In der "SJP Collection" finden sich Espadrilles genauso wie flache Sandalen und – natürlich – High Heels. Ein Modell, silber glitzernde Mary-Janes, war innerhalb einer Stunde ausverkauft und wurde von Modebloggern als neuer Kultschuh gehandelt.

Die zwischen 300 und 400 Euro teuren Schuhe gibt es, so wie Handtaschen und andere Kleidungsstücke, beim US-Onlinehändler Nordstrom – und demnächst auch beim Versandriesen Amazon Fashion.

Passend zu den Heels gibt es ab kommendem Monat auch das Kleine Schwarze aus dem Hause Parker: Auf Instagram verkündete das Allroundtalent den Start einer "Little Black Dress"-Kollektion. Die Cocktailkleider werden von SJP selbst entworfen und bei Bloomingdales in New York erhältlich sein.

Das Carrie-Flair gibt es auch zum Sprühen: Schon 2005 lancierte Parker ihren Damenduft "Lovely", eines der meistverkauften Promi-Parfums aller Zeiten. Im August folgte "Stash" – und es ist anzunehmen, dass auch dieser Duft ein Erfolg werden wird.

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