Rudolf Taschner: „Verstehe die Sturheit der Lehrer“

Mathematiker und Autor Rudolf Taschner im Interview zuseinem aktuellen Buch "Die Zahl die aus der Kälte kam". 24.07.2013, Wiener Albertina
Der Erfolgsautor über sein neues Buch und warum Lehrergewerkschafter Hardliner sind.

Wer ein Buch über Mathematik schreibt, darf nicht zwingend mit einem Bestseller rechnen. Nicht so Rudolf Taschner. Der Mathematiker hat die Erfolgsformel gefunden, wie man selbst mit Mathematik-Büchern Top-Seller produziert.

Vor drei Jahren wurde sein Buch „Rechnen mit Gott und der Welt“ zum Buchliebling gewählt. Nun erscheint sein neuestes Werk „Die Zahl, die aus der Kälte kam“ (Hanser-Verlag, 20,50 Euro). Im KURIER-Interview erzählt der Mathematiker über die Macht der Zahlen in der Spionage, warum sich die Banker verspekulierten und warum er froh ist, nicht mehr im Klassenzimmer unterrichten zu müssen.

KURIER: Herr Taschner, Ihr neues Mathematik-Sachbuch hat den Titel „Die Zahl, die aus der Kälte kam“. Was steckt dahinter?

Rudolf Taschner: Für die meisten Menschen ist Mathematik etwas Kaltes und Abstraktes – deswegen hat mir der Titel gefallen. Der Titel ist aber auch eine Anlehnung an den John- le-Carre-Krimi „Der Spion, der aus der Kälte kam“. In meinem neuen Buch erzähle ich Geschichten über die Macht der Zahlen. So will ich den Leser verführen, in die Welt der Zahlen einzutauchen. Wer rechnen kann, der kann Wetter- oder Wirtschafts-Prognosen erstellen. Damit kennt man die Zukunft und das verleiht Macht.

Apropos Spion: Ist Edward Snowdon für Sie ein Held?

In der Spionage gibt es keine Helden. Das ist ein trauriges Geschäft. Snowden ist ein Verräter, aber wahrscheinlich einer von den guten. Ich befürchte, Snowden ist nur ein Bauer in einem großen Spiel. Denn wie kommt so ein Bursche zu diesen Informationen? Da muss es noch mächtigere Hintermänner geben. Und möchten Sie vom chinesischen und russischen Geheimdienst verhört worden sein?

Rudolf Taschner: „Verstehe die Sturheit der Lehrer“
Mathematiker und Autor Rudolf Taschner im Interview zuseinem aktuellen Buch "Die Zahl die aus der Kälte kam". 24.07.2013, Wiener Albertina
Welche Zahlen eignen sich für Spionage-Codes?

Der große englische Mathematiker Godfrey Hardy gilt als der Begründer der Spionage-Codes. Er hat sich nur mit Primzahlen beschäftigt, weil er dachte, Primzahlen sind eine ungefährliche Wissenschaft. Und dann zeigte sich, dass sich ausgerechnet die riesigen Primzahlen zum Codieren eignen. Zum Glück musste Godfrey Hardy das nicht mehr erleben.Warum gerade Primzahlen?

Nehmen Sie zwei riesengroße Primzahlen und multiplizieren Sie diese. Zum Multiplizieren benötigt der Computer nur wenige Hundertstel. Aber zum Decodieren der Primzahlen benötigt der Computer viele Jahre. Zahlen sind die Goldkörner des Spionagebusiness.

Sie behaupten: Wer Prognosen erstellen kann, kennt die Zukunft. Warum lagen die Banker mit ihren Prognosen falsch und haben dadurch die Weltwirtschaftskrise ausgelöst?

Weil die Finanzwelt auf falsche Berechnungsmodelle gesetzt hat. Die Finanzwelt berechnete ihre Prognosen nach der sogenannten „Gaußsche Normalverteilung“. Dieses Modell sieht aus wie eine dicke Glocke. In der Finanzmathematik bewegen sich die Risiken der Hedgefonds und Wetten in wirtschaftlich ruhigen Zeiten brav innerhalb der dicken Glocke. Extreme Verluste und extreme Gewinne sind bei diesem Modell äußerst selten – quasi Ausreißer. Das heißt: Man hat das Risiko übersehen, weil es bei diesem Modell unsichtbar war. Der zweite Fehler war: Viele Investoren haben nur auf ein Produkt gesetzt. Sie hätten ihre Investitionen streuen sollen. Wie sonst konnten so viele Anleger auf Madoff hereinfallen?

Vor Ihrer Karriere als Autor waren Sie viele Jahre Lehrer. Haben Sie Verständnis für die sture Haltung der Gewerkschaft bei den Lehrerdienstrecht-Verhandlungen?

Ich verstehe diese sture Haltung durchaus. Das Lehrer-Dasein ist kein einfaches Dasein. Ein Lehrer soll den Kindern Karrierechancen geben und die Gschrappen wollen das vielleicht gar nicht, weil sie noch nicht den Weitblick besitzen. Wenn ich eine Minute in der Stunde loslasse, habe ich in der Klasse eine Katastrophe. Der Lehrer muss die Zügeln 50 Minuten lang fest halten. Das ist nicht einfach. Und dann kommen noch die unzähligen Bildungsexperten hinzu, die den Lehrern ständig erzählen wollen, wie sie zu unterrichten haben, obwohl sie noch keine Minute im Klassenzimmer gestanden sind. Ich verstehe die Lehrer, wenn sie nicht glücklich sind, dass sie jetzt noch länger arbeiten müssen.

In keinem anderen Beruf hat man so viel Ferien. Und Fakt ist, an der Ganztagsschule führt auch kein Weg vorbei. Also einen Kompromiss muss es geben ...

Kompromisse zu schließen ist für jemanden, der im Klassen- und im Konferenzzimmer immer im Recht ist, nicht einfach. Auf Kompromisse sind Lehrer nicht programmiert. Fakt ist: Die langen Ferien sind nicht für die Lehrer gemacht worden, sondern für die Eltern. Denn die Kinder mussten im Sommer bei der Ernte helfen. Jetzt ist es sinnvoll, dass die Ganztagsschule kommt. Aber dafür müssen sich auch die Rahmenbedingungen ändern. Es kann nicht sein, dass ein Mathematiklehrer auch die Probleme innerhalb der Familie lösen muss.

Stört es Sie eigentlich, dass Sie oft als „Niki Lauda des Feuilletons“ bezeichnet werden, weil Sie fast jedes Thema kommentieren?

Ja, das ist der Fluch der bösen Tat. Aber es ist nett, dass ich nicht mehr der Marcel Prawy der Mathematik bin.

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