Frühstück mit Markus Bendler

Frühstück mit Markus Bendler
Steil. Der zweifache Weltmeister im Eisklettern und sein Drahtseilakt zwischen Leidenschaft und Risiko.

Hier ist Markus Bendler ganz bei sich. In der Eiswand kann er lockerlassen, auch wenn ihm das größte Kraftanstrengung abverlangt. Wie eine Fliege spaziert er in der Senkrechten, klebt in der Wand, als gäb’s keine Schwerkraft. Die Pickel in den Händen und die über und über mit Zacken versehenen Steigeisen verstärken noch den Eindruck des Insektenhaften.

Frühstück mit Markus Bendler

Markus Bendler
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Markus Bendler
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Markus Bendler
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Markus Bendler
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Markus Bendler
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Treffpunkt

Frühstück mit Markus Bendler

Sigmund-Thun-Klamm in Kaprun, Salzburger Land. Der KURIER hat den Tiroler, zweifacher Weltmeister im Eisklettern, zum Frühstück geladen, einzunehmen in der Eiswand, versteht sich. Sein Auto, ein Van, ist vollgepackt mit Kletterutensilien. Eisklettern ist aufwändig. Bendler ist von Anfang an als der coole Hund zu erkennen, der er berufsbedingt sein muss. Langsamer Schritt, bedächtige Bewegungen, wache, eisblaue Augen. Die trashige, hellblaue Sonnenbrille passt zur Sporthose, die grüne Haube zum Oberteil.

Schwindelerregend

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Das Frühstück ist schnell gekauft: Ein Croissant und ein Apfel, die Thermoskanne mit Tee hat er aus seinem Heimatort, Schwendt bei Kössen, mitgenommen. In der Eiswand zu essen, ist keine Premiere für den 27-Jährigen. Bei jeder längeren Tour ist die Wegzehrung unverzichtbar. Mit Eispickel und Sicherungsseil kann er es sich in der Eiswand nahezu bequem machen, auch wenn die Höhe schwindelerregend ist. "Ob es jetzt 100 oder 600 Meter runtergeht", sagt er, " das fühlt sich nicht anders an. Fehler darf man sowieso keinen machen."

Womit wir beim größten Unterschied zum Felsklettern wären: Die Eiswand verzeiht einfach keine Fehler. Den kontrollierten Absturz, wenn der Kletterer ein paar Meter "ins Seil" fällt, den gibt’s bei Markus Bendler nur in der Theorie. Zu filigran ist oft das Eis, um die Wucht des Falls (und die Sicherung) zu halten. Dazu kommt: Das Eis ist Kletterobjekt und Überlebensgrundlage zugleich. Es will mit Vorsicht gehauen sein, damit es nicht in sich zusammenfällt. Es ist diese Mischung aus Kraft, Ausdauer und Feingefühl, die den Sport – 2014 in Sotchi olympischer Vorstellungsbewerb – so einzigartig macht. "Eine Leidenschaft", sagt Bendler, "das kann man schwer erklären."

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Tee oder Kaffee?
Viel Kaffee.

Das schönste Frühstück wäre mit ...
... meiner Freundin Theresa!

Gefallen ist er noch nie, aber er weiß, wie es sich anfühlen muss, wenn einem der sprichwörtliche Boden unter den Füßen entrissen wird: "2008 in Japan bin ich einen Wasserfall hoch, als plötzlich die Eiswand neben mir kollabiert ist. Das ist nicht so nett. Du würdest gerne weglaufen, kannst aber nur stillhalten." Und einmal, 2006, hat er den Tod eines Kletterfreundes mitansehen müssen, als sie in einer "Eiskapelle" überhängend geklettert sind: "Der Harald (Berger) war rechts, ich links, als auf seiner Seite die Eiswand über ihn zusammengebrochen ist."

Diese Erlebnisse haben ihn vorsichtig gemacht. Vor jeder neuen Wand wägt er genau ab, "liest" das Eis, nimmt Temperatur- und Wetterentwicklung der vergangenen Tage mit in die Rechnung, bevor er sich ins Eis wagt. Wo kann ich klettern, wie sicher ist das Eis, hält die Säule überhaupt? Er muss sich auf sein Arbeitsgerät verlassen können.

Frühstück mit Markus Bendler

"Die Frage ist, wie weit lehnst du dich raus? Das ist wie bei Lawinen, ein gewisses Restrisiko bleibt. Wenn du spektakuläre Aktionen machst, springen vielleicht Sponsoren darauf an, aber davon darfst du dich nicht leiten lassen." Bendler hat sich seine Unabhängigkeit geschaffen, indem er im Winter im Weltcup klettert und im Sommer mit dem Aufbau von Kletterwänden sein Geld verdient. "Ich kann alles machen, ich muss aber nicht. Das ist authentischer als bei manch anderen."

Begonnen hat alles in der Kindheit – und aus der Not heraus. Mit elf Jahren hat er mit seinem Bruder erste Klettererfahrungen gesammelt: "Ich war von Anfang an relativ fanatisch und bin bei jeder Gelegenheit geklettert." Doch mit den Jahren stagnierten die Leistungen, weil es im Winter keine Trainingsmöglichkeit gegeben hat. So begann er mit dem Eisklettern. "Als Tiroler hast du in jedem Tal einen Spielplatz," lacht er.

Brachialtraining

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Nach der Lehre hat er fünf Kilometer hinter der Grenze in einer bayrischen Bäckerei gearbeitet. Der wenige Schlaf und das viele Klettern haben ihm zugesetzt, bis er sich mit 21 selbstständig gemacht und die Profi-Karriere gestartet hat.

Einen Einblick in sein brachiales Trainingsprogramm gibt ein Video auf der Plattform vimeo.com (Stichwort Eisprinz): Los geht das Training in einem umgebauten Kohlenkeller mit einer Stunde Klimmzüge am "Campusboard", einer Art überhängendes Folterinstrument, bestehend aus einer Holzplatte mit Leisten zum Stärken der Finger- und Oberarmmuskulatur. "Dann zieh’ ich mir die schweren Schuhe und Gewichtsmanschetten an, klettere zehn, elf Minuten an der Wand, ungefähr hundert Züge. Und da muss ich noch 50 Klimmzüge einbauen." Endlich fünf Minuten Pause, "in denen ich 50 Liegestütze mach’." Und dann geht das Spiel wieder von vorne los.

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Auf 68 Kilo Kampfgewicht bringt er es zurzeit bei 1,78 Meter, fast ein wenig zu leicht für den richtigen Halt im Eis, meint er. "Im Winter hab’ ich nix auf den Rippen." Letztlich spielt sich die Grenzerfahrung Eisklettern ohnedies im Kopf ab: "Es ist vor allem eine mentale Herausforderung. Wenn das Selbstvertrauen fehlt, wenn man unsicher ist, dann funktioniert es nicht."

Und die Angst, hat er keine Angst? "Na", sagt er und überlegt kurz kopfschüttelnd, was er dazu noch sagen könnte: "Na."

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