Ausgebrannt: Kinderstars auf dem Karriere-Rückzug

Sie sind kaum zwanzig und haben mehr erlebt als die meisten Achtzigjährigen. Doch viele ehemalige Kinderstars verkraften den frühen Ruhm nicht.

Es war eine überraschend offene Ankündigung, die Demi Lovato mit gerade einmal 24 Jahren via Twitter machte: "Ich freue mich so auf 2017", schrieb sie im Oktober. "Nehme mir eine Auszeit von der Musik und dem Rampenlicht. Bin nicht gemacht für dieses Geschäft und die Medien." Die Nachfrage eines Fans, ob es denn irgendwann ein Comeback gebe, verneinte die Sängerin. Begründung: "Das ist es mir nicht mehr wert."

Lovato ist das jüngste Beispiel in einer Reihe ehemaliger Disney-Stars, die an ihrem frühen Ruhm zerbrechen. Schon mit fünf Jahren nahm sie Schauspielunterricht, mit sieben hatte sie ihre erste Fernsehrolle, mit 15 den Durchbruch im Disney-Film "Camp Rock" und einen Plattenvertrag. Mit 18 kam der Tiefpunkt: Auf dem Flug zu einem Konzert schlug sie ihrer Backgroundtänzerin ins Gesicht, beendete die Tournee vorzeitig und ließ sich in eine Klinik einweisen. Die Liste der zu behandelnden Probleme war lang – Bulimie, eine bipolare Störung, Selbstverletzungen, Drogen- und Alkoholmissbrauch. Das vorläufige Ende eines modernen Disney-Märchens.

Ausgebrannt: Kinderstars auf dem Karriere-Rückzug
US singer Demi Lovato performs at Auditorio Citibanamex in Monterrey, Mexico, on October 19, 2016. / AFP PHOTO / Julio Cesar AGUILAR

Ähnlich erging es ihrer ehemaligen besten Freundin Selena Gomez. Der Star aus der Disney-Serie "Die Zauberer vom Waverly Place" verkündete im August seinen Rückzug aus dem Showbiz – die 24-Jährige leide an Depressionen und Panikattacken und wolle sich von nun an ganz auf ihre Gesundheit konzentrieren.

Inzwischen sind die Chefs von Disney böse Überraschungen gewöhnt. Jeden Montagmorgen, so munkelt man in Hollywood, schwitzen die Chefs ob der neu eintrudelnden Paparazzi-Fotos vom Wochenende – welcher Schützling ist dieses Mal aus der Rolle gefallen? Denn die in den Filmen dargestellte heile Welt spießt sich mit den Eskapaden, die sich so mancher Nachwuchsstar in den vergangenen Jahren geliefert hat. Allen voran Miley Cyrus, die die süße "Hannah Montana" mimte – und sich gleichzeitig, mit 15 Jahren, nackt für ein Zeitungscover ablichten ließ. Das Shooting läutete einen radikalen Imagewandel ein. "Ich habe verdammt viele Probleme. Ich habe kein normales Leben", gab sie nach einigen Skandal-Auftritten zu. "Hannah Montana" ist natürlich längst Geschichte.

Ausgebrannt: Kinderstars auf dem Karriere-Rückzug
Show host Miley Cyrus speaks on stage at the 2015 MTV Video Music Awards in Los Angeles, California August 30, 2015. REUTERS/Mario Anzuoni

Alexander Tinodi weiß, was es heißt, mit Nachwuchsstars zu arbeiten. Er ist Geschäftsführer des Performing Center Austria, das junge Sänger, Tänzer und Schauspieler fördert. Beim Musikwettbewerb Kiddy Contest etwa sind seine Schützlinge seit Beginn als Tänzer mit dabei. In Österreich, meint er, wäre der rasche Aufstieg und tiefe Fall von Kinderstars "wegen Schulpflicht, mangelnder Filmlobby und aus gesellschaftlichen Gründen" kaum möglich. "Deswegen klappen bei uns ja die Schönheits- und Lookalike-Bewerbe für Sechsjährige nicht, bei denen die Kinder, gerade dem Babyalter entwachsen, unter zentimeterdicker Schminke auf den Laufsteg geschickt werden. Das würde keine öffentliche Akzeptanz finden, wie es in den USA der Fall ist."

Den amerikanischen Markt beobachtet er aus der Ferne. "Am Anfang ist es ein riesengroßer Spaß für die jungen Leute, überall gesehen zu werden, aber nach ein paar Jahren wird es zum Zwang und teilweise zur Qual", weiß er. "Das ist ein Verlust der Kindheit, weil diese Kinderstars völlig den Bezug zur Realität verlieren und in Depressionen verfallen, wenn der Rummel um ihre Person plötzlich leiser wird. Das ist sicher nicht das wahre Leben." Die Macher im Hintergrund würden zwar anfänglich vermeintliche Träume erfüllen, hätten aber primär den größtmöglichen Gewinn im Sinn – "ohne Rücksicht auf Verluste".

Ausgebrannt: Kinderstars auf dem Karriere-Rückzug
Justin Bieber performs a medley of songs at the 2016 Billboard Awards in Las Vegas, Nevada, U.S., May 22, 2016. REUTERS/Mario Anzuoni/File Photo

Gabriele Göllner, Leiterin des Künstlermanagements im Performing Center, ergänzt: "Dann gibt es da auch das körperliche Ausbrennen. Ein Justin Bieber hätte am Start seiner Karriere niemals ein Konzert abgebrochen, weil die Fans zu laut kreischen. Mittlerweile kostet es ihn mehr und mehr Anstrengung, auf die Bühne zu gehen und das abzuliefern, was jeder von ihm verlangt." Bei seinem Konzert in Wien Anfang November beantwortete der 22-jährige Pop-Superstar – seit acht Jahren im Rampenlicht, Drogenexzesse inklusive – Fragen aus dem Publikum. Wie denn die Tour bis jetzt gewesen sei, wollte ein Fan wissen: "Lang", antwortete Bieber. "Sehr lang."

Heute kennt ihn jeder als erfolgreichen Schauspieler, dreifachen Vater und Ex-Mann von Jennifer Garner – doch kaum einer weiß, dass Ben Affleck schon als Kind vor der Kamera stand. Als die Fernsehserie floppte, Affleck schloss er die High School ab und zog mit seinem Kumpel Matt Damon nach Los Angeles, um Drehbücher zu schreiben. Heute ist er froh darüber, dass sich der große Erfolg erst später einstellte, wie er in einer Talkshow verriet: "Zum Glück habe ich keine Rolle in einer Show bekommen, bin berühmt geworden, habe Crack genommen und bin durchgedreht", sagte er Jimmy Fallon.

Auch Claire Danes, heute bekannt als Agentin Carrie Mathison in der Erfolgsserie "Homeland", spielte schon als Jugendliche in einer TV-Serie. Als man ihr eine Rolle in "Schindlers Liste" anbot, lehnten ihre Eltern ab, weil man der Zwölfjährigen während der Dreharbeiten in Polen keinen Privatlehrer zur Verfügung stellte. Der große Erfolg kam später, Eskapaden blieben aus.

Wie bei ihrer Kollegin Alyson Hannigan. Schon als Baby war der spätere "How I Met Your Mother"-Star in einem Werbespot zu sehen, mit 13 spielte sie in "Meine Stiefmutter ist ein Alien". Bis heute führt Hannigan ein skandalfreies Leben und ist seit 13 Jahren mit dem Vater ihrer Töchter verheiratet.

Ähnlich ruhig verläuft das Privatleben von Ryan Gosling, der seine ersten Schritte im Showgeschäft als Neunjähriger im "Mickey Mouse Club" an der Seite von Britney Spears machte. Der Independentfilm "Half Nelson" brachte ihm mit Mitte 20 eine Oscarnominierung sowie weitere Rollen ein – während seine einstige Kollegin an ihrem frühen Ruhm nach und nach zerbrach.

Kommentare