YOG: Die private Seite der Sieger

YOG: Die private Seite der Sieger
Die ersten Jugendspiele in Innsbruck gehen zu Ende. Drei österreichische Gold-Gewinner privat.

Mit einer Goldmedaille schläft es sich nicht anders als ohne", sind sich Marco Schwarz (Ski Alpin), Elisabeth Gram (Ski Freestyle Halfpipe) und Miriam-Stefanie Kastlunger (Rodeln) nach ihren Erfolgen bei den ersten olympischen Jugendspielen (YOG) einig. Jung, bunt und lässig – so zeigten sich diese Spiele, und genauso präsentieren sich auch ihre Hauptdarsteller. Der KURIER blickte hinter Rennanzug und Helm.

Marco Schwarz

Die Ellbogen auf die Knie gestützt, den Blick gesenkt, sitzt Marco Schwarz auf einer weißen Kartonschachtel im O-Dorf. "Was mach ich, wenn ich nicht auf den Skiern stehe", fragt er sich halblaut.
Dann schaut er auf und meint etwas verlegen:"Nicht viel. Freunde treffen, ins Kino gehen. Aber eigentlich hab’ ich nicht so viel Freizeit."

Schon als Dreijähriger sauste der Kärntner über die Pisten. Damals wusste er freilich noch nicht, dass er die beiden Bretteln in den folgenden Jahren beinahe jeden Tag anschnallen wird.

"Meine Eltern sind Hobby-Skifahrer. Dadurch bin ich zum Sport gekommen", erinnert sich der 16-Jährige. Sein älterer Bruder hat den professionellen Sport an den Nagel gehängt. "Aber für mich gibt’s momentan nur Skifahren. Ich stecke meine ganze Zeit und Energie in dieses Ziel."

Und so nimmt er auch gern in Kauf, von Trainingslager zu Trainingslager und Wettkampf zu Wettkampf zu tingeln. "Es macht mir nichts aus, aus dem Koffer zu leben." Das gehöre eben dazu, genauso wie die Hausaufgaben, die der Schüler der Skihandelsschule Schladming per eMail erledigt. "Mit dem Lernen hab’ ich es nicht so", gesteht Schwarz. Doch was er machen will, falls es mit der Sportlerkarriere nicht klappt, weiß er noch nicht. "Mein großes Ziel ist sicher der Weltcup."

Manchmal packen den ruhigen Burschen auch Zweifel. "Ab und zu frage ich mich schon, ob es das alles wert ist. Etwa wenn meine Freunde im Sommer am See liegen, während ich trainiere."

Aber Erfolgsmomente wie bei den YOG "zerstreuen die Bedenken", sagt Schwarz und fingert stolz an seinen Goldenen herum.

Miriam-Stefanie Kastlunger

YOG: Die private Seite der Sieger

"Ich gehe wahnsinnig gern Shoppen, vor allem Schuhe – da brauch ich gute Sponsoren", meint Miriam-Stefanie Kastlunger vergnügt. Die 17-jährige Rodlerin wirft noch einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, ehe sie den Friseursalon verlässt, um noch etwas durch die Geschäfte zu flanieren.

"Ich trage die ganze Zeit sportliche Klamotten, da mag ich’s in der Freizeit gern elegant", schildert Kastlunger und unterzieht eine Bluse genauerer Betrachtung.

Seit acht Jahren sitzt die Innsbruckerin auf der Rodel. "Am Anfang war’s nur ein Hobby, doch mit elf hab’ ich das Training intensiviert. Die Älteren haben immer von den vielen Reisen erzählt. Das wollte ich auch", erinnert sie sich.

Vor allem Calgary (Kanada) blieb ihr in Erinnerung. "Die Bahn steht mitten in der Stadt auf einem Hügel. Beim Start hast du einen genialen Blick." Doch permanent unterwegs zu sein, hat auch seine Schattenseiten. "Wer ist schon gerne zwölf Wochen weg und lebt aus dem Koffer? Da musst du das, was du tust, schon unbedingt wollen."

Umso mehr genießt sie die Zeit daheim, lässt sich bekochen, trifft Freunde oder liegt einfach nur auf der Couch. "Ich lese gerne."

Wenn ihre Kollegen am Nachmittag pauken, trainiert Kastlunger im Eiskanal. "Ich fehle fast das ganze Wintersemester, da gibt’s viel zum Nachlernen", bemerkt die Sprachenliebhaberin, die auch einen Plan B in der Hinterhand hat. "Ich möchte etwas mit Mode, Marketing oder Werbung machen. Leider geht sich im Sommer kein längeres Praktikum in einer großen Stadt aus. Ich kann nicht zwei Monate vom Training fehlen."

Bereut hat sie die Entscheidung für den Spitzensport dennoch nie. "Meine Eltern unterstützen mich bei allem. Und mein Freund ist Skeleton-Fahrer, wir verstehen einander", sagt die ehrgeizige Tirolerin, die schon Olympia 2018 im Visier hat.

Elisabeth Gram

YOG: Die private Seite der Sieger

"Nach dem Tod meiner Mama war Skifahren für uns eine Therapie. Da fühlten wir uns frei und konnten alles Belastende vergessen", erzählt Elisabeth Gram. Sie sitzt bei einer Tasse Schokolade in einem Café nahe dem O-Dorf und erzählt lieber von ihrer Familie, als dem unerwarteten Sieg in der Halfpipe.

Vor vier Jahren starb die Mutter der 15-Jährigen aus Fliess in Tirol an Krebs – für die fünf Geschwister und den Vater begann eine schwere Zeit. "Plötzlich war die Person nicht mehr da, die alles zusammengehalten hat. Aber wir haben uns zusammengerauft, jeder hat Aufgaben übernommen und seine Rolle gefunden."

Während der Woche drückt Gram in der HTL für Bautechnik in Innsbruck die Schulbank. Da bleibt nur an Wochenenden und in den Ferien Zeit fürs Training. Aber nicht für Titel und Medaillen, wie sie betont: "Ich brauche den Spaß dabei und die Familie steht klar über dem Sport."

Für die Tirolerin ist es selbstverständlich, daheim mitzuhelfen. "Wir haben ein großes Haus und Ferienwohnungen, da gibt’s immer was zu tun." Bei jedem Wetter ist sie auf der Piste und in der Natur anzutreffen. In die Halfpipe wagte sie sich erst letzten Winter. "Mein Bruder trainiert mich. Und wenn er sagt, ich schaffe einen Trick, dann vertraue ich ihm."

Eine sportliche Karriere sieht die bodenständige, junge Frau aber nüchtern. "Das Verletzungsrisiko in diesem Sport ist sehr hoch. Und wer kann schon wirklich davon leben?" Deshalb konzentriert sie sich auf die Schule und denkt über ein Architekturstudium nach. Und immer wenn es die Zeit erlaubt, "gehe ich mit dem Papa schön Skifahren – ohne Sprünge und Tricks, damit er auch wieder Freude hat", meint sie und lacht.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

Kommentare