Veith: "Es hat ein bisserl Überwindung gebraucht"

Am Semmering dreht sich alles um Anna Veith.
433 Tage nach ihrem Sturz wird Anna Veith wieder in einem Rennen starten – mit großen Emotionen.

Anna Veith möchte ihr Comeback am Dienstag im Riesentorlauf am Semmering „ganz bewusst spüren“. Vor ihrem ersten Rennen seit 21 Monaten sei das primäre Ziel, gute Schwünge zu fahren, sagte die Salzburgerin am Montag bei einem Medientermin. Sie hoffe zwar auf die Qualifikation für den zweiten Durchgang, meinte Veith, „aber wenn nicht, dann geht die Welt auch nicht unter“.

In den vergangenen Wochen habe sie sich auf immer anspruchsvollere Strecken gewagt und dabei konstant Fortschritte gemacht, erklärte die 27-Jährige zu den Hintergründen ihres Comebacks. Davor „waren immer Schmerzen, und eigentlich war der Körper noch nicht bereit für den Druck, den man braucht, wenn man wirklich schnell Skifahren will“.

Nicht schmerzfrei

Je näher der Semmering-Termin rückte, desto stärker habe sich das geändert. „Ich hab' das Gefühl, dass ich dem standhalten kann, die Schwünge auf Druck fahren kann“, betonte Veith, die im Oktober 2015 bei einem Sturz im Training vor dem Sölden-Rennen mehrere schwere Knieverletzungen erlitten hatte. Komplett schmerzfrei sei sie zwar nach wie vor nicht, doch habe sie gemerkt, dass Rennen für ihren Körper kein Risiko mehr darstellen würden. Letztlich musste sich Veith wohl auch dem eigenen inneren Drang geschlagen geben.

„Für mich ist einfach wichtig, dass ich mich über die Rennen weiterentwickeln kann. Nicht immer nur Training, Training, Training, Training - das hab' ich jetzt ganz lange gehabt“, sagte die Olympiasiegerin, zweifache Gesamtweltcup-Siegerin und dreimalige Weltmeisterin. Einen Tag vor dem Heiligen Abend habe sie sich endgültig zum Comeback entschieden. „Es hat ein bisserl Überwindung gebraucht am Anfang, aber ich bin jetzt davon überzeugt, dass es passen wird.“

Leichtere Entscheidung

Der Umstand, dass nach Weihnachten Heimrennen auf dem Programm stehen, sei ihrem Entschluss zumindest nicht abträglich gewesen. „Es war kein Grundstein für die Entscheidung, aber es macht die Entscheidung ein bisserl leichter“, sagte Veith. „Vor allem ist es immer gut, wenn man wo hinkommt, wo man schon einmal erfolgreich war, wo man weiß, wie man schnell sein kann. Das gibt mir vielleicht ein bisserl mehr Sicherheit.“

Der Zauberberg, wo Veith 2012 schon einmal triumphierte, habe etwas „Magisches“ an sich. „Man kriegt einfach die Stimmung der Menschen extrem mit. Das ist etwas, was einen extrem beflügeln kann. Ich hoffe, das kann ich morgen ganz intensiv spüren.“ Das Ergebnis sei zweitrangig. „Ich möchte mich im Rennen trauen, das zu fahren, was für mich im Moment möglich ist. Das wird wahrscheinlich nicht für ganz vorne reichen, aber ich denke, dass ich ein gutes Rennen fahren kann.“

Noch keine Speed-Rennen

Der mittelfristige Plan sei, bis auf weiteres alle Weltcup-Riesentorläufe zu bestreiten - vorausgesetzt freilich, das Gefühl stimmt auch im Rennen. Wann Veith wieder in den Speed-Disziplinen angreifen will, ließ sie offen. „Das sind einfach ganz andere Belastungen bei der höheren Geschwindigkeit. Da muss ich mich die nächste Zeit noch hintasten.“ Die WM in St. Moritz ist gedanklich ohnehin noch weit entfernt. „Es ist wichtig, dass ich jetzt einmal einsteige.“

Während der Zeit der Rehabilitation habe sie „öfters“ Gedanken gehabt, alles hinschmeißen zu wollen, räumte Veith ein. „Es waren ganz, ganz viele Tage dabei, wo ich nicht gewusst habe, ob es überhaupt noch weitergeht, ob ich überhaupt diese Belastungen noch fahren kann. Da war für mich das super Team, das ich um mich gehabt habe, ganz wichtig. Die waren wirklich jeden Tag für mich da und haben mich immer wieder rausgerissen in Situationen, wo es mir nicht so gut gegangen ist.“

Pausen-Pflicht

Ihre Therapie werde sie auf absehbare Zeit fortsetzen müssen. „Das ist einfach eine Verletzung, die über Jahre immer wieder gepflegt gehört. Es ist nicht so, dass ein Riesenschaden da ist, aber bei den hohen Belastungen, denen wir uns aussetzen, kommen immer wieder Probleme, und die muss man behandeln.“ Es gebe Tage, wo sie praktisch ohne Beschwerden sei, an anderen verlange der Körper recht bedingungslos nach einer Pause.

Für ÖSV-Sportdirektor Hans Pum stand fest, dass Veith schon jetzt die erste Siegerin des Rennens am Dienstag ist. „Der ganze Skiverband, die ganze Mannschaft hat eine Freude, dass die Anna wieder zurück ist nach dieser schweren Verletzung. Und ich glaub', sie macht nicht nur uns eine Freude, sondern sie hat mit ihrem Start hier allen Skifans ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk gemacht“, sagte Pum. Auch Damen-Sportchef Jürgen Kriechbaum beglückwünschte Veith: „Das ist einfach ein Hit, dass du wieder da bist.“

Als Weltmeister und Führender in der WM verunglückte Niki Lauda am 1. August 1976. Mit schweren Verbrennungen und verätzter Lunge wurde er ins Spital eingeliefert, wo er die letzte Ölung erhielt. Doch der Wiener kämpfte sich zurück ins Leben. 42 Tage danach fuhr er wieder ein Rennen, zwei Mal wurde er noch Weltmeister.

Am 1. April 1989 wurde Thomas Muster von einem betrunkenen Autofahrer niedergefahren. Das Knie war kaputt, die Tennis-Karriere hing an einem seidenen Faden. Doch der Steirer kämpfte wie ein Berserker, zwei Wochen nach der Operation saß er auf einer Holzbank wieder auf dem Tennisplatz und schlug die ersten Bälle. Schon im September kam er wieder auf die Tour zurück. Es folgten noch 39 ATP-Tour-Siege.

Mit einem spektakulären Sturz und zwei Olympiasiegen wurde Hermann Maier 1998 in Nagano zum "Herminator". Gestoppt wurde der erfolgreichste Skifahrer, den Österreich je hatte, im August 2001 von einem deutschen Autofahrer. Nach dem Motorradunfall (schwere Beinverletzungen) musste Maier eine ganze Weltcup-Saison auslassen, erst 2003 kehrte er auf die Piste zurück. 13 Tage nach seinem Comeback-Rennen gewann er den Super-G von Kitzbühel. Im Jahr darauf holte er zum vierten Mal den Gesamtweltcup.

Wie Anna Veith verletzte sich auch Marlies Schild am Rettenbachferner (Trümmerbruch des Schien- und Wadenbeins). Auch sie musste eine ganze Saison auslassen – und kam noch stärker zurück. Insgesamt erlitt die erfolgreichste Slalom-Fahrerin der Weltcup-Geschichte fünf Kreuzbandrisse.

Thomas Morgenstern stürzte am 10. Jänner 2014 beim Skifliegen am Kulm und zog sich kritische Kopf- und Lungenverletzungen zu. Einen Monat später gewann er in Sotschi mit der Mannschaft olympisches Silber.

Eine herausragende Verletzungsgeschichte hat auch Motocrosser Heinz Kinigadner. Der heute 56-jährige Tiroler erlitt in seiner Karriere insgesamt 48 Knochenbrüche. Bei sieben Versuchen scheiterte er bei der Dakar-Rallye sieben Mal.

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