Schlierenzauer: "Kinder immer fauler"

Schlierenzauer: "Kinder immer fauler"
Der Skisprung-Star ärgert sich über die Materialreform der FIS, lästige Fragen und fordert die tägliche Turnstunde.

Gregor Schlierenzauer, ist nicht ganz auf der Höhe. Seine Stimme ist belegt ("ich hab´Stimmbruch"), auch auf die jüngste Material-Reform der FIS (kürzere Skier, engere Anzüge) reagiert der 22-jährige Überflieger beim Gesprächstermin im Stubaier Jagdhof verschnupft. "Diese Regeländerungen sind nicht ganz fertiggedacht". Aber auch abseits der Schanzen macht sich der Tiroler viele Gedanken. Gregor Schlierenzauer über ...

... die engeren Anzüge: Mit den engen Anzügen werden einige Probleme auf uns zukommen. Es wird in diesem Winter sicher mehr Disqualifikationen geben. Die FIS gibt sich leider nicht die Zeit, gewisse Dinge reiflich zu testen. Da beschließen Leute Regeln und schrauben am Produkt Skispringen herum, die selbst gar nie gesprungen sind. Ich habe einen Protestbrief an die zuständigen Herren geschickt, bis heute aber noch kein richtiges Feedback erhalten. Aber wenigstens kann’s dann nicht heißen, die Athleten hätten nichts dagegen gesagt.

... die Problematik des Skispringens: In den letzten zwei Jahren hat sich bei uns viel geändert: Windregel, Anzugregel, Gateregel, Skilänge – es wird immer komplizierter. Früher hat jeder gewusst: Der Weiteste wird gewinnen. Jetzt ist es unübersichtlich geworden. Warum funktioniert der Fußball? Weil er eine einfache Sportart ist. Wer das Tor schießt, der gewinnt. Da darf Österreich gegen Brasilien auch nicht mit einem 4:0-Vorsprung
beginnen, nur weil wir in der Weltrangliste weit hinter den Brasilianern sind.

... neue Ziele: Ich bin in einer echten Luxussituation. Es hat ja nicht jeder Skispringer mit 22 so ein Leben und fast alles schon erreicht. Mit dem Tourneesieg habe ich mir im letzten Winter meinen Kindheitstraum verwirklicht. Alles, was jetzt noch kommt, ist Draufgabe. Zwei ganz große langfristige Ziele habe ich aber noch: Die 47 Weltcupsiege will ich knacken und Olympiagold.

... seinen Reifeprozess: Ich sehe heute alles nicht mehr so engstirnig und bin gelassener. Sicher, auf der Schanze will man immer der Beste sein, aber mir macht es mittlerweile nicht mehr so viel aus, wenn ich einmal nur Fünfter werde. Früher hätte ich mir um diese Jahreszeit schon Druck gemacht Richtung Winter. Ich werde heute sicher nicht mehr daran zerbrechen, weil ich mir selbst zu viel Druck mache.

... seine künstlerische Ader: Es ist wichtig, dass man eine zweite Schiene hat. Man kann nicht 24 Stunden am Tag ans Skispringen denken. Am 30. Oktober habe ich wieder meine Fotoausstellung, ich sehe beim Fotografieren Parallelen. Skispringen ist auch irgendwie eine Kunst. Auch die Leute von "Austrias next Topmodel" haben mich gefragt, mitzuwirken. Das ist eine tolle Geschichte.

... Terminstress & Privatleben: Man muss das Neinsagen lernen. Jeden Tag rufen zwei, drei Leute an, die irgendwas von mir wollen. Wo ich Kabel kriege, wenn Presseleute immer wieder in die Privatsphäre reinbohren. Das finde ich respektlos, wenn ständig Fragen nach der Freundin oder dem Heiraten gestellt werden.

... die tägliche Turnstunde: Ich bin selbst ein Opfer davon. In der Hauptschule hatte ich in den ersten beiden Klassen vier Stunden Turnen die Woche, dann nur mehr zwei. Das hat mir nicht gepasst. Kinder sind keine Wesen, die ruhig sitzen können. Zwei Stunden Turnen sind viel zu wenig. Mir gefällt das skandinavische Modell, wo den ganzen Nachmittag geturnt und gespielt wird. Die Kinder dort schneiden auch bei der PISA-Studie besser ab. Für mich persönlich war der Sport immer alles. Jetzt ist es eher so, dass die Kinder leider fauler werden, immer mehr Scheiß essen und nur Computer spielen. Dann kommt genau so was raus.

Hoch im Kurs: Der Tiroler Weitenjäger

Schlierenzauer: "Kinder immer fauler"

Karriere
Gregor Schlierenzauer (*7. Jänner 1990 in Fulpmes) hat mit seinen 22 Jahren fast schon alles gewonnen, was es im Skispringen zu gewinnen gibt. Er ist Gesamtweltcupsieger (2008/’09), Einzel-Weltmeister (2011), Olympiasieger mit dem Team, und mit 40 Weltcupsiegen bereits dieewige Nummer 2 hinter dem Finnen Matti Nykänen (46).

Mehr zum Thema

  • Hintergrund

  • Hauptartikel

Kommentare