Skisprung-Krise: "Wir haben uns neu geeicht"

Heinz Kuttin war schon vor zwölf Jahren als Trainer der Polen bei Olympia.
Trainer Heinz Kuttin erklärt die ungewöhnliche Vorbereitung seines Teams auf Olympia.

Am Montag heben nun auch Österreichs Skispringer Richtung Pyeongchang ab. Chefcoach Heinz Kuttin verzichtete mit seinen fünf Olympiastartern auf die Teilnahme am Weltcup in Willingen und berief stattdessen einen Trainingskurs in Planica ein.

Diese Maßnahme soll den schon länger schwächelnden Österreichern rechtzeitig auf die Sprünge helfen.

KURIER: Herr Kuttin, wären Sie in Zeiten wie diesen lieber Trainer einer Fußballmannschaft?

Heinz Kuttin: Wieso das?

Weil ein Fußballtrainer andere Möglichkeiten hat als ein Skisprungcoach. Sie können nicht einfach andere Leute aufstellen, das Heil in einer Defensivtaktik suchen oder den Präsidenten um Verstärkung bitten.

Nein, nein, mir gefällt der Job, den ich habe. Auch wenn die Phase wirklich keine einfache ist und wir vor großen Herausforderungen stehen. Aber ich lebe nach dem Motto: Du musst aus jeder Situation, egal wie schwierig sie auch sein mag, das Beste machen.

Was bedeutet das übertragen auf die ÖSV-Skispringer?

Wir sind alle gesund, wir sind alle fit, wir sind alle motiviert. Das ist schon einmal gut und wichtig. Das Thema ist, dass wir im Moment durch die Bank nicht in Hochform springen.

Wissen Sie denn, woran es hapert und krankt?

Es zieht sich jetzt schon durch den ganzen Winter: Im Training sehe ich oft sehr gute Sprünge – und zwar von allen. Aber wir schaffen es dann nicht, diese Leistungen und diese Qualität auch im Wettkampf abzurufen.

Warum ist das so?

Wahrscheinlich weil alle Springer irgendwie das Gefühl haben, dass sie etwas aufholen oder wiedergutmachen müssen. Uns fehlen in diesem Winter eben die Ergebnisse, und dann meint jeder, er müsste einen Schritt mehr machen und noch etwas draufsetzen und noch einen Zahn zulegen.

Das ist ja grundsätzlich positiv.

Absolut, aber im Skispringen bringt das nichts. Da ist weniger oft mehr. Wenn man zu viel will, dann macht man die Dinge nicht mehr richtig und sauber. Rein skisprungtechnisch fehlt’s praktisch bei allen nur an kleinen Details.

Aber was ist dann eigentlich das große Problem? Weshalb haben Sie mit dem Olympiateam auf einen Start in Willingen verzichtet und stattdessen ein Trainingslager einberufen?

Weil für uns nur mehr Olympia zählt. Und weil es darum geht, dass wir wieder das richtige Gespür für den Sprung kriegen. Und nur darum ist es in Planica gegangen. Die Basics auffrischen, Energie und Zuversicht tanken, und dann mit einem frischen Spirit zu den Spielen nach Korea zu reisen.

Ist es denn ein Vorteil, dass nach diesem Winter im Grunde keiner von den österreichischen Skispringern Medaillen in Südkorea erwartet?

Das, was war, ist eigentlich egal. Bei Olympia geht’s um die Medaillen, egal ob du jetzt Favorit oder Außenseiter bist. Daran ändert die Ausgangslage nichts. Es stimmt, die Saison war nicht einfach, aber wir haben uns im Team gesagt: ,Das ist Geschichte, das haken wir ab, das lassen wir hinter uns. Wir schauen, dass wir jetzt einen Neustart hinlegen.’ Befreit von all dem, was bisher war.

Geht das so einfach?

Man kann darüber reden, man kann es auch vorleben. Indem man zum Beispiel das Positive an unserer Situation herausstreicht.

Das Positive?

Zum Beispiel, dass wir in aller Ruhe einen Trainingsblock gemacht haben, während die anderer Springer im Wettkampfmodus geblieben sind und weniger Zeit zur Regeneration hatten. Es ist auch ein positiver Spirit und eine Vorfreude zu spüren. Wir haben drei Leute dabei, die noch nie bei Olympia waren. Kraft, Fettner, Aigner – auch das kann beflügeln,

Was stimmt Sie für Olympia zuversichtlich?

Eben genau das, was wir in den letzten Tagen gemeinsam gemacht haben. Wir haben uns neu geeicht und uns eingeschworen, dass wir den nächsten Schritt machen.

Sie sprechen immer von wir. Kann so eine Krise auch zusammenschweißen?

Das tut es, das merken wir auch intern. Im Grunde sind in diesem Winter fast alle Springer in einer ähnlichen Situation. Jeder hatte seine Problemchen, jedem hat die Lockerheit und die Sicherheit gefehlt. Aber ich bin überzeugt, dass wir voller Energie und Zuversicht nach Südkorea fahren.

Der Trainer

Der 47-jährige Kärntner hat drei Olympia-Medaillen geholt: 1992 Bronze von der Großschanze und mit dem Team 1992 Silber und 1994 Bronze. Seit April 2014 ist er Cheftrainer in Österreich. Schon 2006 war er als Trainer bei Olympischen Spielen. Die Polen (Malysz, Stoch, Hula, Mateja) landeten im Teambewerb bei Österreichs Sieg auf Rang fünf.

Olympische Spiele 2018

10. 2.: Normalschanze
17. 2.: Großschanze
19. 2.: Teambewerb

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