Norwegen: "Sport ist in der Gesellschaft fest verankert"

Marit Björgen (oben) und ihre Landsleute räumten in Südkorea kräftig ab.
39 Medaillen - der Chef der norwegischen Ski-Herren Christian Mitter über das Erfolgsrezept einer Sportnation.

Norwegen hat mit 5,2 Millionen weniger Einwohner als Österreich, aber zugleich deutlich mehr Medaillen. Mit 39 Stück (14 Gold, 14 Silber, 11 Bronze) stellten die Skandinavier in PyeongChang sogar einen neuen Rekord bei Winterspielen auf.

Warum ist Norwegen so eine Sportnation? Was läuft dort anders? Ein Gespräch mit Christian Mitter, dem steirischen Chef der norwegischen Ski-Herren.

KURIER: Weshalb ist Norwegen dermaßen erfolgreich?

Christian Mitter: Das kann man so nicht an einem Punkt festmachen. Was aber sicher der Fall ist: Der Sport ist in der Gesellschaft fest verankert.

Woran machen Sie das fest?

Es wird einfach sehr viel und bei jeder Gelegenheit gesportelt. Die Leute zieht es in der Freizeit in die Natur, und zwar ganz egal, wie kalt es draußen ist. Im Winter gehen Eltern mit den Kindern in den Wald und schlafen im Zelt. Wenn du das bei uns machst, wirst du angezeigt. Eines habe ich in Norwegen jedenfalls schnell gelernt.

Was denn?

Was das Wetter und die Bedingungen betrifft, sind die Norweger komplett schmerzbefreit. Da gibt’s kein Wetter, bei dem man nicht ins Freie geht. Die sind total abgehärtet, Rausgehen ist cool. Es gibt kein Wetter, bei dem sie im Haus bleiben.

Trifft das denn auf Ihre Skifahrer auch zu?

Absolut. Der Vorteil der norwegischen Läufer ist, dass sie im Training immer fahren. Auch die Superstars. Da gibt’s keine Diskussion. Und natürlich hilft dir das dann, wenn im Rennen einmal schlechte Verhältnisse sind.

Sehen Sie noch weitere Unterschiede?

Die Mentalität ist eine andere, bei den Norwegern ist die Risikobereitschaft sehr ausgeprägt. Das soll nicht heißen, dass sie gefährlichen Sachen machen, sondern dass sie bereit sind, bei einem großen Wettkampf über das Limit zu gehen. Jeder geht mit dem Anspruch in den Bewerb hinein: ,Ich muss jetzt etwas riskieren, sonst werde ich nur Vierter oder Fünfter.‘ Das geht nicht immer auf, wie man im Herren-Slalom gesehen hat, das war auch ein Schlag in die Magengrube. Aber mir gefällt diese Einstellung: Norweger sehen so einen Bewerb als Chance und nicht als Bedrohung. Da gibt es bei Norwegern keine Angst vor dem möglichen Scheitern.

Sie haben ein sehr kleines Ski-Team, das trotzdem sehr erfolgreich ist. Ist es ein Vorteil, in kleinen Gruppen zu trainieren?

Es ist schon so, dass bei uns nicht der Einzelsportler im Mittelpunkt steht, sondern das Team. Wenn man vorne einen Star hat, dann will man hier um diesen Star eine homogene Mannschaft formen. Das ist der Grundanspruch. Die Jungen können sich hinter den Stars dann langsam entwickeln und sich auch von anderen Sportlern etwas abschauen.

Von anderen Sportlern?

Wir sind ein riesiges norwegisches Team. Bei uns gibt es den Olympiatoppen, das ist eine Sport-Institution in Norwegen, in der die Sportler aus allen Sparten zusammenkommen und gemeinsam trainieren. Die Leute kennen einander und freuen sich miteinander. Man hilft sich auch untereinander. Das zeichnet auch den norwegischen Spirit aus.

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