Jagd auf die Kristallkugeln beginnt

In diesem Ski-Winter dreht sich alles um die große Kristallkugel. Österreich hat keinen Anwärter auf den Gesamtweltcup.

Was Lindsey Vonn an diesem Donnerstag um 15.43 Uhr Ötztaler Ortszeit wohl durch den Kopf gegangen ist? Vielleicht: Wo bin ich eigentlich gerade? Oder: Warum um alles in der Welt ist im Zeitalter von Klon-Schafen und Genmais die geklonte Skiläuferin noch nicht erfunden?

Man kann tatsächlich sehr schnell Überblick und Orientierung verlieren vor dem offiziellen Winterbeginn der Skifahrer. Die ersten Weltcuprennen stehen ins Haus und die Ski-Szene beginnt zu hyperventilieren. Die wichtigsten Errungenschaften, die modernsten Bindungen, die aktuellsten Helme, die trendigsten Trends, die neuesten News - eine Präsentation jagt die nächste, ein Event folgt dem anderen, und mittendrin Stars wie die US-Amerikanerin Lindsey Vonn, die herumgereicht wird wie ein Wanderpokal.

Zwischensaison

Und dabei handelt es sich heuer noch um einen vergleichsweise harmlosen Ski-Winter: Ohne Weltmeisterschaften, ohne Olympische Spiele.

In der Saison 2011/'12, die am Samstag mit dem Riesentorlauf der Damen eröffnet wird, ist die Ski-Welt eine Kugel. Alles dreht sich um die große Kristallkugel, die Trophäe für die Weltcup-Gesamtsieger wird zum größten Objekt der Begierde.

Eine Sehnsucht, die hierzulande schon seit einigen Wintern nicht mehr befriedigt werden konnte. Die letzten Weltcup-Gesamtsiege made in Austria sind längst verjährt, für Benjamin Raich (2006) und Niki Hosp (2007) wollen sich partout keine Nachfolger finden. Und wer den österreichischen Trainern bei ihren Prognosen für diese Saison zuhört, der kommt zum Schluss, dass beim ÖSV das Motto ausgerufen wurde: Es kann nur keinen geben!

Herren-Chef Mathias Berthold versucht den Slalomlauf zwischen Zweckpessimismus und Realismus ("realistisch betrachtet sehe ich bei uns niemanden, der den Weltcup gewinnt"), Damen-Boss Herbert Mandl schließt einen Triumph gar kategorisch aus ("kein Thema").

Erschwerend hinzukommt, dass Benni Raich, der letzte österreichische Herren-Sieger, nach seiner Knie-OP noch nicht das volle Programm absolvieren kann.

Umdenken

Die Zurückhaltung der Trainer ist auch das Ergebnis eines Umdenkens, das mittlerweile beim ÖSV Einzug gehalten hat. War in der Ära von Anton Giger noch die Ausbildung von Allroundern und potenziellen Gesamtweltcup-Siegern oberste Maxime, so hat Nachfolger Berthold bei seinem Amtsantritt vor einem Jahr die Devise ausgegeben: "Wir müssen die Stärken der Athleten forcieren." Das war eine Erkenntnis der peinlichen Olympia-Performance der Herren in Vancouver (null Medaillen). "Man muss nur auf die Ergebnislisten schauen. Im Slalom siehst du keinen, der nebenbei fünf Abfahrten fährt."

Zumindest sind solche alpinen Alleskönner die Ausnahme. Im österreichischen Lager carvt nur Romed Baumann auf allen Hochzeiten, der Tiroler soll sich in Zukunft die große Kristallkugel geben, aber für diesen Winter winkt Baumann noch ab: "Bevor das ein Thema wird, muss ich schauen, dass ich mehr Rennen gewinne."

Mehrkampf

Also wird sich wohl auch in dieser Saison beim Kampf um die Kristallkugeln wieder alles um jene drehen, die schon in den vergangenen Wintern auf den Pisten die Vorfahrt hatten: Bei den Damen heißt das große Duell einmal mehr Maria Höfl-Riesch (die Titelverteidigerin) gegen Lindsey Vonn. Bei den Herren aber, da dürfte der Fight um den Gesamtweltcup diesmal zum Mehrkampf werden: Der Norweger Aksel Lund Svindal und der Amerikaner Ted Ligety blasen am Sonntag zur Jagd auf den kroatischen Titelverteidiger Ivica Kostelic.

Sofern ihnen in Sölden kein Termin dazwischenkommt ...

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