Hannes Reichelt: "Wir sind komplett ungeschützt"

Hannes Reichelt fordert Veränderungen beim Schutz der Athleten.
Nach zwei Todesfällen innerhalb weniger Wochen werden vor den Weltcup-Rennen in Gröden Rufe nach mehr Sicherheit laut.

Die Sonne war längst hinter dem mächtigen Langkofel verschwunden, als sich noch immer die Läufer über die schattige Saslong mühten. Vier Stunden zog sich am Tag vor dem Super-G (12.15 Uhr, live ORFeins) das Training für die Grödner Jubiläumsabfahrt hin, bis am späten Nachmittag auch der letzte der 92 Starter im Tal war.

Das langatmige Training, in dem Olympiasieger Matthias Mayer vor dem Kanadier Benjamin Thomsen (Startnummer 68) und dem Kärntner Otmar Striedinger (55) die Bestzeit markierte, war aber nicht der Grund, weshalb Hannes Reichelt im Zielraum der Geduldsfaden riss.

Nachdem der Rennsport innerhalb weniger Wochen von den tödlichen Unfällen von David Poisson und Max Burkhart erschüttert wurde, fordert der Salzburger in seiner Funktion als Athletensprecher ein Umdenken und von der FIS höhere Sicherheitsstandards. "Was wir anhaben, das ist ein Witz. Wir sind komplett ungeschützt", sagt er. "Unsere Anzüge sind nur eine dünne Haut. Die gehören dicker, so Richtung Motorradbekleidung."

Falsche Entwicklung

Im Falle des Fallens müssen ein Helm und ein Rückenprotektor den Routinier vor Verletzungen bewahren. Denn wie die meisten seiner Abfahrtskollegen verzichtet auch Reichelt auf das Tragen eines Airbags. Ohne fühle er sich wohler, aber auch konkurrenzfähiger, gibt der 37-Jährige zu. "Der Airbag ist aerodynamisch einfach ein Nachteil. Und ich krieg’ beim Fahren schlechter Luft."

Bei vielen anderen Rennläufern scheitert’s aber auch schlicht am Geld. "In der Schweiz müssen sich die Sportler die Airbags selbst bezahlen", berichtet ÖSV-Speedcoach Sepp Brunner, der zuvor beim Schweizer Verband gearbeitet hat.

Falsche Leute

Reichelt sieht daher nur eine vernünftige Lösung: Der Airbag muss so schnell wie möglich für alle Läufer verpflichtend werden. "Dann hat es jeder zu machen. Es wird langsam Zeit, dass die FIS etwas tut", sagt Reichelt, der freilich wenig Hoffnung hat, dass er die notwendige Sicherheitsreform noch als Aktiver erleben wird. Als Athletensprecher hat er in den vergangenen Jahren erlebt, wie schwierig es ist, beim Weltverband etwas zu bewegen. "Ich dachte, da kannst du etwas verändern, aber es ist nicht möglich. Da läufst du gegen eine Wand. Das ist mühsam, in den FIS-Gremien sitzen die falschen Leute."

Hannes Reichelt glaubt inzwischen, dass es beim Ski-Weltverband vielen gar nicht um die Sache geht. "Da ist es oft so, dass jeder seinen Job verteidigen möchte und keiner sich die Finger verbrennen will." Er selbst will jedenfalls keine Rücksicht mehr auf die Befindlichkeiten der Funktionäre nehmen. "Ich sage alles, was ich mir denke. Und wenn sie mich als Sprecher nicht mehr haben wollen, dann bin ich weg."

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