Girardelli: "Der Skisport braucht neue Märkte"

Girardelli: "Der Skisport braucht neue Märkte"
Marc Girardelli, der erfolgreichste Rennläufer der Ski-Weltcup-Geschichte, macht einen (selbst)kritischen Blick nach vor und zurück.

Kein anderer Österreicher brachte den Österreichischen Skiverband so sehr aus dem Gleichgewicht. Kein anderer Rennläufer hat den Gesamtweltcup so oft gewonnen wie Marc Girardelli. Der Vorarlberger triumphierte als Ein-Mann-Team - für Luxemburg. Im KURIER-Interview verblüfft der Ski-Rebell außer Dienst wie einst auf der Rennpiste.

KURIER: Vor 20 Jahren prophezeiten Sie dem Skisport, irritiert durch Umweltsünder, eine düstere Zukunft mit aperen Pisten. An diesem Wochenende fielen die ersten Weltcup-Slaloms der Saison ins Wasser, weil am nördlichsten Weltcup-Schauplatz zu hohe Temperaturen herrschen. Fühlen Sie sich durch die Absage im finnischen Levi als Hellseher bestätigt?
Marc Girardelli: Nein. Mittlerweile denke ich: Es wird immer wieder mildere und strengere Winter geben und irgendwann, wenn wir alle nicht mehr leben, auch neue Gletscher. Ich hoffe jedenfalls auf Schnee. Schon wegen meiner Bekleidungslinie.

Das neue, schnittige Auto lässt darauf schließen, dass Sie es mit dem Umweltschutz nicht mehr so ernst nehmen.
Im Gegenteil. Der Fisker Karma, von dem es momentan nur 500 Stück gibt und für den ich aus Überzeugung PR mache, ist ein Elektroauto. Es bezieht seine Energie aus einer gewöhnlichen 220-Volt-Steckdose.

Was passiert, wenn dem Boliden der Strom ausgeht?
Dann schaltet er nach 80 gefahrenen Kilometern automatisch auf Benzinverbrauch um.

... und wird zum teueren Spaß.
Teuer ist nur die Anschaffung: 120.000 Euro. Ich sehe im Fisker ein ideales Auto für anspruchsvolle, wohlhabende Sportwagenfahrer, die schnell sein und etwas für die Umwelt tun wollen.

Sie sind dank Ihrer Ski-Triumphe selbst zum Millionär geworden. Industrielle reißen sich heute darum, in Ihren Spuren carven zu dürfen. Sie haben Bulgarien als Konsulent zu Weltcup-Rennen verholfen. Gibt's überhaupt etwas, das dem Marc Girardelli misslungen ist?
Die Ski-Halle in Bottrop war ein Flop. Mein Vater und ich durften die Baupläne im Ruhrgebiet nicht so verwirklichen, wie wir uns das vorgestellt hatten. Trotzdem will ich die Zeit nicht missen, habe ich doch dort meine Frau kennengelernt, mit der ich 12 Jahre verheiratet bin und in der Schweiz lebe.

Haben Sie noch den Luxemburger Pass, den sie einst wegen Olympia annehmen mussten?
Ja. Und meine beiden jüngeren Kinder besitzen neben der deutschen ebenfalls die Luxemburger Staatsbürgerschaft.

Haben Sie es nie bereut, dass Sie aus dem Mannschaftsgefüge ausgeschert sind und, nur gecoacht vom Vater, stets als Solist durch den Skizirkus gondelten?
Sportlich habe ich es sehr wohl bereut. Heute kann ich es ja sagen: Ich sehnte mich oft geradezu nach einer Mannschaft. Mir fehlte im Training der Vergleich. Deshalb verliefen für mich die ersten Rennen der Saison fast immer enttäuschend.

Für viele aber hat der Vater-Sohn-Erfolg Marke Girardelli bis heute Vorbildwirkung. Siehe Kostelic, der aktuelle Gesamtweltcupsieger.

Aber der Ivica nutzt immer die Möglichkeiten, sich anderen Teams im Training anzuschließen. Mir fehlte seinerzeit diese Chance. Ich habe jede Saison unzählige Stunden mit der Suche nach der richtigen Materialabstimmung verschleudert.

Ihr Verhältnis zu Ihrem Vater Helmut soll nicht mehr so innig wie früher sein.
Das stimmt, auf dieses Thema werde ich oft angesprochen. Das hat aber nichts mit unserer aufregenden, gemeinsamen Zeit im Ski-Weltcup zu tun. Mein Vater war ein großartiger Fachmann.

Was missfällt Ihnen am aktuellen Rennlauf?
So einzigartig unsere Gebiete in Österreich und der Schweiz auch sind: Wir sollten den Skirennlauf nicht nur auf die Alpenländer eingrenzen, sondern neue Märkte erschließen und uns an der Formel 1 ein Beispiel nehmen. Im Weltcup ist die Kurssetzung zum Teil haarsträubend, zu sehr vom FIS-Reglement eingeengt. Wenn ich mir heute Slaloms anschaue, dann kommen mir die oft vor wie früher Riesentorläufe.

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