Die ÖSV-Adler kämpfen gegen den Abwärtstrend

Die ÖSV-Springer sind diese Saison nur ein Schatten ihrer selbst.
Die Skisprung-Nation Österreich ist heuer ins Hintertreffen geraten. Eine Spurensuche.

Wer wissen möchte, ob bei der Vierschanzentournee mit österreichischen Höhenflügen zu rechnen ist, der findet die Antwort tief im Keller des Hotel Oberstdorf. Im Saal Seefeld im zweiten Untergeschoß des Quartiers der ÖSV-Skispringer lässt die Sitzordnung auf einen Blick den Stand im Gesamtweltcup erahnen.

Jahrelang drängten sich hier die internationalen Journalisten um die Plätze, wenn die dominanten Österreicher vor dem Tournee-Auftakt in Oberstdorf zur obligaten Pressekonferenz baten. Mitunter waren die schmächtigen Springer hinter dem Berg an Mikrofonen kaum noch auszumachen, und die Reporterfragen drehten sich fast immer nur um das eine: Wie machen das die Österreicher bloß?

Als Stefan Kraft und seine Springerkollegen nun vor der 66. Vierschanzentournee wie üblich Rede und Antwort standen, hätte es leicht auch ein kleinerer Raum als der Saal Seefeld getan. Die meisten Sessel blieben leer, die internationalen Journalisten der traditionellen Veranstaltung fern, nur ein einsames Mikrofon stand noch vor den ÖSV-Springern auf dem Tisch. Und die Fragen drehten sich diesmal fast immer nur um das eine: Was machen die Österreicher bloß?

Große Ratlosigkeit

Gäbe es da nicht Doppelweltmeister Stefan Kraft, der immerhin schon drei Podestplätze vorweisen kann und im Gesamtweltcup an fünfter Stelle liegt, die ehemalige Skisprung-Großmacht Österreich würde in diesem Winter eher einem Niemandsland gleichen. Vom "Leiden der Adler", schreibt die Süddeutsche Zeitung, weil die ÖSV-Adler den Erfolgen der Vergangenheit und den Gegnern von heute dermaßen hinterherspringen.

Tatsächlich herrscht im Skisprungteam, das jahrelang die Konkurrenz vor Rätsel gestellt hat, derzeit das große Kopfzerbrechen. "Die Leistungen sind mir teilweise unerklärlich. Und das macht es nicht leichter. Das ist keine einfache Ausgangslage", gesteht etwa Routinier Manuel Fettner, der im Gesamtweltcup als 15. der zweitbeste Österreicher ist.

Nicht viel anders hört sich Michael Hayböck an, der in der Vorbereitung von einem Bänderriss im Knöchel aus der Bahn geworfen wurde. "Ich hätte mir die Saison anders vorgestellt. Ich glaube auch, dass ich woanders hingehöre, teilweise fällt es noch sehr schwer", sagt der 26-Jährige. Ein 15. Rang in Engelberg war das Highlight des Oberösterreichers.

Große Aufgabe

Vor einer ganz besonderen Herausforderung steht Gregor Schlierenzauer, der nach seiner Sinnkrise, einem Kreuzbandriss und einem Seitenbandriss im Knie wieder verzweifelt um den Anschluss kämpft. Von Ruhm und Glanz ist wenig übrig, vor mehr als drei Jahren war der Rekordsieger der Skisprunghistorie (53 Weltcuperfolge) das letzte Mal auf dem Siegerpodest gelandet.

"Das, was war, ist alles Geschichte", sagt Schlierenzauer, der augenscheinlich Probleme hat, den hohen eigenen Erwartungen gerecht zu werden. Der zweifache Tourneesieger sieht sich selbst schon wieder in den Top Ten, die Ergebnisse – Schlierenzauer hat einen 22. Platz vorzuweisen – spiegeln diesen Eindruck nicht wider. "Ich habe es nicht so erwartet und mir eigentlich gedacht, dass ich schon weiter bin. Im Moment greifen bei mir die Rädchen nicht ineinander."

Große Hoffnung

Dann liegt es also wieder einmal an Stefan Kraft, die rot-weiß-roten Fahnen hochzuhalten. Und der Salzburger hat auch gar kein Problem damit, dass alle Hoffnungen auf seinen Schultern lasten. "Ich bin bereit", sagt der 24-Jährige und erinnert daran, dass er in Oberstdorf schon zwei Mal gewonnen hat, zuletzt vor einem Jahr. "Es ist ein Vorteil, dass wir auswärts anfangen dürfen. Das ist ein Bonus für uns, die Deutschen sind es, die in Oberstdorf unter Druck stehen."

Dumm nur, dass im Saal Seefeld diese Botschaft diesmal nur ein deutscher Reporter empfangen hat.

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