Der alte Hermann Maier neu verpackt

Der alte Hermann Maier neu verpackt
Ehe er vor seinem 40. Geburtstag (7. Dezember) abtaucht, gewährt er noch Einblicke in sein Gefühlsleben.

Der Hauptsponsor des ÖSV ruft via Radio fast stündlich zum kollektiven Bilder-Kleben auf. Für alle professionellen Brettl­rutscher – von aktuellen und ehemaligen Weltcup-Startern bis zu Funktionären – ist im Sammelalbum der Krone ein Platz fürs Pickerl reserviert. Nur für einen nicht. Für Hermann Maier.

Der Mann ist ob der Groteske keineswegs böse. Dass ausgerechnet er, der zweifache Olympiasieger und dreifache Weltmeister, bei der Pickerl-Parade nicht im Bilde ist, stört Maier ebenso wenig wie seine seltene Präsenz in der Seitenblicke-Gesellschaft. Im Gegenteil.

Der Junggeselle legt keinen Wert darauf, dass jedermann über seine aktuelle Einser-Braut spekuliert. Dem Onkel Hermann (Neffe Nick wird demnächst vier) ist vielmehr wichtig, dass möglichste viel Leute erfahren ...
... welcher Hausbank (Raiffeisen) er seit mehr als einem Jahrzehnt vertraut;
... warum er, weil Rolex-(Werbe-)Träger, richtig tickt;
... wo es nie nebelig („Bei uns dahoam in Flachau“) ist;
und wie sehr ihm seine, von ihm mitentworfene, Skikleidung tauge.
In Wien hat Maier soeben die neue Kollektion von Seven Summits präsentiert und davor und danach einen Mikrofonslalom absolviert.

Spaziergang

Weil sich die Hauptstadt während seines dreitägigen Aufenthaltes von ihrer grauesten Seite zeigte, trieb’s den lufthungrigen Maier für einen einsamen Spaziergang raus Richtung Kahlenberg. Nach der Rückkehr in den Pongau schnallt der Flachauer wieder Tourenski an.

Der populärste Winter­sportsenior verbringt die Sommer auf seinem Anwesen am Attersee. Ab dem Spätherbst genießt er auf Skiern seinen x-ten Frühling abseits der Pisten. Meist ohne Begleitung. Zumal im freien Gelände kaum einer mithalten kann mit dem geprüften Skilehrer, der wohl selbst auf einer Geröllhalde eher die Spur halten würde als unsereiner im Pulverschnee. War er mit Hermann unterwegs, sei er danach reif fürs Sauerstoffzelt, gesteht der gute Tiroler Skifahrer und Maier-Pressechef Walter Delle Karth.

Hat ein Rennpensionist drei Jahre nach Karriereende einen eigenen PR-Mann überhaupt noch nötig? Drei bis zehn Anfragen aus dem In- und Ausland registriere er nach wie vor täglich, behauptet Delle Karth, nachdem er ein Telefonat mit deutschen Fernsehmachern beendet hat. Markus Lanz will seine ZDF-Talkshow mit der Anwesenheit seines ehemaligen Bezwingers aufwerten.

Abenteuer

Vor bald zwei Jahren hatten Maier, begleitet von Ö3-Mikro-Mann Tom Walek , gegen ein deutsches, von Lanz angeführtes Team den Wettlauf zum Südpol gewonnen. Inzwischen stieg Lanz zum Thomas-Gottschalk -Nachfolger bei „Wetten dass ..?“ auf. Und inzwischen wirkt Maier immer noch dermaßen fit, dass man darauf wetten könnt’, dass er bereits für ein nächstes großes Abenteuer trainiere. Maier: „Dös müsst schon ganz was Besonders sein.“

Als ihm sein ehemaliger Atomic-Rennchef und (Noch?)-Sporthilfe-Geschäftsführer Toni Schutti eine gemeinsame Teilnahme am Wasa-Lauf vorschlägt, sagt Maier weder Ja noch Nein, sondern erinnert augenzwinkernd daran, dass der wegen Dopingverdachts auf die Watchlist geratene Walter Mayer der erste österreichische Wasa-Lauf-Sieger (1980) war.

Und als ihm Schutti verrät, dass Kite-Surfen bei den Sommerspielen 2016 in Rio erstmals Olympiabewerb sein werde, strahlen Maiers blaue Augen. Er schwärmt von dieser Trend-Sportart mit Brett und Schirm. Und er wird sie auch sicher wieder forcieren, wenn er vor dem 7. Dezember irgendwo jenseits von Europa untertaucht.

Schweiger

Eine große Feier an diesem 7. 12., an dem er 40 wird, will sich Maier ersparen. Nicht weil er ein Geizkragen ist ( Benjamin Raich : „Ich habe den Hermann auch großzügig kennengelernt“), sondern weil er keinen Rummel mehr mag.

Aus diesem Grund wird sich der Herminator a.D. auch nicht groß vom ÖSV mit Terminator Arnold Schwarzenegger in die Schladminger WM-Werbemaschinerie einspannen lassen. Und den täglichen Zeitungskolumnisten oder ORF-Experten will Maier trotz vieler Angebote schon erst recht nicht spielen.

Einerseits, sagt Maier, mache so ein Job nur Sinn, wenn man treffende Aussagen treffe. Andrerseits aber wolle er fair sein. Schon im Sommer, als Schwimmer Markus Rogan in Anspielung auf Maier behauptete, dass im Spitzensport weniger Hirn oft mehr Erfolg bringe, warteten Reporter vergeblich auf einen Konter des viele Rennwinter lang so schlagfertig gewesenen Skistars. Längst hat der fünffache Goldmedaillengewinner erkannt, dass auch Schweigen Gold sein kann.

 

Warnung: Der Ausnahmesportler macht sich um Österreich Sorgen. In Lake Louise, wo an diesem Wochenende die Speed-Saison gestartet wird, gewann Hermann Maier vor vier Jahren zum 54. und letzten Mal ein Weltcup-Rennen.

Der bald Vierzigjährige sagt im Interview über ...

... seine Fitness: Ich wollte ein bissel mit dem G’wicht runter. Aber unter 90 Kilo komm’ ich net. Ich laufe viel. Und die gute Farbe – die hab i net von der Südsee, die kriegt man auch bei uns. Ich mache viele Skitouren.

... Lake Louise: Natur pur. Die ist dort so beeindruckend, dass man als Rennläufer aufpassen muss, dass man sich von ihr net zu sehr verzaubern lässt.

... die Medien: Mir geht es in Österreich in der Bericht­erstattung zu wenig um Sport. Heutzutage glaubst’ manchmal, es interessiert nur noch, wer mit wem ein Verhältnis hat. Dabei gäbe es im Sport so viel zu erklären.


... die Rennsituation: Die Materialabstimmung spielt eine unheimliche Rolle. Wie Ski, Schuh und Bindung zusammenpassen. Aber wenn du das als Rennläufer ansprichst, wird das für eine Ausrede gehalten. Dabei ist die Abstimmung entscheidender denn je, weil es immer knapper hergeht.

... die Sportförderung: Bei uns ist immer nur die Mitte erwünscht. Wennst’ schlecht bist, bist du gleich weg. Und wennst’ zu gut bist, dann bist du sowieso allen verdächtig. Und außerdem: Die Politik sollte sich aus dem Sport in Österreich raushalten.

... die Schul-Diskussionen: Für die Forderung von Psychologen, die Noten abzuschaffen, hab’ ich null Verständnis. Die Jungen müssen vielmehr rechtzeitig darauf vorbereitet werden, dass das Leben aus Herausforderungen besteht. Sonst bekommt man nie eine Siegermentalität. Und die Ausländer fahren uns irgendwann über den Kopf.

... seine Familienplanung: Privatleben heißt so, weil es privat ist. Außerdem hab’ ich für das noch genügend Zeit.

... den Fußballer David Alaba: Der Bursche taugt mir, bei dem spürt man den Siegeswillen. So wie auch bei Marcel Hirscher.

Stationen

23.2.1997

Hermann Maier feiert beim Super-G in Garmisch-Partenkirchen seinen ersten Weltcupsieg.

13.2.1998

Die Bilder gingen um die Welt: Gold-Kandidat Maier segelt bei der Olympia-Abfahrt in Hakuba durch die Luft und wird wie durch ein Wunder nicht schwer verletzt.

19.2.1998

Die Geburtsstunde des Herminators. Drei Tage nach dem Horror-Sturz gewinnt Maier Gold im Super-G, sechs Tage nach der Abfahrt triumphiert er im Riesentorlauf.

15.3.1998

Der Dominator, Teil 1: Maier entscheidet Super-G-, Riesentorlauf- und Gesamtweltcup für sich.

23.4.1998

"Terminator" Schwarzenegger und "Herminator" Maier zu Gast bei US-Talkmaster Jay Leno in der "Tonight Show".

18.3.2000

Der Dominator, Teil 2: Maier gewinnt Abfahrts-, Super-G-, Riesentorlauf- und Gesamtweltcup und stellt mit 2000 Punkten einen Rekord auf.

24.8.2001

Auf dem Rückweg vom Training in Obertauern wird Maier auf seinem Motorrad in einen schweren Unfall verwickelt. Er erleidet einen offenen Unterschenkelbruch im rechten Bein; es besteht die Gefahr eines Nierenversagens.

25.8.2001

Maier wird nach dem Unfall in Salzburg in einem siebenstündigen Eingriff operiert. Erst nach zwei Tagen steht fest, dass das Bein nicht amputiert werden muss.

7.9.2001

Der Weg zurück auf die Piste beginnt im Krankenbett, wo der Gesamtweltcup-Titelverteidiger mit einem Hand-Ergometer erste Trainingseinheiten absolviert.

14.9.2001

Auf Krücken verlässt Hermann Maier drei Wochen nach dem Unfall das Krankenhaus.

22.2.2003

Maier ist nach seinem Comeback populär wie eh und je und zu Gast bei "Wetten, dass ...?".

10.2.2005

Der Höhepunkt nach dem Comeback: Hermann Maier gewinnt beim Riesentorlauf in Bormio sein drittes WM-Gold.

30.11.2008

Trotz eines Haarrisses in der Bandscheibe siegt Maier im Super-G von Lake Louise. Es ist sein 54. Weltcup-Sieg - und sein letzter.

13.10.2009

In einer kurzfristig organisierten Pressekonferenz gibt Maier seinen Rücktritt bekannt.

Dezember 2010

Maier führt das österreichische Team in der Reality-TV-Show "Wettlauf zum Südpol" zum Sieg gegen das deutsche Team mit Markus Lanz.

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