Biathlon-Volltreffer ins Herz der Fans

Wie die Biathleten und ihr eigenständiger Verband den Wintersport revolutionieren.

Heeey! Volltreffer. Und gleich noch einmal. Heeeeey! Immer lauter werden die Rufe von der voll besetzten Tribüne in Hochfilzen. Das Thermometer zeigt zwölf Grad unter null, den Tausenden Leuten bläst ein kalter Wind um die Ohren. Und was machen all die Menschen zur Frost-Bewältigung? Sie schreien sich die Lust von der Seele. Heeeeeeeeey! zum Fünften. Na bumm, das hat gesessen.

Wer wissen will, warum Biathlon der letzte Schrei ist, der muss nur genauer hinhören. Es gibt keinen Wintersport, bei dem das Publikum so fanatisch mitgeht wie bei den Wettkämpfen der Waffenbrüder- und -schwestern. Sicher, Skisprungfans haben ihr berühmtes Zieeeh, und im Skifahren gehört das gute alte Hopp hopp immer noch zum guten Ton, aber gegen das ohrenbetäubende Heeeeeey!, das im Biathlon jedem Treffer folgt, sind das alles nur Nebengeräusche.

Da hat offenbar ein Sport das Publikum mitten ins Herz getroffen. Da befindet sich eine Disziplin, die lange Zeit nur belächelt wurde, augenscheinlich auf der Überholspur. „Biathlon ist in den letzten 15 Jahren aus der Amateurliga in die Champions League aufgestiegen“, meint der österreichische Oldie Daniel Mesotitsch (36).

Zugnummer

Einschalt-Quoten im TV, Zuschauerzahlen, Preisgelder – in allen Bereichen ging der Schuss nach vorne los, seit die Deutschen in den 90er-Jahren ihre Liebe für die Biathleten entdeckt haben. „Deutschland ist voll auf den Zug aufgesprungen“, erklärt Franz Berger, der Tiroler Race-Direktor der Internationalen Biathlon Union (IBU). Er hat auch noch andere Zeiten erlebt. „Früher hast du in Hochfilzen jeden Zuseher noch persönlich gekannt. Jetzt kommen an einem Wochenende 30.000 Leute.“

Formel 1 des Winters wird Biathlon mittlerweile schon genannt, weil die Fans gar so Feuer und Flamme für die Loipenjagd sind. Mit neuen, kurzweiligeren, übersichtlicheren Wettkampfformaten (Verfolgung, Massenstart) hat die IBU den Sport fernsehtauglich gemacht, Biathlon wurde auch deshalb so beliebt, weil Verband und TV-Anstalten die Bewerbe perfekt inszenieren. So überträgt der ORF den Weltcup in Hochfilzen mit 28 Kameras – so viele wie beim Hahnenkammrennen in Kitzbühel.

Liveevent

Während andere Wintersportarten wie das Skispringen Gefahr laufen, immer mehr zu einem reinen TV-Sport zu verkommen, weil das Stadionpublikum bei all den Wind- und Gatepunkten den Überblick verliert, legt man bei der IBU Wert auf ein übersichtliches Live-Event. „Früher war der Schießstand oft irgendwo weit weg und keiner hat mitgekriegt, was läuft“, erinnert sich Berger, „jetzt haben wir alles in einem Stadion. Das ist Standard.“

Die hohen Mindeststandards sind das eine, die Kontinuität ist das andere. Bis zu 17 Bewerber für 9 Weltcupbewerbe hat die IBU jedes Jahr, „eine Luxussituation“, weiß auch Racedirector Berger, „wir wollen aber nicht ständig einen Wechsel haben. Ruhpolding oder Hochfilzen sind heute Klassiker wie Kitzbühel im Skifahren.“

Beim Internationalen Skiverband (FIS) wird der Aufstieg des Biathlon aufmerksam verfolgt. Und nicht wenige werden bereuen, dass sie den Biathlon-Sport seinerzeit nicht in die große Skifamilie aufgenommen haben. Seit 1992 ist die IBU ein eigener Verband – ein Segen, wie auch Franz Berger sagt: „In einem großen Verband mit vielen Disziplinen bist du irgendwann ein Beiwagerl und musst Rücksicht nehmen.“

Heute pfeifen sich die Biathleten längst nichts mehr und gehen sogar auf Kollisionskurs mit der FIS. Die WM in Nove Mesto findet im Februar statt. Zeitgleich mit der Ski-WM in Schladming.

Kommentare