Usain Bolt: Der Abschied von einem Wunder

Usain Bolt beim Laufen
Der schnellste Mann der Welt lässt Wissenschaftler rätseln - in London gibt Usain Bolt seine Abschiedsvorstellung.

Einmal noch wird er sich auf die Beine machen. Ein allerletztes Mal vor Millionenpublikum seine Show abziehen: Mit seinen komischen Grimassen und dem coolen Gehabe; mit dem breiten Grinsen und den unverwechselbaren langen Schritten; und, sofern alles glatt läuft, mit der bekannten Siegerpose, die zu seinem Markenzeichen geworden ist.

Das WM-Finale mit der 4x100-Meter-Staffel in London ist am Samstag das Ende der Laufbahn des größten Athleten der Leichtathletik-Geschichte. Usain Bolt. Für seine Fans war und ist er immer noch der Popstar des Spitzensports. Für die mit Affären und Dopingkrisen behaftete Leichtathletik war der Rekordläufer im vergangenen Jahrzehnt ein echter Segen. Für die Sportwissenschaft ist der schnellste Mann der Welt vor allem eines: ein Mysterium.

Spurensuche

Usain Bolt hat Zeit seiner Laufbahn allen ein Rätsel aufgegeben. Der sprintenden Konkurrenz, die mit dem Jamaikaner nicht Schritt halten konnte – selbst dann nicht, als er , wie 2008 im Olympiafinale von Peking, mit einem offenen Schuhband unterwegs war. Aber auch den Leichtathletik-Experten, die es nie für möglich gehalten hatten, dass ein Mann mit seiner Statur jemals eine Fixgröße im Sprint sein könnte.

Viele versuchten in den vergangenen Jahren, dem Phänomen Usain Bolt auf die Spur zu kommen. Trainingswissenschaftler hefteten sich an seine Fersen, Anthropologen analysierten seinen Körperbau, Physiker und Biomechaniker durchleuchteten seinen Laufstil.

Höchsttempo

Mittlerweile ist bekannt, dass Usain Bolt 2009 bei seinem Weltrekordlauf über die 100 Meter (9,58 Sekunden) eine Höchstgeschwindigkeit von 44,72 km/h und eine maximale Schrittlänge von 295 Zentimetern erreicht hat. Man fand heraus, dass er, im Gegensatz zu anderen Sprintern, die Fähigkeit besitzt, sein hohes Tempo auch auf den letzten 50 Metern zu halten. Und dann hält sich auch noch hartnäckig die Theorie von der wundersamen Wirkung der Yamswurzel. Die ist in Jamaika in aller Munde und soll Usain Bolt ebenfalls Beine gemacht haben.

Rhythmusstörungen

Wissenschaftler der Southern Methodist University in Dallas haben nun bei ihren Forschungen eine erstaunliche Entdeckung gemacht. Mit Hightech-Kameras zerlegten sie Bolts Läufe in tausende Bilder und kamen zur verblüffenden Erkenntnis: Der Mann mit den schnellsten Beinen hat einen ausgeprägt unrhythmischen Laufstil.

Demnach belastet der Jamaikaner im Sprint sein rechtes Bein deutlich mehr als sein linkes. Der Kraftimpuls, der vom rechten Fuß ausgeht, ist um 13 Prozent höher als beim anderen Fuß. Der Grund für diese einseitigere Belastung: Bolts rechter Fuß ist kürzer.

Die Biomechanik-Experten in Dallas rätseln seither, ob Usain Bolt bei einer gleichmäßigen Kraftübertragung nicht vielleicht noch schneller laufen könnte. Oder ob etwa gar diese ungewöhnliche Eigenschaft das Phänomen Bolt ausmacht. "Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage", sagte Peter Weyland, der Direktor der Southern Methodist University kürzlich der New York Times.

Forschungsobjekt

Fakt ist, dass Usain Bolt im Sprint eine neue Zeitrechnung eingeleitet hat. Fakt ist, dass seine Rekorde und Leistungen seit jeher auch kritisch hinterfragt werden. Denn Fakt ist auch, dass fünf der sechs 100-Meter-Olympiasieger vor Usain Bolt genauso gedopt waren wie etliche jamaikanische Teamkollegen der Nummer eins.

Usain Bolt, die Ausnahme von der Regel? Ein Ausnahmekönner? An der Southern Methodist University in Dallas können sie das Karriereende des Weltrekordhalters jedenfalls kaum erwarten. Die Wissenschaftler wollen den schnellsten Mann der Geschichte so schnell wie möglich zu Forschungszwecken einladen. "Menschen stellen ihren Körper der Wissenschaft zur Verfügung", sagte Andrew Udofa, der Leiter der Studie, "er könnte das auch tun."

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