Das Phänomen Jürgen Melzer

Der 32-Jährige gewann in Winston-Salem seinen 5. Titel. Zeit, Bilanz zu ziehen.

In Paris sagte Jürgen Melzer vor drei Monaten: „Wenn ich ein paar Mal ordentlich gewinne und punkte, dann nehme ich ein paar Erstrunden-Niederlagen gerne in Kauf.“

Nach drei Auftaktpleiten war es in der vergangenen Woche soweit: Jürgen Melzer gewann das Turnier von Winston-Salem. Nicht der größte Siegerscheck seiner Karriere, aber ein Warnsignal vor den am Montag beginnenden US Open: Melzer ist wieder da. „Es war das Ergebnis harter Arbeit“, sagt Melzer‚ räumt aber ein:„ Man darf aber nicht vergessen, dass ich schon sehr lange da vorne stehe und das Tennis in Österreich hoch halte.“

Das tut er mittlerweile seit 14 Jahren. Mit vielen Auf und Abs. Ein Tiefpunkt war die Niederlage von Kitzbühel gegen seinem legitimen Nachfolger Dominik Thiem. Der 19-Jährige beherrschte den Routinier, der am Ende nur gratulierte: „Es ist gut, dass auch ein anderer einmal aufzeigt.“ Melzer weiß, dass er seit Ewigkeiten Österreichs Tennisszene am Leben erhält. Seit einigen Monaten betont er es auch immer wieder. Aber die Zahlen geben ihm recht: Nach Thomas Muster (44 Titel) ist Melzer mittlerweile der beste Österreicher, was Turniersiege betrifft (5).

Im September, wenn es in den Niederlanden um den Klassenerhalt in der Weltgruppe geht, wird der Deutsch-Wagramer seine 28 Teilnahme verzeichnen und alleiniger österreichischer Rekordspieler werden (allerdings ist auch zu sagen, dass Melzer von insgesamt 43 Einzelspielen 25 verloren hat). Und Melzer ist der bislang einzige Österreicher, der mehrmals Grand-Slam-Turniere gewonnen hat. Der Linskhänder gewann im Doppel mit dem Deutschen Philipp Petzschner in Wimbledon (2010) und die US Open (2011). Der Mixed-Titel in Wimbledon 2011 mit Iveta Benesova war nur insofern bedeutend, weil danach eine familiäre Bindung entstand. Zuvor gewann Thomas Muster den Einzelbewerb von Paris (1995) und Julian Knowle, der noch immer spielt, den Doppelbewerb der US Open (2007).

Pikantes Duell

In New York ist Melzer freilich Österreichs größte Hoffnung. In seinem 101. Grand-Slam-Spiel (Bilanz: 55:45) trifft Österreichs Ass auf den Russen Jewgeni Donskoi, eine machbare Hürde. Andreas Haider-Maurer trifft auf den lettischen Bresnik-Schützling Ernests Gulbis. Über dieses Duell wird deshalb viel geredet, weil Haider-Maurer 2010 nur deshalb in den Hauptbewerb in der Wiener Stadthalle gerutscht ist, weil Gulbis nach einem Fauxpas seines Vaters (schlug einen Kellner) ausgeschlossen wurde. Der Waldviertler kam danach bis ins Finale, wo er Melzer unterlag.

Yvonne Meusburger steht auch fix im Hauptbewerb und trifft auf die Chinesin Shua i Peng, Patricia Mayr-Achleitner auf die Russin Maria Kirilenko. Tamira Paszek qualifiziert sich derzeit auf dem konsequenten Weg nach unten nicht einmal für einen Hauptbewerb.

Karriere Jürgen Melzer, geboren am 22. Mai 1981 in Wien, holte bei den Junioren 1999 in Wimbledon den Einzel- und in Melbourne den Doppel-Titel. 2006 gewann er in Bukarest sein erstes von fünf Turnieren. 2010 stand er bei den French Open im Halbfinale, in Wimbledon und New York siegte er im Doppel (2010, 2011) mit dem Deutschen Petzschner.

Privat Melzer ist Sohn des ehemaligen Bürgermeisters von Deutsch-Wagram, seit 2012 mit der früheren tschechischen Tennisspielerin Iveta Benesova verheiratet.

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