Kjetil Jansrud ist Sieger der Kitzbühel-Abfahrt

Kjetil Jansrud raste auf der Streif zum Favoritensieg.
Der Norweger gewinnt den stark verkürzten Klassiker und kassiert 75.000 Euro für 58 Sekunden.

Die kürzeste Abfahrt und das höchste Preisgeld aller bisherigen WeltcupzeitenKitzbühel bleibt ein Ort der Superlative. Doch den Beweis dafür hatten sich die TV-Sportkonsumenten von 45 Sendern, die geduldigen 45.000 Zuschauer vor Ort, die 47 Starter und der (scheidende) 70-jährige Rennleiter Peter Obernauer völlig anders vorgestellt.

Die schwierigste Abfahrt war nur halb so lang wie beim von besseren Wetterverhältnissen begünstigten Training. Nebel zwang zu einer Verlegung des Starts bis hinab zur Seidlalm. Weshalb der Höhenunterschied nur noch 400 (statt 860 Meter) betrug und in der ZDF-Übertragung schon in Anspielung auf die per (Gummi-)Paragraf vorgeschriebene Mindestdifferenz von 750 Metern die Hahnenkamm-Show als irregulär bezeichnet wurde.

Die Läufer benötigten zur Bewältigung der amputierten Streif weniger Zeit als am Vortag beim Super-G, in dem 19 Fahrer ausgeschieden waren. Am Samstag verfehlte nur einer das Ziel.

Nur die Ruhe

Doch dieser Hinweis soll die Leistung des Schnellsten nicht schmälern. Zumal es sich um keinen Zufallssieger handelt, sondern um Kjetil Jansrud. Um den schärfsten Verfolger des (nur noch mit 82 Punkten führenden) Marcel Hirscher im Gesamtweltcup. Um den stets freundlichen Norweger, den nebst gewaltiger Muskelkraft und ungewöhnlichem Ski-Können auch seine Gelassenheit auszeichnet. So hat Jansrud die Warterei auf den Start genutzt, um per Twitter kundzutun: „Ein Tiger wird zum Kätzchen. (...) Aber immerhin haben wir ein Rennen.“

Der Head-Pilot entschied es mit dem Mini-Vorsprung von zwei Hundertsteln gegenüber dem Südtiroler Super-G-Sieger Dominik Paris (Nordica) für sich. Der Österreicher Georg Streitberger (Head) verfehlte das Podium um zwei Hundertstel , von dem sein französischer Markenkollege Guillermo Fayed bei der Siegerehrung herunterwinken durfte.

So sehr Ski-Fans und Topfahrer den Verzicht auf die klassischen Passagen wie Mausefalle und Steilhang bedauerten, so berechtigt ist Streitbergers Meinung, wonach auch die Traverse unterhalb der Hausbergkante (auf der Vorjahrssieger Hannes Reichelt patzte) eine „echte Challenge“ war.

Für diese Mutprobe werden die Top-Platzierten mit Rekord-Prämien vom Kitzbüheler Veranstalter belohnt.

Streitberger darf sich über 12.000 Schweizer Franken brutto freuen. Fayed über 20.000. Paris über 42.000. Jansrud erhält gar 90.000 Franken. Nach aktuellem Kurs wären das 91.086 Euro – die Kitzbüheler Veranstalter aber haben sich von der FIS noch den alten Wechselkurs von 1,20 Franken pro Euro garantieren lassen. So oder so: In Relation zu seiner Arbeitszeit von 58 Sekunden bedeutet auch der alte Kurs für Kjetil Jansrud noch einen Stundenlohn von gut 4,5 Millionen Euro.

Nach dem Slalom am Sonntag wird sich der Kitzbüheler Skiclub, der 6,5 Millionen Euro in die gesamte Hahnenkamm-Woche investiert hat, erneut großzügig zeigen. Auch dem Slalom-Sieger werden 90.000 Franken überwiesen. Auch im Slalom wird es bis zum 30. des Klassements (der 800 Franken erhält) eine Veranstalter-Prämie geben. Die Preisgelder werden auf Weisung der FIS, zumal der internationale Skiverband seinen Sitz in der Schweiz hat, traditionell in Franken angegeben.

Endstand
1. Kjetil Jansrud NOR 58,16
2. Dominik Paris ITA 58,18
3. Guillermo Fayed FRA 58,37
4. Georg Streitberger AUT 58,55
5. Steven Nyman USA 58,57
6. Christof Innerhofer ITA 58,58
7. Werner Heel ITA 58,59
. Patrick Küng SUI 58,59
. Romed Baumann AUT 58,59
10. Matthias Mayer AUT 58,63
11. Maxence Muzaton FRA 58,71
12. Adrien Theaux FRA 58,72
13. Max Franz AUT 58,78
14. Klemen Kosi SLO 58,82
15. Beat Feuz SUI 58,83
16. Andreas Sander GER 58,84
18. Klaus Brandner GER 58,99
19. Ondrej Bank CZE 59,01
. Patrick Schweiger AUT 59,01
. Siegmar Klotz ITA 59,01
22. Carlo Janka SUI 59,02
. David Poisson FRA 59,02
24. Otmar Striedinger AUT 59,06
25. Jared Goldberg USA 59,10
. Brice Roger FRA 59,10
27. Klaus Kröll AUT 59,17
28. Vincent Kriechmayr AUT 59,22
29. Mattia Casse ITA 59,26
30. Bostjan Kline SLO 59,30
34. Hannes Reichelt AUT 59,39

Nicht Matthias Mayer und schon gar nicht Vorjahressieger Hannes Reichelt waren am Samstag die besten Österreicher: Georg Streitberger wurde Vierter und damit zum heimlichen ÖSV-Sieger. Zu Wochenbeginn noch als Wackelkandidat nach Kitzbühel gekommen, hat sich der 33-jährige Salzburger mit Super-G (Platz drei) und Abfahrt endgültig ins aus 25 Aktiven bestehende WM-Team gefahren. „So, wie es ausschaut, komme ich in Schwung.“ Dass sich Kjetil Jansrud trotz stark verkürzter Strecke als echter Streif-Sieger fühlte, konnte Streitberger vollauf nachvollziehen. „Ihm wird’s wurscht sein. Er kriegt hundert Punkte, das volle Preisgeld und eine ganze Gams.“

Romed Baumann war als Siebenter zweitbester Österreicher und sammelte ebenfalls wichtige Pluspunkte hinsichtlich WM. „Wir wussten vor dem Rennen, dass es extrem eng werden werden würde. Da musst du noch mehr ans Limit gehen, als wenn von oben gefahren wird. Ansonsten hast du überhaupt keine Chance“, sagte der Tiroler.

Für Olympiasieger Matthias Mayer, der nach einem Fehler in der Traverse Zehnter wurde, war es im wahrsten Sinne des Wortes nur „eine halbe Sache. Normal ist man bei der Hausbergkante schon richtig müde. Heute war man nicht einmal im Ziel müde“, sagte der Kärntner.

„Eigentlich zacher als von ganz oben“, lautete das Urteil von Max Franz (Platz 13) nach dem Sprintbewerb bei schlechter Bodensicht. „Es war schon ein Blindflug. Aber es heißt einfach nur: ,Raus aus dem Starthaus und um jeden Zentimeter fighten‘“, sagte der Kärntner, der einen Spitzenplatz im unteren Teil verspielte und stinksauer war. „Unten hab ich Scheiße gebaut. Ich hab’ einen Schlag kassiert, die Linie verloren und dadurch haben mir die entscheidenden km/h gefehlt“, ärgerte sich Franz.

Kjetil Jansrud ist Sieger der Kitzbühel-Abfahrt
Georg Streitberger ist einer der Sieger des Kitzbühel-Wochenendes.

Skisport und die Wiener Philharmoniker – das passt noch besser zusammen als Lindsey Vonn und Tiger Woods.“ Peter Schröcksnadel

Nachdem sich Hermann Maier schon beim Flachauer Damen-Slalom nicht hatte blicken lassen, blieb der Flachauer auch dem Kitzbüheler Trubel fern. Aber er ist selbst in Abwesenheit stets ein Thema. Und seine – einst auch belächelten – Trainingsmethoden werden mittlerweile längst von der Weltspitze kopiert.

1998 hatte Maier seinen Ergometer auch zu Olympia nach Japan mitgeschleppt. Am Samstag saßen Kjetil Jansrud und Kollegen radelnd im Starthaus, während ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel die Renn-Verschiebungen nützte, um am Mikrofon das ORF-Publikum mit seiner Lieblingsidee zu konfrontieren.

Der Tiroler träumt nach wie vor von einem Ski-Weltcup in Wien. Termin: 1.1.2016.

Schröcksnadels Lieblingsidee gilt dem Schauplatz Schönbrunn. Dort müsste eine Riesenrampe nach Vorbild Moskau (wo sowohl Felix Neureuther als auch Marcel Hirscher schon einmal gewonnen haben) aufgebaut werden. Allerdings wäre vor der Gloriette maximal ein Parallelbewerb möglich. So wie 1986, als auf der Hohe-Wand-Wiese an der westlichen Wiener Stadtgrenze gefahren wurde. Und sogar Ingemar Stenmark teilnahm.

Damals wurde das Wien-Rennen vom ÖSV (bei dem Schröcksnadel zu dieser Zeit noch keine bedeutende Rolle spielte) nicht sehr begrüßt. Man fühlte sich in Tirol übergangen, zumal der legendäre Weltcup-Präsident und -Gründer Serge Lang (der Elsässer hatte 1966 die Einführung des Weltcups gemeinsam mit Toni Sailer und dem US-TV-Kommentator Bob Beattie auf der Kitzbüheler Seidlalm beschlossen) den direkten Weg zum damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk gesucht hatte.

Die Hohe-Wand-Wiese kommt in Anbetracht der engen Mauerbach-Straße, die keinen Individualverkehr bei Großveranstaltungen zuließe, nicht mehr infrage. Hingegen gibt es auch – psst, streng geheim – Überlegungen, einen Hang oberhalb von Grinzing (zwischen Cobenzl und Krapfenwaldbad) im Nobelbezirk Döbling skitauglich zu machen.

Dort wäre sogar ein Slalom in weltcupgerechter Länge möglich. Zudem könnte das Gelände anschließend auch den Wiener Kindern (so wie in den 1950er-Jahren) für deren erste Skiversuche zugute kommen. Im Schönbrunner Schlosspark hingegen ist für den Sport keinerlei Nachhaltigkeit gegeben.

Der für Kultur und auch für den Sport zuständige Stadtrat Christian Oxonitsch wird für die Ski-Ideen kaum zu begeistern sein. Er hat schon unmittelbar nach Schröcksnadels Kitzbüheler ORF-Auftritt via ORF Wien mit Befremden auf die Wien-Pläne des 73-jährigen Tirolers reagiert. Was Schröcksnadel wenig überraschen dürfte, hat er doch sicher schon von Präsidentenkollegen anderer Sportarten erfahren, dass der Sportstadtrat mit Sport nicht sonderlich viel am Hut hat. Doch gleichgültig, ob Grinzing oder Gloriette, ob sich ein Politiker übergangen fühlt oder nicht – für die Umsetzung des Ski-Projekts des VP-nahen Schröcksnadel werden ohnehin Bereitschaft plus Hilfe von Wiens SP-Bürgermeister Michael Häupl oberste Voraussetzung sein.

In Vorwahlzeiten scheint alles möglich. Zudem kann der ehemalige Super-G-Seniorenweltmeister Schröcksnadel auch Slalom fahren.

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