Roger Federer: Genie, Ästhet, Rekordmann

Tennis-Spieler Roger Federer macht eine Siegerpose
Roger Federer schlug im Finale Rafael Nadal und gewinnt mit 35 erstmals seit 2012 ein Grand-Slam-Turnier.

Es ist wie in einem Western. In dem der Gute, der sentimentale Held, sich über sämtliche Widersacher hinwegsetzt, bis zum Showdown übrig bleibt und dort letztlich für ein Happy End sorgt.

Gewiss, Roger Federer ist nicht John Wayne und Rafael Nadal, wie alle anderen sechs Verlierer von Duellen mit dem Hauptdarsteller, nicht der Böse. Aber für einen beträchtlichen Großteil aller Tennis-Fans (oder kann man sagen Sport-Fans?) ist es schon ziemlich gut, was da in den vergangenen zwei Wochen abgegangen ist: Eines der größten Comebacks der Sport-Geschichte. Federer, mit 35 noch immer (oder wieder einmal) in den besten Tagen schlug im Endspiel der Australian Open den Spanier Rafael Nadal 6:4, 3:6, 6:1, 3:6, 6:3. Es war der 18. Grand-Slam-Titel für den Schweizer, der dieses Ranking damit noch klarer anführt. Der Spanier hätte bei einem Sieg alleinige Nummer zwei werden können, so teilt er sich diesen Platz mit US-Star Pete Sampras, der ebenso bei 14 Titeln hält.

Das Finale

In den ersten vier Sätzen gab es zwar phasenweise gutes Tennis, aber kaum Spannung. Durchgang eins und drei gingen klar an den Schweizer, dazwischen gewann auch Nadal seine Sätze problemlos. Erst im fünften Satz war es hochklassig und spannend. Der Spanier führte mit Break, dann schlug Federer zurück. Im letzten Game wurde zwei Mal das Hawk-Eye bemüht, auch nach dem letzten Ballwechsel, der dann wirklich der letzte war – Nadal hatte vergebens auf einen Out-Ball von Federer gehofft. Dabei war Federers Vorhand gestern nicht ganz so stark, die Rückhand aber beeindruckend.

Die Vorgeschichte

Kaum jemand hatte Federer vor diesem Turnier auf der Rechnung. Nicht nur weil er 35 ist, sondern weil er abgesehen vom Hopman-Cup (für diesen Mannschaftsbewerb gibt’s keine ATP-Punkte) seit Wimbledon kein Match mehr gespielt hatte. Eine Knieverletzung zwang ihn zur Pause, eine Knieverletzung, die er sich schon zuvor beim Spielen mit den vier Kindern im Badezimmer zugezogen hatte. Mit gemischten Gefühlen startete der Maestro in die Australian Open (zum Auftakt schlug er Jürgen Melzer in vier Sätzen). "Die Vorbereitung war so lange wie nie zuvor, aber ob ich Best-of-Five-Matches durchspielen kann, weiß ich noch nicht." Er hat sich selbst überzeugt, in seinem 100. Spiel bei den Australian Open holte er sich seinen fünften Titel und den ersten seit sieben Jahren. "Ich war nicht sicher, ob ich es hierher schaffen würde", sagte der im vorigen Jahr am linken Knie operierte Federer. "Ich wäre auch mit einer Niederlage glücklich gewesen, das Comeback war perfekt."

Freilich sei gesagt, dass sowohl Federer, als auch Nadal im Laufe des Turniers keine Bekanntschaft mit Novak Djokovic und Andy Murray machen mussten.

Das Phänomen

Der seit Ende 2015 vom Kroaten Ivan Ljubicic betreute Federer ist Teil von Lobeshymnen. "Er spielt wie von einen anderen Stern", sagt Rod Laver, für Boris Becker ist er schlicht und einfach "ein Genie". "Federer ist mit Abstand der Beste der vergangenen 40 Jahre. Er kann alles, bei ihm geht alles spielerisch, wofür andere hart arbeiten müssen. Bei ihm sehen die Gegner wie Statisten aus", betont Österreichs Trainer Nummer eins Günter Bresnik. "Sein Sieg war auch eine Freude für Ästheten."

Dabei trainiert Federer härter und konsequenter als viele andere – und die Fünf-Satz-Siege gegen Stan Wawrinka und Nadal zeugen auch von einer guten Fitness. Österreichs Ass Dominic Thiem weiß nach vielen harten Einheiten mit dem großen Federer: "Auch im Training ist er ein Perfektionist." Und deshalb versucht er, wie Bresnik sagt, "sein Spiel ständig zu verbessern."

Was in einem Punkt bei den Australian Open zu sehen war: Der Aufschlag kam in den vergangenen zwei Wochen noch besser als bei vielen Triumphen zuvor. Eines zählt bei Federer heute wie vor 20 Jahren. "Er geht nur auf den Platz, wenn er auch den Titel holen kann", sagt Bresnik. Nachsatz: "Grand-Slam-Turniere in einem Zeitraum von fast 14 Jahren zu gewinnen ist abartig."

Die Auswirkungen

Sein Ranking-Vorstoß von Platz 17 auf zehn ist wohl nur eine Randnotiz, zumal sie nach der langen Verletzungspause nicht wirklich das Können Federers widerspiegelt. Rafael Nadal, der im direkten Duell mit seinem Bezwinger noch immer 23:12 führt (gegen keinen hat Federer eine schlechtere Bilanz) verbesserte sich von Rang neun auf sechs.

Aber Federer hat nicht nur seine Führung im Ranking der Grand-Slam-Siege ausgebaut, sondern ist der erste Spieler überhaupt, der drei Majors zumindest fünf Mal gewonnen hat. Nur bei den French Open muss er sich mit einem einzigen Titel (2009) trösten. Zudem ist er nach Ken Rosewall der älteste Spieler, der ein Grand-Slam-Turnier gewonnen hat. Der Australier war 37, als er 1972 die Australian Open gewann.

Der Mensch

Als solcher ist er kein Fall für boulevardeske Skandal-Aufmacher. Der brave vierfache Familienvater (die Zwillingstöchter Charlene Riva und Myla Rose sind sechs, die Zwillingssöhne Leo und Lennart zwei) ist seit 2009 mit der ehemaligen Tennisspielerin Mirka verheiratet, die auch seine Termine koordiniert. Mit der "Roger Federer Foundation" engagiert sich der Schweizer für eine bessere Bildungsqualität im südlichen Afrika.

Vorerst steht Federer vor allem als Profi im Rampenlicht. Und das noch länger. "Ich habe schon in der Vorbereitung gesehen, dass er wieder richtig heiß auf seinen Sport ist", sagt Eurosport-Experte Alex Antonitsch. "Da spielt die Leidenschaft mit."

Kommentare