Rogan: "Natürlich bin ich arrogant"

Rogan: "Natürlich bin ich arrogant"
Schwimm-Star Markus Rogan über Volkshelden und Albträume, alte Fehler und neue Leidenschaften.

Markus Rogan ist ganz in seinem Element. Kaum steht eine WM an, da läuft ihm auch schon das Wasser im Mund zusammen. Sein Hunger nach Medaillen ist ungestillt, seine Motivation ungebremst.

In Schanghai kehrt der einstige Rückenspezialist seiner Paradedisziplin den Rücken und versucht sich über 200 Meter Lagen und 200 Meter Kraul. Auch sonst schlägt der 29-Jährige neue Töne an. Rogan engagiert sich für Kinder in Äthiopien (www.tesfaye.at): "Erst als ich in Äthiopien war, habe ich gesehen, dass es wichtigere Dinge gibt, als wer welche Medaille holt."

Den Feinschliff für die WM holte sich der Gewinner von 32 Medaillen in Los Angeles, wo er wöchentlich 40 Kilometer im Becken zurücklegte. "Rechnet man das Training der letzten 20 Jahre zusammen, bin ich wohl einmal um die Welt geschwommen", meint Rogan, der am Montag in die Titelkämpfe einsteigt.

KURIER Herr Rogan, ganz ehrlich: Wird Ihnen eigentlich nie fad im Wasser? Immer das gleiche Becken, immer die gleichen Kacheln?
Markus Rogan: Auf meiner Bahn in Los Angeles ist bei 16 Metern ein Fleck am Boden. Den find' ich jedes Mal lustig, weil er aussieht wie ein Gesicht. Fad wird mir am ehesten dann, wenn ich mich nicht auspowern kann.

Woran denkt ein Schwimmer im Wasser? Oder schaltet er den Autopiloten ein?
Beim Einschwimmen genieße ich noch das Abschalten. Aber bei der ersten harten Serie muss ich auf volle Konzentration schalten. Unser Training ist ja eine endlose Serie von Anstrengungen. Das können zehn Sekunden sein, aber auch bis zu zwei Minuten. Dazu stehe ich unter ständiger Beobachtung von fünf Trainern, werde angegriffen von den jungen Wilden. Da hab' ich keine Zeit für Tagträume.

Sie trainieren in L.A. mit Weltmeistern und Olympiasiegern. Wird da nicht automatisch jedes Training zum Wettkampf?
Ich kann mir nichts Besseres vorstellen, als mit den Besten der Welt zu trainieren. Wenn du das nicht aushältst, bist du halt einfach nicht gut genug. Es ist knallhart. Es ist brutal.

Hört sich nach einer ziemlichen Schinderei an.
Es ist sehr leicht, sich zu quälen, wenn zwanzig andere das gleichzeitig tun. Und die es zum größten Teil noch schwieriger haben als ich.

Apropos schwierig: Fällt es Ihnen heute schwerer, sich aufzuraffen? Immerhin haben Sie Ihre Medaillen im Trockenen und müssten keinem mehr etwas beweisen.
Na, einem muss ich's aber schon noch beweisen. Und der ist mein härtester Kritiker.

Sind Sie so selbstkritisch?
Klar. Sonst hätt' ich schon nach Athen 2004 gemütlich in den Schwimmruhestand gehen können.

Haben Sie deshalb noch einmal Trainingszentrum und Strecken gewechselt?
Das ist eine ideale Kombination aus mentaler und körperlicher Herausforderung. Ich bin stolz darauf, auf neuen Strecken langsam konkurrenzfähig zu werden. Ich hab' da einen ganz anderen Schwung. Es hat schon so was wie beim frischverliebt sein. Im Übrigen...

... im Übrigen?

Rücken-Olympiasieger werde ich nicht mehr. Dieser Zug ist abgefahren.

Und was ist auf den neuen Strecken drin?
Eine Medaille in Schanghai wird die schwierigste meiner Karriere.

Warum?

Weil ich noch nie auf Kraul oder Lagen auf der langen Bahn Medaillen geholt habe. Und das bei fünf Weltmeisterschaften und drei Olympischen Spielen.

Ist Schanghai also nur eine Zwischenetappe auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2012 in London?

Ich bin zu alt, um Zwischenetappen nicht zu genießen und zu schätzen. Ich werde aber sicher in Schanghai für London lernen.

Bei Olympia werden Sie 30 sein. Wie lange ist es überhaupt möglich, im Schwimmen leistungsfähig zu sein?
Dara Torres (die Amerikanerin gewann 2008 mit 41 noch Olympiamedaillen, Anm. ) ist mehr als drei Mal so alt, als ich vor einem halben Leben war. Ein bisserl Zeit hätt' ich also schon noch. Die Frage ist, wann ich mir selbst genug bewiesen habe.

Heißt das, Sie denken bereits an die Karriere danach?

Natürlich. Ich freue mich schon auf die Zeit neuer Herausforderungen. Ob das andere Strecken oder andere Elemente werden, das weiß ich im Moment noch nicht.

Sie müssten nach all Ihren Erfolgen eigentlich ein Volksheld sein. Wieso stehen die Österreicher Ihrer Person so zwiespältig gegenüber?
Ich hab' schon lang aufgegeben, den Volkshelden zu spielen. Dafür müsste ich meinen Kopf abdrehen, mein Mundwerk zusperren und mir Skier anschnallen.

Wieso Skier? Hat man es als Skifahrer hierzulande wirklich so viel leichter?
Nein. Die Konkurrenz ist enorm hoch. Aber wenn man einmal der beste Skifahrer ist, oder noch besser gewesen ist, ist man hierzulande unsterblich und Teil der österreichischen Seele.

Sie waren gern gesehener Gast bei Society-Events und omnipräsent. Danach haben Sie gemeint: "Mir ist die Berühmtheit zu Kopf gestiegen." Inwiefern?
Ich war und bin gern weltberühmt in Österreich. Ich finde, das hat ganz witzige Nebeneffekte. Wenn man sich damit abfindet, keine echten neuen Freunde kennenzulernen, lebt sich's ganz entspannt.

Ihre Kritiker behaupten, Sie wirken arrogant. Können Sie diesen Eindruck nachvollziehen?
Natürlich bin ich arrogant. Aber das hat wie bei vielen mit mangelndem Selbstvertrauen zu tun.

Sie und fehlendes Selbstvertrauen? Hat jemand wie Sie tatsächlich noch Versagensängste?
Klar. Ich hab' immer noch Albträume von meinem vierten Platz in Peking 2008.

Ist es Ihnen eigentlich wichtig, beliebt zu sein?
Solange mich meine kleine Schwester gern hat, sind mir alle anderen wurscht.

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