Barra da Tijuca: Wie Floridsdorf und Miami

Barra da Tijuca: Wie Floridsdorf und Miami
Der Vorort ist das Zentrum der Spiele und Rios Zukunftsgebiet. Ein Rundgang.

Ewig weit weg wirkt Rio de Janeiro hier: in Rio de Janeiro. Kein permanentes Hupen wie in den überfüllten Parallelstraßen nahe der legendären Strände von Copacabana und Ipanema; keine dunklen, engen Seitengassen wie im berüchtigten Centro-Viertel.

Dafür lange, breite Straßen, ein Fahrradweg und vor allem eines: ein ewig langer und in der Mittagssonne weiß funkelnder Sandstrand. Der schönste im gesamten Bundesstaat, sagen viele, nicht nur die Bewohner von Barra da Tijuca, wo mit olympischem Sportpark und Athletendorf das Herz dieser Sommerspiele schlagen soll.

Aufgebaut

Barra da Tijuca: Wie Floridsdorf und Miami
Eine gute Autostunde westlich von Rios Stadtzentrum liegt Barra entfernt, sofern der hektische Berufsverkehr mitspielt. Tut er selten. Auf der Fläche von Wien-Floridsdorf schmiegt sich der Vorort elegant an die Küste des Atlantiks, genauer gesagt: Er wurde geschmiegt.
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Brazil's acting president Michel Temer and Rio de Janeiro's state Governor Luiz Fernando Pezao travel on a subway train during the inauguratio of the Line 4 in Rio de Janeiro, Brazil, on July 30, 2016. The Line 4 will link the southern zone of Rio de Janeiro with Barra de Tijuca where most of the Olympic Games disciplines will be held. / AFP PHOTO / VANDERLEI ALMEIDA
Anfang der 1980er-Jahre lebten etwas mehr als 20.000 in Barra, im Jahr der Olympischen Spielen sind es bereits 150.000. Schon bald sollen es noch mehr sein. Barra soll das schicke Auffangbecken sein für die verstopfte Mega-Metropole, in deren Einzugsgebiet fast zwölf Millionen Menschen leben und arbeiten (wollen). Leben können in Barra nur die wenigsten. Die Stadtentwickler realisierten eine Stadt nach amerikanischen Vorbild, das Miami Brasiliens wird Barra genannt. Und wie Miami ist auch Barra: opulent, teuer und voll von Statussymbolen.

Abgefahren

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Barra
Es ist nicht schwierig, die in Barra zu bekommen. Neben den zahlreichen Hauptstraßen, von denen die schmalsten sechsspurig sind, gibt es vor allem drei Sachen: Fast-Food-Restaurants, Autohändler und Einkaufszentren. Zum größten des Kontinents führt eine zwölfspurige Schnellstraße.

Shopping Barra liegt unscheinbar in dem Geäst aus Kurven und Leitplanken. Ein zweckmäßiger, einstöckiger Betonbau, doch der Schein trügt: Eine Einkaufsebene ist tief in der Erde vergraben. Überirdisch ist das Verkaufsangebot. Ob Schmuck, Mode oder Technik; ob von nationalen Designern oder internationalen Größen – Shopping Barra könnte genau so gut in Dubai oder in Los Angeles stehen. Auch die Preise haben internationales Format: Ein Hemd gibt es für umgerechnet 85 Euro, ein Smartphone von Apple für 900 Euro. Stolze Preise, wenn man bedenkt, dass das durchschnittliche Brutto-Monatseinkommen eines Brasilianers etwas mehr als 500 Euro beträgt.

Ausschweifend

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A woman rides her bicycle as she passes over a painting of the Olympic rings ahead of the Rio 2016 Olympic games near Barra da Tijuca beach in Rio de Janeiro, Brazil, July 27, 2016. REUTERS/Sergio Moraes
Durchschnittlich sind hier die wenigsten Kunden. Frauen mit unnatürlichen Körperformen shoppen in Geschäften, die von Männern mit unnatürlichen Körperformen bewacht werden.

Zur Schau gestellt wird der Körperkult am Strand von Barra. Die brasilianische Bademode hilft dabei, sie bedeckt nur das Nötigste.

Einer der Dutzenden Imbiss-Stände, die entlang der Promenade alle fünfzig Meter aufgebaut sind, gehört Tafarel, einem stämmigen, kleinen Mann mit lederner Haut.

Angepasst

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A Brazilian soldier gestures during the inauguration of the BRT Transolimpica, an express road that connects Deodoro and Barra da Tijuca in Rio de Janeiro, Brazil on July 9, 2016. Brazilian soldiers began patrolling the venues for the Rio Olympic Games. / AFP PHOTO / TASSO MARCELO
Für umgerechnet vier Euro gibt es bei ihm kaltes Bier und einen saftigen Burger. Er habe seine Preise angepasst, als immer mehr Reiche nach Barra zogen: "Ein gutes Geschäft", sagt er und schlägt eine Kokosnuss auf. Der Strand hat hier das ganze Jahr über Saison.

Wohnen kann Tafarel nicht in der Nähe seines Geschäfts. Eineinhalb Stunden pendelt er täglich an den Strand von Barra.

Barra da Tijuca: Wie Floridsdorf und Miami
ABD0029_20160802 - RIO DE JENAIRO - BRASILIEN: Übersicht auf den Centre Court im Olympic Tennis Centre am Montag, 1. August 2016 auf dem Gelände des Barra Olympic Park in Rio de Janeiro. Die Olympischen Sommerspiele 2016 finden von 05. bis 21. August 2016 in Rio de Janeiro statt. - FOTO: APA/EXPA/ Johann Groder
Sein Kundenstamm kommt von den Apartmentanlagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit Blick auf den Ozean. Eines der Domizile heißt Les Résidences. Der Name ist Programm. Die Zufahrt verwehrt ein schweres Eisentor. Wer durchfahren will, muss sich beim Wachpersonal registrieren. Binnen fünf Minuten passieren das Tor ein Mercedes, ein Audi und ein Range Rover. Wer hier Bus fährt, tut das nicht aus Überzeugung, sondern aus Notwendigkeit.

In einem kleinen Shop neben der Anlage gibt es allerlei Krimskrams für Strandbesucher, darunter ein Handtuch mit dem Schriftzug "Life’s better here". Mag sein, dass das Leben hier wirklich besser ist. Aber bestimmt nicht in ganz Rio. Zum Glück ist die Stadt weit weg.

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