Jakob Pöltl: "Lasse mich nicht mehr herumschupfen"

Jakob Pöltl ist Drucksituationen gewohnt.
Österreichs größtes Basketball-Talent will in seiner zweiten College-Saison die Leader-Rolle übernehmen.

Geht es nach Jakob Pöltl, soll die am Dienstag beginnende NBA-Saison die vorerst letzte ohne österreichischer Beteiligung werden. Der 20-Jährige aus Wien hat es sich zum Ziel gesetzt, kommendes Jahr in der stärksten Basketball-Liga der Welt Fuß zu fassen.

Davor will das 2,13 m große Ausnahmetalent noch ein Jahr bei den Utah Utes reifen. Vor dem Start in seine zweite College-Saison kommende Woche sprach Pöltl mit der APA über seine neue Führungsrolle im Team, die gestiegene Erwartungshaltung und darüber, was er bis zu einer erfolgreichen Profikarriere noch alles lernen muss.

Worauf haben Sie in der Saisonpause besonderen Wert gelegt?
Jakob Pöltl:
Ich wollte vor allem schwerer und stärker werden. Neben dem Krafttraining gab es keinen wirklichen Schwerpunkt. Dadurch, dass ich erstmals im Nationalteam gespielt habe, hatte ich selten Individualtraining. Ich denke aber, allein durch diese Erfahrung bin ich besser geworden. Das waren Herren, zum Teil Topspieler, gegen die wir gespielt haben. Das ist noch einmal etwas anderes als hier am College. Das bringt einen enorm weiter. Im Vergleich zu anderen Spielern lerne ich sehr viel aus Spielsituationen.

Wie viele Kilogramm Muskelmasse haben Sie draufgepackt?
Ich bin jetzt auf ungefähr 250 Pfund (113,4 kg). Gewichtsmäßig ist nicht so viel dazugekommen, vielleicht zehn Pfund (4,5 kg) oder sogar weniger. Aber ich merke es im Spiel, dass ich stärker geworden bin. Es ist weniger das Gewicht als die Kraft. Ich lasse mich nicht mehr herumschupfen. Es hat wahrscheinlich auch etwas mit Erfahrung zu tun, dass ich besser die Ruhe bewahre und mich nicht von Gegenspielern zu überhasteten Entscheidungen zwingen lasse.

Welche Erwartungen haben Sie an sich selbst für diese Saison?
Ich will einer von den Leadern sein in diesem Team. Ich möchte das, was wir im vergangenen Jahr erreicht haben, noch einmal um einen Schritt verbessern. Vielleicht können wir um die Conference-Meisterschaft spielen und im NCAA-Turnier - das war die wahrscheinlich coolste Basketball-Erfahrung, die ich bisher gemacht habe - wieder in die 'Sweet 16' (Achtelfinale) oder sogar weiter kommen.

Wie viel wird dabei von Ihnen abhängen?
Ich glaube, einiges. Wir werden wieder ein Team sein, das sehr viel auf das Mannschaftsspiel aufbaut. Keiner hat im Vorjahr mehr als 20 Punkte im Schnitt gemacht. Das ist nicht unsere Art, Basketball zu spielen. Ich werde aber auf jeden Fall mehr Verantwortung übernehmen und dementsprechend auch meine Leistungen in die Höhe schrauben müssen.

Wie gehen Sie mit der Erwartungshaltung um, die Ihnen gegenüber natürlich gestiegen ist?
Ich war mein ganzes Leben schon in solchen Situationen. Es war immer schon ein großer Fokus auf mir. Im Jugendbasketball in Österreich war ich halt immer einer der besseren in meinem Team. Daher glaube ich, dass ich damit ganz gut umgehen kann. Anfang der letzten Saison war ich ein bisschen nervös, weil ich noch nicht genau gewusst habe, was auf mich zukommt. Jetzt habe ich das alles schon erlebt und kann mit einer gewissen Lockerheit reingehen.

Wie wichtig wird dieses zusätzliche Jahr am College, für das Sie sich entschieden haben, für Ihre Karriere?
Einer der großen Punkte, warum ich zurückgekommen bin, war, dass ich mich als Basketballspieler weiterentwickeln will, bevor ich diesen nächsten Schritt mache. Daher glaube ich, dass es sehr wichtig ist. Es geht darum, nicht nur als Basketballer, sondern auch mental, als Leader in der Rolle, die ich jetzt habe, weiterzukommen. Das ist etwas, das mir später sehr helfen kann.

Inwieweit haben Sie bisher schon das Gefühl, von der neuen Rolle zu profitieren?
Ich habe das Vertrauen der Coaches, dass sie einen großen Teil der Offense um mich herum aufbauen. Ich merke es auch im Training, dass ich ruhiger geworden bin in meinen Entscheidungen. Letztes Jahr war ich der Underdog, der aus dem Nichts gekommen ist. Dieses Jahr ist ein großer Teil des Fokus auf mir - auch von anderen Teams, die versuchen, mich auszuschalten. Alleine diese andere Rolle ist eine wichtige Erfahrung.

Von vielen NBA-Experten werden Sie für 2016 als möglicher Lottery-Pick (Top 14 im Draft) gehandelt. Empfinden Sie das auch als eine Form von Druck?
Es ist schon eine Form von Druck, aber ich glaube, ich kann grundsätzlich sehr gut damit umgehen. Um die mediale Präsenz und um die Erwartungshaltung kommt man nicht herum, das geht automatisch. Aber ich war immer schon ein Typ, der sich über die Medien, und was dort geschrieben wird, nicht so viele Sorgen gemacht hat, dass ich mich davon in meinen Entscheidungen auf dem Basketballfeld beeinflussen lassen würde. Also glaube ich, dass das kein großes Problem sein wird.

Ist es aus jetziger Sicht Ihr klares Ziel, nächstes Jahr in den NBA-Draft zu gehen, oder können Sie sich auch etwas anderes vorstellen?
Natürlich kann ich mir vorstellen, noch ein weiteres Jahr am College zu spielen. Vom jetzigen Standpunkt aus ist es aber mein Ziel, nach diesem Jahr in die NBA zu gehen. Ob das dann im Frühling immer noch so ist, kann ich schwer sagen. Im Moment ist es aber definitiv das Ziel, das so durchzuziehen.

Wie konkret arbeiten Sie darauf hin?
Hier eine gute Saison zu spielen, ist die beste Werbung für mich selbst. Dementsprechend versuche ich, mich persönlich weiterzuentwickeln und mit Utah die bestmögliche Saison zu haben, damit ich dann die besten Voraussetzungen habe, wenn ich im Sommer wirklich gehen will.

Sie sind mittlerweile ein Führungsspieler. Haben Sie das Gefühl, dass auch Ihr Coach Larry Krystkowiak mehr mit Ihnen spricht? Wie wichtig ist der Austausch mit ihm auch im Hinblick auf die NBA?
Es ist definitiv mehr geworden. Wir reden fast die ganze Zeit. Dadurch, dass ich diese Leaderrolle übernommen habe, ist es natürlich, dass ich mehr mit den Coaches rede - auch über die anderen Spieler. Seine NBA-Erfahrung hilft mir. Es werden Agenten auf mich zukommen. Er hat das Ganze schon einmal durchgemacht und ist bereit, mir dabei zu helfen. Alleine das ist schon eine Riesenhilfe.

Was sind aus seiner Sicht die Dinge, die Sie noch brauchen, wenn es in Richtung Profis geht?
Ein Schwerpunkt ist immer: Du musst deine Rolle finden - egal in welchem Team. In der NBA wird das am Anfang wahrscheinlich keine große Rolle sein, aber du musst einen gewissen Wert für das Team haben. Ob du jetzt der Typ bist, der die ganzen Punkte macht, oder ob du der Typ bist, der in der Defense kämpft und Rebounds holt, ist egal. Aber du musst den Coaches einen Grund geben, auf dem Spielfeld zu sein. Das ist etwas, woran ich arbeite, und das ich hoffentlich umsetzen kann bis zu dem Zeitpunkt, wenn ich dann wirklich in der NBA spiele.

Kommentare