Ohne Charlie Whiting geht nichts

Ohne Charlie Whiting geht nichts
Der Renndirektor bremst die Formel-1-Teams ein, garantiert für Sicherheit und löscht die Startampel.

McLaren hat einen Lastwagen voll neuer Teile nach Barcelona gebracht. Kleinteile für den Frontflügel, verschiedene Auspuffsysteme, gleich mehrere Variationen des Unterbodens. Die Engländer waren freilich nicht die Ausnahme. Der Verdrängungswettbewerb Formel 1 hat vor dem Europa-Auftakt am Sonntag in Spanien (Start: 14 Uhr/live ORFeins, RTL und Sky) in den Ingenieursbüros stattgefunden. Jedes der zwölf Teams hat in der dreiwöchigen Rennpause die klügsten Köpfe in Stellung gebracht, über eintausend Ingenieure insgesamt.

Überstunden

Kontrolliert wird ihre Arbeit von einem Mann: Charlie Whiting. Der 60-jährige Engländer ist seit fünfzehn Jahren der alleinverantwortliche Renndirektor und Sicherheitsbeauftragte der Formel 1. Er sah die Überstunden schon auf sich zurollen, als der McLaren-Lastwagen ins Fahrerlager von Barcelona einbog. "Wir können nicht jeden Teil kontrollieren", sagt Whiting, "unsere beste Waffe ist die Abschreckung. Die Teams müssen wissen, dass es weitreichende Konsequenzen hat, wenn sie betrügen."

Whiting kennt die Tricks. Er hat einst selbst nach Schlupflöchern im Reglement gesucht. Bis 1987 schraubte er eigenhändig an den Boliden herum, als Chefmechaniker bei Bernie Ecclestones Brabham-Team baute er 1981 und 1983 den Weltmeister-Wagen des Brasilianers Nelson Piquet.

Auch nach mehr als dreißig Jahren in der Branche sei er noch immer fasziniert von dem Sport, ihn reizt das Katz-und-Maus-Spiel mit den Rennställen. "Sie wollen mich immer ein bisschen im Dunkeln tappen lassen." Aber irgendwann kriegt er sie. Alle. Im Notfall mit einer Anpassung des Reglements wie im Fall des Doppel-Diffusors. "Das war eine der cleversten Ideen der letzten Jahre", sagt Whiting. Red Bull und das Brawn-Team (heute Mercedes) hatten diesen aerodynamischen Kniff 2009 entwickelt, zu Beginn dieser Saison war das Schlupfloch geschlossen.

Lob & Tadel

Anerkennung braucht Whiting nicht zu erwarten. Mehrere Hunderttausend Euro geben Rennställe etwa für einen Frontflügel aus, der dank Whiting vielleicht nie zum Einsatz zugelassen wird. "Lob gibt es nie. Wenn sich nach einem Rennen niemand beschwert, ist es schon okay." Vermarkter Bernie Ecclestone mag der mächtige Mann der Formel 1 sein, Charlie Whiting ist der wichtige. Ohne ihn geht in der Königsklasse nichts. Neben der Kontrolle der Autos inspiziert er neue Strecken, bestimmt den Einsatz des Safety Cars und gibt den Verkehrspolizisten, wenn ein Fahrer über das Ziel hinausgeschossen ist. "Die Fahrer sagen immer: `Ich habe ihn nicht gesehen.` Unfug!"

Nicht ein Rennen könnte ohne Charlie Whiting gestartet werden. Seit 1996 hat er bei mehr als 250 Rennen die fünf roten Startlichter gelöscht. Dies geschieht in der Hightech-Welt Formel 1 kurioserweise per Hand. "Da vertraue ich keinem Computer dieser Welt", sagt Whiting.

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