"Öffentliche Präsenz? Die Zeit ist mir zu schade"

Mateschitz: "18 Rennen kommen noch. Wir werden zurückkommen."
Der Gründer von Red Bull über Nörgler und Nihilisten, Sotschi und Spielberg, seine Kritik an der neuen Formel 1.

Fünf Milliarden verkaufte Dosen, fünf Milliarden Euro Umsatz. Das sind die kühlen Fakten von Red Bull im Jahr 2013. Doch das österreichische Unternehmen verkauft neben süßen Energy-Drinks ein süßes Lebensgefühl. Als Verkäufer arbeiten rund 700 gut bezahlte wie talentierte Sportler aus aller Welt.

KURIER: Herr Mateschitz, die Red-Bull-Athleten wären bei Olympia in Sotschi auf Platz acht im Medaillenranking gelandet. Was bedeutet für Ihr Unternehmen eine Veranstaltung, bei der ein Werbeverbot gilt?

Dietrich Mateschitz: Olympische Spiele sind etwas Einzigartiges und werden es hoffentlich auch immer sein. Ein Werbeverbot spielt dabei keinerlei Rolle.

Olympia, Fußball-WM in Brasilien mit Red-Bull-Sportler Neymar, die Formel 1 in Spielberg: Was ist Ihr persönliches Sport-Highlight im Jahr 2014?

Eindeutig der Grand Prix auf dem Red-Bull-Ring. Da geht heuer nichts drüber. Wobei ich hoffe, dass die Formel 1 bis dahin gegenüber dem Auftakt in Australien auf Touren kommen wird.

Was kann die Formel 1 von Events wie Olympia lernen?

Ich würde die beiden nicht miteinander vergleichen, hoffe aber trotzdem, dass uns eine derartige unangebrachte Polemisierung und Politisierung in der Formel 1 erspart bleiben wird.

Der Auftakt in der Formel 1 verlief für Red Bull ernüchternd: Vettel schied aus, Ricciardo wurde disqualifiziert. Wie zuversichtlich sind Sie dennoch?

Wir arbeiten gemeinsam mit unserem Partner Renault weiterhin rund um die Uhr und werden in den nächsten zwei, drei Wochen einen großen Schritt machen und den Abstand zu Mercedes verkleinern können. 18 Rennen kommen noch. Wir werden zurückkommen.

Sie haben immer wieder betont, dass es irgendwann möglich ist, dass sich Red Bull auch wieder aus der Formel 1 zurückziehen könnte, sollte es für das Unternehmen ökonomisch keinen Sinn mehr haben. Was müsste dafür passieren?

Die Frage ist nicht so sehr, ob es ökonomisch Sinn macht, vielmehr würden das Gründe sein, die mit sportlicher Fairness, politischen Einflussnahmen etc. zu tun haben. Das hatten wir alles schon. Diesen Dingen gegenüber gibt es unsererseits eine klare Akzeptanzgrenze.

Ist die Grenze bereits erreicht mit den neuen Regeln und der Melbourne-Disqualifikation?

Das Team hat Protest eingelegt. Fakt ist, dass der Benzindurchfluss-Sensor, den der Weltverband bei den Motoren montiert hat, unterschiedliche Werte seit Beginn des Prüfverfahrens angibt, also ungenau ist. Wir können im Gegensatz den exakten Fluss beweisen. Und der lag innerhalb der Limits.

Red Bull als Marke spricht explizit junge Menschen an, die Formel 1 tut sich schwer, neue Fans zu generieren. Was wäre Ihr Rat als Marketing-Experte?

Die Formel 1 wieder zu dem zu machen, was sie immer war: die Königsdisziplin. Sie ist weder dazu da, neue Rekorde im Benzinverbrauch aufzustellen, noch dass man sich im Flüsterton während eines Rennens unterhalten kann, das Lauteste der Boxenfunk und das höchste der Gefühle ein quietschender Reifen ist. Ich halte es für ebenso absurd, dass wir um Sekunden langsamer fahren als voriges Jahr und dass die Nachwuchsserie GP2 teilweise schon mehr Motorsport und Kampf bietet und fast gleich schnelle Zeiten fährt wie die Formel 1 bei einem Bruchteil an Budget.

Was antworten Sie den Kritikern, die sagen, Red Bull fehlt im Sport auf Dauer die Tradition?

Nihilisten und notorischen Madigmachern fällt immer etwas ein, um ihren Frust los zu werden.

Geht mit der Rückkehr der Formel 1 nach Spielberg für Sie ein Traum in Erfüllung?

Ich wüsste nicht, was das mit der Erfüllung von Träumen zu tun hat. Die Formel 1 ist für die Steiermark sowie für Österreich wichtig, und ich sah für uns eine Möglichkeit, das Rennen zurück in die Steiermark zu bringen, was sich auch als richtig erwiesen hat.

Das heißt, persönliche Interessen haben keinerlei Rolle bei der Entscheidung gespielt?

Wir als Veranstalter hätten ja auch einen etwaigen Verlust auszugleichen. Ich tue mir also schwer, persönliche Interessen zu finden.

Zuletzt haben Sie Gemeinden in der Region Hilfe versprochen bei Infrastrukturprojekten. Rasch hieß es, Red Bull erkaufe sich die Zustimmung der Kritiker. Sind Sie es mittlerweile gewohnt, dass bei Red Bull zuerst das Negative gesehen wird?

Solange der Anteil der Befürworter bei annähernd 99 Prozent bleibt, kann ich gut damit leben.

Ihrem Konzern werden bestimmt immer wieder neue Projekte von Außenstehenden schmackhaft gemacht. Woran erkennen Sie, dass ein Projekt Potenzial hat?

Das erkennt man relativ rasch. Es geht immer um das Selbe: Leistungspotenzial und Leistungsbereitschaft. Aber die Frage stellt sich in der Praxis kaum. Wir sind selbstbewusst genug und haben genug eigene Ideen.

Einiges am und im Red-Bull-Konzern bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Sie treten nahezu nie öffentlich in Erscheinung. Woher kommt diese Einstellung? Dient dies ausschließlich dem Schutz der Privatsphäre?

Wir sind ein völlig transparentes Unternehmen. Ich wüsste nicht, was der Öffentlichkeit verborgen bliebe. Meine öffentliche Präsenz hält sich in Grenzen, weil mir schade um die Zeit ist. Wir machen Dinge, anstatt endlos darüber zu reden.

Die Salzburger Fußballer haben Ihnen trotz des Europacup-Aus gegen Basel zuletzt viel Freude bereitet. Worauf führen Sie diesen lange vermissten Aufschwung letztlich zurück?

Wir haben wohl endlich das richtige Team gefunden und können erstmals von Kontinuität sprechen. Mit den falschen Leuten war das schwerlich möglich.

Auf langer Sicht gilt das Hauptaugenmerk wohl der Filiale in Leipzig und der 1. Deutschen Bundesliga. Wann erscheint es Ihnen realistisch, dass RB Leipzig die Erstklassigkeit erreicht?

Im Moment sieht es so aus, als hätte RB Leipzig gute Chancen, in die 2. Bundesliga aufzusteigen. Wir werden versuchen, uns auch in dieser zu behaupten, sodass einem kurz- bis mittelfristigen Aufstieg in die 1. Bundesliga nichts im Wege stehen sollte. In Österreich eröffnen wir im Sommer unsere neue Fußball- und Eishockey-Akademie. Die Ziele bleiben die gleichen: Wir wollen Meister werden und uns international gut präsentieren.

Sein Leben Der Steirer wurde am 20. Mai 1944 in Sankt Marein geboren und absolvierte in Wien die Hochschule für Welthandel. Sein Hauptwohnsitz befindet sich in Salzburg, Mateschitz ist ledig und hat einen Sohn (*1993). Neben seinen Red-Bull-Projekten ist er einer der größten Hotelbesitzer in Salzburg und der Steiermark.

Sein Privatvermögen wurde 2013 laut des Vermögensreports des Liechtensteiner Investmenthauses Valluga AG auf 7,5 Milliarden Euro geschätzt.

Sein Unternehmen Dem Vertreter für Kaffee und Zahnpasta wurde in den 80er-Jahren auf einer Dienstreise in Thailand ein Energy-Drink schmackhaft gemacht. 1984 gründete er mit thailändischen Partnern die Red Bull GmbH, drei Jahre später kam das Getränk auf den Markt.

Sein Konzept Traditionell fließt ein Drittel des Gewinns ins Marketing. Hauptaugenmerk liegt auf Sport und Veranstaltungen. Die Red-Bull-Fußball-Abteilung gliedert sich in Filialen in Salzburg, Leipzig, New York, und Brasilien. In der Formel 1 kaufte er 2004 das in England beheimatete Jaguar-Team (Red Bull Racing), ein Jahr später erwarb Mateschitz auch den italienischen Minardi-Rennstall (Toro Rosso).

Wenn es schon für Dietrich Mateschitz kein Traum ist (siehe Interview), dann doch wohl für die österreichischen Formel-1-Fans. Wie sonst ließe sich erklären, dass im November 2013, drei Tage nach dem Start des Ticketverkaufs, der Grand Prix von Österreich am 22. Juni 2014 praktisch ausverkauft war.

190.000 Zuschauer werden an den drei Renntagen erwartet (30.000 am Freitag und jeweils 80.000 am Samstag und Sonntag).

Wie viel der Red-Bull-Boss für die Rückkehr der Königsklasse nach elf Jahren an Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone überweisen hat müssen, ist unklar. Traditionell schweigt der teuerste und schnellste Wanderzirkus der Welt über seine Antrittsgage. Der gängige Preis schwankt je nach Verhandlungsgeschick im Normalfall zwischen sieben und zwanzig Millionen Euro. Eine Summe, die erst einmal wieder eingespielt werden muss.

Unübersehbar sind allerdings in Spielberg die Baufortschritte. Der erst 2011 neu eröffnete Red-Bull-Ring bekommt für den hohen Besuch noch ein Facelift. Markanteste Neuerung ist die überdachte Haupttribüne an der Start-Ziel-Gerade, für die die Naturtribüne weichen musste. 7700 Zuschauer werden dort komfortabel den Start genießen können.

In der Mitte der Haupttribüne entsteht gerade ein vierstöckiges Bürogebäude in Form des Heckflügels eines Formel-1-Boliden. Der Komplex bietet etwa 500 Medienvertretern Platz.

Und damit auch außerhalb des Rings alles fließt, entsteht im Osten eine neue Umfahrung.

18 Medaillen. Wie vielfältig die Athleten-Förderung im Red-Bull-Konzern aussieht, bewiesen die Olympischen Witerspiele in Sotschi. 76 Sportler kämpften in der Schwarzmeer-Metropole im Namen der Dose um olympische Medaillen. Allein die silber-blaue Dose fehlte bei den Siegerinterviews, das Internationale Olympische Comité achtet penibel darauf, dass während der Veranstaltung nur die Olympia-Sponsoren ins rechte Bild gerückt werden. Um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, sperrte Red Bull während der Spiele in seiner gigantischen Bilddatenbank (die allen Medien gratis zur Verfügung steht) all jene Fotos seiner Athleten, die in Sotschi am Start gewesen sind.

Die Bilanz der Red-Bull-Athleten in Russland kann sich dennoch sehen lassen: 18 Medaillen (fünf Mal Gold, fünf Mal Silber, acht Mal Bronze) hätten die Red-Bull-Familie im Medaillenspiegel auf Rang acht klettern lassen, zwei Plätze vor Österreich. Die rot-weiß-roten Medaillengewinner, denen der Bulle Flügel verleiht, waren: Dominik Landertinger (Biathlon), Marcel Hirscher (Ski alpin/beide Silber), die Skispringer Thomas Morgenstern und Gregor Schlierenzauer (Team), Benjamin Karl (Snowboard) und die Biathlon-Staffel (alle Bronze).

Die fünf Goldmedaillengewinner kamen aus fünf verschiedenen Ländern: Eva Samkova (Tschechien), Pierre Vaultier (Frankreich/beide Snowboard Cross), Charles Hamelin (Kanada/Short Track), Marcus Hellner (Schweden/Langlauf) sowie der deutsche Skispringer Andreas Wellinger, der mit der Mannschaft zu Gold flog.

Kommentare