Maranello: Ferraris Heimat

Maranello: Ferraris Heimat
Ferrari bestreitet in Monza den Heim-GP. 200 km südlich lebt eine Stadt von und mit der legendären Autoschmiede.

Eine besser passende Duftnote kann es für den Ort nicht geben. Es riecht nach Pferd am Ortseingang von Maranello, der Stadt von Ferrari. Auch die zweite Nase voll lässt keinen Zweifel daran - allein: Weit und breit ist weder Ross noch Reiter zu sehen im Ursprungsort jener legendären Rennwagen, deren Motorhauben ein aufbäumendes Pferdchen, das Cavallino rampante , ziert.

Beinahe achtzig Jahre fahren die vorwiegend roten Renner nun im Schutze des schwarzen Pferds. Seither hat sich das elegante Tier prägend in den Asphalt seiner Herkunftsstätte gebrannt und die Luft im eher unscheinbaren, an vielen Ecken gar biederen Ort in der Emilia Romagna mit dem magischen Staub des Motorsports angereichert.

Institution

Maranello: Ferraris Heimat

Staub, der im Zuge des Formel-1-Rennens in Monza, 200 schnelle Kilometer nördlich von Maranello, aufgewirbelt wird. Denn der hauseigene Rennstall ist eine der wenig verbliebenen Institutionen in der Königsklasse des Automobilsports. Die Formel 1 ohne Ferrari? Genauso denkunmöglich wie die Pizza ohne Paradeiser-Soße.

Aus gegebenen Anlass legt das Poesie-Festival im Auditorium Enzo Ferrari eine eintägige Pause ein und zeigt den Großen Preis von Italien via Großbild-Leinwand. Die besten Sitzplätze in der Stadt werden am Sonntag heiß begehrt sein, so auch in dem kleinen Café im Zentrum, direkt gegenüber der Kirche.

Ein unauffälliges Gotteshaus aus roten Ziegeln, das Weltbekanntheit erlangt hat. Nach jedem Formel-1-Sieg der stolzen Scuderia bringt der Pfarrer die Kirchenglocken zum Läuten. Bis Sonntag hätte er streng nach der Statistik 215-mal die Gelegenheit dazu gehabt. Kein Team feierte so viele Grand-Prix-Erfolge wie Ferrari.

Im Gedächtnis

Maranello: Ferraris Heimat

In Maranello hat jeder seine Verbindung zur Sportwagenmanufaktur. Die Kellnerin im Ristorante am Hauptplatz, die mehrmals Stefano Domenicali bewirtet hat und freilich nur Gutes von den Tischmanieren des Formel-1-Teamchefs berichten kann.

Vittorio, ein freundlicher Mann mit blassem Teint und leiser Stimme, ist Rezeptionist in einem Ferrari-Hotel für Tagestouristen. Seine Familie arbeitet bereits in dritter Generation für das Aushängeschild der Region. "Der Traum eines jeden Maranellesi ist es, für Ferrari zu arbeiten", sagt Vittorio, dessen Großvater einst Mechaniker unter Firmengründer Enzo Ferrari war. Vittorios Vater leitete die Logistik.

1400 Personen sind es in Maranello, die die teuren Männerträume vom Scheitel bis zur Sohle, vom Faltdach bis zum Auspuff, fertigen. "Egal wie groß das Unternehmen noch wird", sagt Vittorio, "es ist wichtig, dass ein Ferrari ein Produkt der Region bleibt." Und wenn man genau hinblickt erkennt man den Ort in den Boliden wieder - und umgekehrt: geradlinig, schnörkellos, frei von Schnickschnack, auf Leistung getrimmt und dennoch - oder gerade deswegen - betörend.

"Die Leute hier sind sehr fleißig und genau. Sie entsprechen so gar nicht dem gemeinen Klischee des Italieners", sagt Franz Tost. Der Tiroler lebt seit fünf Jahren in der Region, er ist Teamchef von Toro Rosso. Der zweite Formel-1-Rennstall von Red Bull sitzt in Faenza und stützt die Theorie, das Motorsport ansteckend sei.

In crisi

An der Spitze thront Ferrari. Das Unternehmen ist eine der letzten Konstanten in einem Land, das im 150. Gründungsjahr der Republik die schwerste Krise durchlebt. Die achtstärkste Industrienation der Welt hat Außenstände von 1,85 Billionen Euro. Silvio Berlusconi, der Ministerpräsident, steht nach einer Affäre mit einer Minderjährigen zum 16. Mal seit Anfang der 90er-Jahre vor Gericht. "Das ist der Unterschied", sagt Vittorio, "Enzo Ferrari wusste, wann es Zeit ist, zu gehen."

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

Kommentare