Jerez-Grand Prix: Hausbesuch vom Doktor
Vor zehn Jahren ging in der Motorrad-WM jeder Rennsieg nur über Valentino Rossi. Der Italiener dominierte, fuhr seinen Gegnern - trotz oft mäßiger Qualifying-Leistungen - im Rennen um die Ohren. Diese Dominanz ist lang gebrochen - Ausnahmekönner wie Marc Marquez und Perfektionisten wie Jorge Lorenzo sind die prägenden Fahrer der Gegenwart und Zukunft. Und über Valentino Rossi gab es regelmäßig Rücktrittsgerüchte - kein Wunder, ist der Mann doch mittlerweile 37 Jahre alt.
Dass er trotzdem immer noch so dominant und fehlerlos sein kann wie in seinen Glanzzeiten, das hat der "Dottore" am vergangenen Wochenende - etwas überraschend - der ganzen MotoGP-Welt eindrucksvoll vorgeführt. Nach einem verhaltenen Trainingsstart am Freitag steigerte sich der Italiener am Samstag drastisch, fuhr im letzten Moment sogar noch eine denkbar knappe Pole-Position heraus. Ausgerechnet vor heimischem Publikum mussten sich die Spanier Lorenzo und Marquez geschlagen geben.
Und plötzlich wieder Titelkampf
Trotzdem war Rossi am Sonntag bestenfalls Außenseiter. Zu überlegen war Honda-Pilot Marquez in Argentinien und den USA zu Werke gegangen, zu weit hinter seinem Teamkollegen Lorenzo zurück war Rossi in Katar gewesen. Alles rechnete mit einem spanischen Sieg auf spanischem Boden - nur Rossi selber nicht. Vom Start weg dominierte der Italiener, musste Lorenzo nur eine Kurve lang passieren lassen, ehe er sich die Führung zurückholte und sie bis ins Ziel nicht mehr abgab.
Und damit bringt sich Rossi auch im Titelkampf plötzlich wieder ein. In der WM-Wertung liegt der Italiener noch 24 Punkte hinter Marquez zurück, auf Lorenzo fehlen aber nur noch sieben Zähler. Dieser gefühlt siebente Frühling des Altmeisters hat mehrere Gründe. Die wohl wichtigste Änderung ist der neue Reifenhersteller. Statt wie in den vergangenen Jahren Bridgestone liefert nun Michelin die Einheitsreifen, und diese haben eine ganz andere Charakteristik. Mit Bridgestone konnten Piloten wie Marquez Schräglagen von bis zu 65 Grad fahren, ohne einen Sturz zu riskieren. Mit Michelin hingegen sind 60 Grad die Grenze.
Das Reglement macht Rossi stärker
Ein Unterschied, der Rossi entgegen kommt. Denn der "Doktor" lernte das Fahren in einer Zeit, als so große Schräglagen physikalisch nicht möglich waren - und kann jetzt auf diese Erfahrung zurückgreifen. Er muss seinen Fahrstil nur umstellen, jüngere Fahrer hingegen müssen das Fahren neu lernen. Das Resultat? Eklatant viele Stürze über das Vorderrad, vor allem bei den Testfahrten, aber auch während der bisherigen Rennen.
Der zweite Unterschied ist die Einheitselektronik. Rossi hatte die vergangenen Jahre mit der Yamaha-Elektronik seine Probleme, weil Jorge Lorenzo sie während Rossis Ducati-Ausflug auf sich maßschneidern hatte lassen. Mit der in diesem Jahr verpflichtenden Einheitselektronik von Magneti Marelli kommt Rossi besser zurecht, sie kommt seinem ruhigen, flüssigen Fahrstil entgegen.
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