Erste Runde im Kampf der Giganten

Arbeit hinter den Kulissen: Mercedes machte im Winter den besten Job und lag bei den Testfahrten vorne.
Die Österreicher Toto Wolff und Niki Lauda formten ein Spitzenteam. Nun fordert Mercedes Red Bull.

Red Bull und Mercedes sind einander nahegekommen, näher als ihnen lieb ist. Die beiden Rennställe pflegten in den vergangenen Jahren eine offen zur Schau gestellte Rivalität – Sticheleien, Anschuldigungen und Proteste inklusive. Nun, im Rennjahr 2014, residieren der Weltmeister (Red Bull) und sein Vize (Mercedes) Tür an Tür im Fahrerlager. Das Reglement der Formel 1 sieht es so vor. Sportlich allerdings trennen die beiden großen Rivalen vor der am Sonntag in Australien beginnenden Saison Welten (7 Uhr MEZ/live ORFeins, RTL und Sky Sport).

Das deutsche Werksteam ist als Topfavorit nach Melbourne gereist, der österreichische Rennstall hat die Überholspur mit dem Pannenstreifen getauscht. Bei den Testfahrten zur revolutionären Saison kam der Renault-Turbomotor samt aufwendigem Hybridsystem nur schleppend auf Touren. "Bis Mai sollten wir alle Probleme im Griff haben", sagt Daniel Ricciardo, der neue Teamkollege von Vierfach-Weltmeister Vettel.

Im Mai ist fast ein Viertel der Saison vorüber, gewonnen ist da die WM bestimmt noch nicht, verloren könnte sie schon sein.

Große Hoffnungen

Im Lager von Mercedes ist die Erwartungshaltung enorm. Im fünften Jahr nach der Rückkehr als Werksteam, nach Enttäuschungen, Blamagen und Rückschlägen, soll nun der große Wurf gelingen. "2014 könnte unser Jahr werden", sagt Pilot Nico Rosberg. Die Rolle des Realisten nimmt sein Teamchef ein, der Wiener Toto Wolff: "Wir werden die neue Saison mit Demut und nicht mit Hochmut angehen." An der Zielvorgabe lässt der Daimler-Motorsportchef und Miteigentümer des Formel-1-Teams dennoch keinen Zweifel: "Titel sind der Anspruch von Mercedes, deshalb sind wir in der Formel 1 dabei."

Während Wolff Finanzen und Personal im Team verantwortet, zeichnet ein weiterer Österreicher für den Aufschwung der Silberpfeile verantwortlich: Der Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda fungiert als Schnittstelle zwischen dem hoch technologisierten Formel-1-Team in England und der pragmatisch-kühlen Vorstandsetage in Stuttgart. Das Wort des dreifachen Weltmeisters hat Gewicht. Auch dank Laudas Argumenten kann es Mercedes nun in Sachen Budget mit Red Bull und Ferrari aufnehmen. Rund 300 Millionen Euro stehen den Top-Teams pro Saison zur Verfügung.

"Die Formel 1 ist nicht nur ein Wettbewerb der besten Fahrer, sondern auch einer der besten Ingenieure", sagt Wolff. Auch abseits der Rennstrecke trat Mercedes unter der Führung des 42-Jährigen aggressiv auf: Von Red Bull wechselten die Chefingenieure für Fahrzeugdynamik (Mark Ellis) und Simulation (Giles Wood) zu Mercedes. Welch gute Argumente die Deutschen gehabt haben müssen, beweist die Tatsache, dass Wood ein Angebot von Google mit dem Prestigeprojekt des fahrerlosen Autos ausschlug.

"Beat the Bulls" – die Bullen schlagen – hat Starpilot Lewis Hamilton als Motto ausgegeben. Der 29-Jährige gilt bei den Buchmachern als WM-Favorit. Wolff, der von Hamilton schlicht "Boss" genannt wird, versucht zu relativieren: "Wer glaubt, Red Bull kommt nicht zurück, ist naiv. Die Frage ist nur, wann?"

In den ersten Trainings für den Grand Prix in Melbourne wurde Mercedes seiner Favoritenrolle gerecht. Die Silberpfeile dominierten am Freitag, Lewis Hamilton war vor Nico Rosberg der Schnellste. "Wir haben das schnellste Auto, sowohl in der Rennsimulation als auch auf eine Runde", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Der Österreicher freut sich auch darüber, dass es überraschend wenig technische Defekte gab: "Wir haben mehr Runden gesehen als viele Leute erwartet hätten. Und das macht es zu einem guten Tag in dieser neuen Ära der Formel 1."

Hamilton und Rosberg verwiesen ihren ersten Verfolger, Fernando Alonso im Ferrari, um mehr als eine halbe Sekunde auf Rang drei. Dahinter folgte dann schon Red Bull mit Weltmeister Sebastian Vettel. "Die harte Arbeit beginnt sich bezahlt zu machen", sagte Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko. "Die Ergebnisse sind ermutigend. Wir sind wesentlich zuversichtlicher, auch was die Haltbarkeit betrifft." Auch Vettel strahlte: "Wir hatten keinerlei Probleme."

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