Liu Jia: "Habe Potenzial für Medaille"

Liu Jia: "Habe Potenzial für Medaille"
Die 30-Jährige Liu Jia bestreitet in London ihr viertes olympisches Tischtennis-Turnier.

Bei ihren bisherigen drei Antritten wurde sie jeweils nur 17. Ausgerechnet nach ihrer im Vorjahr durch ihre erste Schwangerschaft bedingte Pause soll es nun aber klar besser klappen. Im APA-Interview sprach Österreichs Nummer eins u.a. über ihre olympischen Erwartungen und verbleibenden Karriere-Ziele.

APA: Sie haben am 17. Juli des Vorjahres Ihre Tochter Anna zur Welt gebracht. Haben Sie das Spielniveau aus der Zeit vor Ihrer Schwangerschaft wieder erreicht?

Liu: "Ich bin sogar besser. Ich habe keine gute Zeit gehabt vor der Schwangerschaft. Ich war verletzt, ich war mental nicht stark - ich habe wirklich eine schlimme Phase gehabt. Vor der Schwangerschaft war ich immer ein bisschen im Übertrainingsbereich. Ich habe keine Energie gehabt und hatte Verletzungen. Aber jetzt ist alles ausgeheilt, unglaublich. Durch die Schwangerschaft habe ich so viel Energie wieder zurückbekommen."

APA: Wie schätzen Sie dann Ihre Chancen in London ein, nachdem Sie mit Olympia bisher keine gute Beziehung gehabt haben?

Liu: "Ich glaube, ich habe mir nie selbst so einen Druck gemacht, dass ich gesagt habe, ich muss. Aber ich bin der Typ, der Druck braucht. Dann erreiche ich oft mehr Leistung als im Training. Bei Olympischen Spielen habe ich immer gesagt, naja, es wird schwer - schon ein bisschen als Ausrede - und bin dann auch daran gescheitert. Ich wollte auch damals gewinnen, aber ich war einfach nie gut und professionell vorbereitet. Jetzt fühle ich mich besser vorbereitet. Ich bin jetzt auch eine Mutter und mir sind viele Sachen klarer geworden, die mir früher nicht bewusst waren. Ich weiß, ich habe das Potenzial für eine Medaille, aber es muss alles passen. Es ist sauschwer. Aber ich möchte zumindest unter die letzten Acht kommen. Das ist das Mindeste, und das sage ich mir auch immer vor."

APA: Sie sind für Olympia auch mit dem Team qualifiziert, wie sind da die Aussichten?

Liu: "Ich glaube, wir haben gute Chancen. Wahrscheinlich haben wir mehr Chancen im Team als im Einzel. Bing (Anm.: Li Qiangbing) und ich hätten bei einer EM schon längst eine Medaille machen müssen. Dass es nie gelungen ist, ärgert mich einfach. Und ich glaube, jetzt ist es Zeit. Es muss alles zusammenpassen, aber man muss auch daran glauben. Ich bin Kapitän und ich werde sagen 'Wir schaffen das'."

APA: Wie sehen Sie die Entwicklung im Damen-Tischtennis seit Sie dabei sind?

Liu: "Durch die Regeländerungen wie im Zählsystem, Service oder beim Ball haben wir Frauen Nachteile. Wir sind nicht so kreativ oder wir trauen uns nicht so viele neue Sachen probieren. Seit ich zurückgekommen bin, habe ich nicht das Gefühl, dass sich das Niveau verbessert hat. Aber ich glaube, man braucht bessere Nerven. Wenn ich Anna einmal trainieren würde, würde ich beim Mentalen anfangen. Das Spielerische ist nicht so entscheidend wie bei den Herren. Die brauchen schon Kondition, Qualität, Power. Wir brauchen das nicht. Ich habe keine Kraft, ich bin nur ein bisschen schneller. Vom Niveau her hat sich Damen-Tischtennis nicht viel verändert."

APA: Sie waren Europameisterin und Siegerin des Europa-Top-12. Was sind Ihre verbleibenden sportlichen Karriere-Ziele?

Liu: "Für mich hat sich sehr viel verändert. Die Resultate sind für mich nicht mehr so wichtig. Ich genieße diesen Sport, ich kann viel besser genießen. Die 14 Jahre vor der Schwangerschaft habe ich wie eine Maschine gearbeitet. Jetzt geht es anders. Ich verstehe Werner (Anm.: Schlager). Er hat Spaß im Spiel, er versucht das und das und hat Überblick. So gesehen bin ich ein bisschen drüber, deswegen bin ich auch stärker geworden. Ich genieße wirklich jeden Ball, jedes Training, jeden Satz. Auf der anderen Seite höre ich nicht auf, wenn ich nicht noch einmal Europameisterin werde. Das muss ich, sonst geht etwas verloren. Das ist das große Ziel."

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