„Letzter werden war nicht leicht“

OBM05:RADRUNDFAHRT97:OBERTRUM,1JUN97- Die dritte Etappe der Tour 97 fuehrte ueber 160 Kilometer von Groebming nach Obertrum. UBZ: Vorjahressieger Frank Vandenbroucke (L) berichtet per Funktelefon þber die Erfolge seiner Mannschaft. Der ehemalige oesterreichische Radprofi Gerhard Schoenbacher (R) begleitet die Tour als Uebersetzer. lf/REUTER OESTERREICH/Photo by Klaus Titzer REUTERS
Gerhard Schönbacher holte bei der Tour de France zwei Mal die rote Laterne.

Heute endet die 100. Tour de France erstmals mit einer Etappe unter Flutlicht in Paris. Und mit Christopher Froome wird dort heute zum erst zweiten Mal wieder ein Brite als Sieger geehrt, Bradley Wiggins hatte ja 2012 gewonnen; Froome wurde auf der letzten Berg-Etappe Dritter. Ein Österreicher hingegen kam zwei Mal mit der roten Laterne an und brachte den Tourdirektor zur Weißglut: Gerhard Schönbacher ging als Tour-Clown in die Rad-Geschichte ein. Der Letzte von 1979 und 1980 ist immer noch mit dem Radsport verbunden.

KURIER: Sie wollten seinerzeit Letzter werden. Warum?

Gerhard Schönbacher: Der letzte Platz war sehr populär. Ich hab’ danach 40 Verträge gekriegt und bei Showkriterien 500 bis 800 Mark Startgeld bekommen. Das war damals net wenig. Aber glauben S’ mir, es war nicht leicht, Letzter zu werden. Der Tour-Chef hat aus Ärger über meine Popularität extra die Regeln geändert und ließ den jeweiligen Etappenletzten ausschließen. Ich hab’s mit Taktik trotzdem noch ein zweites Mal geschafft.

Der aktuelle Letzte, der Kanadier Svein Tuft, liegt 4:24 Stunden hinter Christopher Froome. Wie groß war Ihr Rückstand?

Dreieinhalb Stunden.

Nur dreieinhalb Stunden nach 4000 Kilometern! War es Ihnen denn möglich, ohne Doping Letzter zu werden?

Sie sind der Zehnte, der mich das jetzt gerade fragt.

Begleiten Sie die Tour?

Im Gegenteil. Ich komme gerade aus den USA und habe dort über die Tour nur ein Mal etwas in einer Zeitung gefunden, als es hieß, dass dem Baseball ein noch größerer Doping-Skandal droht als der vom Lance Armstrong.

Nochmals: Haben Sie verbotene Mittel genommen?

Manches Medikament fördert die Vergesslichkeit. Spaß beiseite. Ich hatte so viel Schiss, erwischt zu werden, dass ich bei der Tour nichts Verbotenes ang’rührt hab.

Diese Behauptung steht allerdings im Widerspruch zu einem früheren Interview, in dem Sie meinten: „Wenn sie unsere Urinproben heute noch hätten, wären wir alle dran.“

Ich wollte damit ausdrücken, dass heute viel auf der Dopingliste steht, was damals erlaubt war. Darüber hinaus existieren heute ganz andere, wirkungsvollere Methoden. Zu meiner Zeit konntest du als zweitklassiger Fahrer auch mit Doping nie besser als ein erstklassiger sein.

Sind die 4000 Kilometer ohne Doping überhaupt zu schaffen?

Ja. Die Tour ist heute nicht länger oder viel schwerer als vor 30 Jahren, die Profis müssen eben langsamer fahren. Ich gebe zu: Wenn’s net den Ruhetag gegeben hätte und wenn ich nicht mit 90 Prozent, sondern mit 100 gefahren wäre, hätte ich nie drei Mal die Tour zu Ende fahren können. Bei mir kam dazu, dass ich mich beim Bergauffahren nie verausgabt hab’. Ich hab’ bergab aufgeholt – ich war ein Kamikaze.

Welches Höchsttempo wurde bei Ihnen gemessen?

Mit Skiern – ich bin bei den Weltrekordversuchen gestartet – habe ich 186 km/h erreicht, auf dem Rad sollen’s runter vom Galibier einmal 110 gewesen sein.

Ging das immer gut?

Nein. Ein Mal sind die Franzosen vor einem Tunnel schon mit gelben Warntaferln g’standen. Ich bin trotzdem reing’schossen in den Tunnel. Er war unbeleuchtet und hatte einen Knick. Ich bin leider geradeaus gefahren. Noch ärger aber war’s, als mich in Melbourne ein 85-Jähriger mit dem Auto niedergestoßen hat. Ich lag danach im Koma. Und ich hab’ keinen Geruchssinn mehr.

Aber ein gutes Naserl fürs Radgeschäft und Sponsoren wird Ihnen immer noch nachgesagt.

Ich organisiere die Alpen-Tour in Schladming und in Australien alle Jahre wieder die Crocodile Trophy, die immer mehr TV-Stationen übernehmen. Ich bin bescheiden. Ich kann davon leben.

Kommentare