Hatte Muster dieses Comeback wirklich nötig?

Hatte Muster dieses Comeback wirklich nötig?
Mit dem Aus in der Stadthalle hat sich der Steirer mit zwölf Jahren Verspätung von der ATP-Tour verabschiedet.

Ja

Über 7000 Zuschauer bei einem offiziellen Match zwischen der Nummer 1078 und der Nummer 1890. Noch Fragen? Bei Thomas Musters Abschied gegen Teenager Dominic Thiem ließen sich auch Sportfreunde in der Wiener Stadthalle blicken, die noch von alten Zeiten träumen und für die Tsonga ein Fischgericht und Del Potro ein Fliesenkleber ist.

Mustermania

Muster da, Muster dort. Seit seinem Comeback schaute der 44-Jährige ständig irgendwo aus den Fernsehgeräten, blinzelte aus den Zeitungen (sogar die New York Times schrieb über DAS Comeback), lachte von Plakaten und wurde sogar von den Comedy Hirten nachgemacht. Zumindest bis zu seinem jeweiligen Erstauftritt (der ja zumeist auch der Letztauftritt war) war der mittlerweile 44-jährige Star des Turniers und brachte viel Geld.

Egal, ob er bei Challenger-Veranstaltungen (das sind kleine Turniere) aufschlug oder in der Wiener Stadthalle. Der beste steirische Tennisspieler der Welt füllte immer die Centrecourts, die für ihn zur besten Zeit freigehalten wurden. Ihn auf einem Nebenplatz spielen zu lassen, wäre ungefähr so, als würde man die Rolling Stones als Vorgruppe für einen Peter-Rapp-Abend anheuern.

Und aufgepasst, liebe Ehefrauen: Wenn ihr Mann plötzlich Hanteln und Laufradln nach Hause bringt und die restliche Zeit im Fitnessstudio verbringt, dann muss er nicht unbedingt den jungen Mäderln nachrennen, sondern dann kann tatsächlich Thomas Muster der Grund sein. Dieser hat gezeigt, was ein 44-jähriger Körper noch alles bewirken kann, hat manche unbewusst aus den Midlife-Crisis herausgeholt und damit Bierbäuche reduziert wie die Weight-Watchers.

Und vor allem: Er hat den Profis und vor allem jenen, die es einmal werden wollen, gezeigt, wie ein ordentlicher Profi zu trainieren hat.

Mustergültig


Muster betonte immer wieder, dass die Intensität des Trainings in Tagen wie diesen abgenommen hat. Er zeigte seiner Nachfolge-Generation, wie aus Lehrlingen Meister werden, wie viel Training ein Körper verträgt. Für Dominic Thiem war er der beste Trainingspartner, den man sich wünschen kann, auch andere Talente rutschten und stöhnten mit dem Alt-Lehrmeister von der Grundlinie um die Wette.
Und ja - auch Dominic Thiem hat ein bisserl was davon. So einen leichten Gegner wird er nur dann wieder bekommen, wenn er beim Lichtenwörther Heimatturnier antritt. Die 20 Punkte, die ihm der Muster-Sieg brachte, sichern ihm einen Platz unter den besten 1000.

Danke, Tom.

Harald Ottawa

Nein

Hatte Muster dieses Comeback wirklich nötig?

Thomas Muster sagte nach seiner letzten Niederlage gegen den 18-jährigen Dominic Thiem, dass nun auch seine Midlife-Crisis beendet sei. Entwaffnend ehrlich, wie auch die tränenreiche Verabschiedung von seinen Fans, die wegen des besten österreichischen Tennisspielers aller Zeiten in die Wiener Stadthalle gekommen waren.

Muster hatte erst dick werden und Raubbau an seinem Körper betreiben müssen, um zu erkennen, dass er ohne sportliche Beschäftigungstherapie einem frühen Ende entgegensteuert. Aber warum ausgerechnet Tennis mit dem aussichtslosen Ziel, an Erfolge anzuknüpfen, die mehr als zehn Jahre zurücklagen? Warum nicht Fechten, Laufen, Tischtennis? Sportarten, die er für sich betreiben hätte können, ganz allein, abgetaucht? Hat ihm gar das Rampenlicht gefehlt?

Das Chancen-Los

Eh schon nach eineinhalb Jahren intensiven Trainings hat Muster eingesehen, dass er gegen die neue Tennisgeneration chancenlos ist. Wobei das Ansinnen ja schon eigenwillig ist. Wie soll jemand, der dauernd gegen halblustige, untrainierte Ex-Stars wie Leconte, Cash und Kafelnikow auf der Senioren-Tour verliert, auf der ATP-Tour mithalten können? Mit Profis? Das dienstägige Duell des 44-Jährigen mit dem Teenager Thiem machte deutlich, dass Musters Spiel nicht mehr zeitgemäß ist. Der Bub kann einfach alles besser als der French-Open-Sieger 1995 - angefangen vom Service, das um 20 km/h schneller ist, bis hin zum Schlagrepertoire, das bei Muster noch nie das abwechslungsreichste gewesen ist.

Muster hat, seit er sich zum Comeback entschlossen hat, ganze zwei Partien gewonnen. Auf Challenger-Ebene. Gegen die Herren Borut Puc und Leonardo Mayer. Also gegen irgendeinen Slowenen und irgendeinen Argentinier. Und dann stellt sich der Muster hin und sagt, dass er den Anschluss bald geschafft haben wird; und dann scheidet er beim Challenger in Braunschweig in der 1. Runde aus; und dann kriegt der arme Tropf beim Masters-1000-Turnier in Monte Carlo keine Wildcard - gemein, oder? Und dann übt er fleißig weiter und sagt, er war noch nie so fit; und dann scheidet er beim Challenger in Barletta in der 1. Runde aus.

Die nächsten Rekorde? Muster hat nix Böses getan. Vermutlich musste er diesen absurden Comeback-Versuch wagen, um mit der Vergangenheit abschließen zu können. Für sein Ego. Das war sein Recht. Aber jetzt ist bitte genug. Wenn nicht, kann er ja immer noch der erste 45-Jährige werden, der in Runde 1 ein ATP-Turnier verliert, dann der erste 46-Jährige, 47-Jährige, 48-Jährige ...

Harald Schume

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