In Torshavn steht der ÖFB-Wegweiser
Was geht in ihm vor? Die Fragen nach seiner Zukunft müssen am Nervenkostüm zerren. Jene nach der miserablen Auswärtsbilanz gegen die Färöer wohl auch. Doch Teamchef Marcel Koller demonstrierte einen Tag vor dem letzten Spiel in der WM-Qualifikation (heute 20.45 live auf ATV) Gelassenheit.
Ob es das Interesse, eine Abschiedsvorstellung vor dem im Raum stehenden Wechsel zum 1. FC Nürnberg nicht als Blamage enden zu lassen, oder das Bestreben ist, einen weiteren Erfolg in seiner verlängerten Amtszeit zu landen, bleibt (noch) sein Geheimnis.
Angst, er könne sich nahtlos in die Reihe der vom Fußballzwerg blamierten österreichischen Teamchefs (Hickersberger 0:1, Brückner 1:1) stellen, hat Koller nicht: „Ich verschwende keinen Gedanken an eine Niederlage.“
Darum wird Koller die derzeit stärkste verfügbare Elf (die gesperrten Arnautovic und Janko sind bereits bei ihren Klubs) auf den Kunstrasen des Nationalstadions von Torshavn schicken und weitgehend auf Experimente verzichten. Einziges Fragezeichen: Torhüter Almer, dem ein schwedischer Schlag gegen die Wade noch zu schaffen macht.
Das Ende der WM-Qualifikation ist nah, aber für genaue Analysen sei noch keine Zeit gewesen, meint Koller. Er könne noch nicht sagen, ob er Fehler gemacht hätte. „Zufrieden sein kann man aber nie, wenn man sich nicht qualifiziert.“
Fortschritte? „Im taktischen Bereich ist sehr viel weitergegangen, spielerisch auch.“ Was aber noch auffalle, ist die Tatsache, dass das Team unter Druck diese Vorzüge nicht durchsetzen könne. „Da geht auch die Kompaktheit in der Defensive verloren“, sieht Koller weiteren Handlungsbedarf. Und auf diesem hohen Niveau könne man sich „10-, 15-, 20-minütige Durchhänger einfach nicht leisten.“ Keine Einzelkritik, dies gelte für das ganze Team.
Anerkennung
Hier schließt sich der Kreis. Beim entscheidenden Punkt nämlich, ob Koller tatsächlich weiterhin an den Problemstellen im österreichischen Team feilen wird.
Für seine bisherige Arbeit genießt Koller jedenfalls Anerkennung. Laut Umfrage auf www.kurier.at/sport, stehen bei einer Abstimmung fast 90 Prozent der Fußballinteressierten einer Vertragsverlängerung des 52-Jährigen positiv gegenüber.
Koller selbst will sich demnächst deklarieren. Eher zweifelhaft, dass dies unmittelbar nach der Partie in Torshavn passieren wird. „Aktuell weiß ich nichts davon, dass so etwas nötig wäre. Wir lassen uns nicht unter Druck setzen.“ Eine Suche nach einem Nachfolger im Ausland würde für den ÖFB nicht leicht sein: Auch wenn Koller fortan das Doppelte seines jetzigen Verdienstes bekommen würde, wäre er in einer Gehaltsklasse, in der sich kein internationaler Top-Mann nach Österreich locken lassen würde.
Bei all diesen wesentlichen Nebengeräuschen sollte sich Österreichs Team heute auf den Gewinn von drei Punkten konzentrieren. Davon hängt die Setzung in den nächsten Qualifikationen ab, ein Aufrücken in Topf drei steht auf dem Spiel. Denn sie ist noch allzu frisch, jene Erinnerung an die letzte WM-Auslosung, die Österreich die EM-Teilnehmer Deutschland, Schweden und Irland bescherte ...
Gegen die g’winnen wir normalerweise mit dem Journalisten-Team“, sagte ein verbitterter Teamchef Josef Hickersberger nach dem 0:1 gegen die Färöer am 12. 9. 1990. Darauf kam’s tatsächlich zum ungleichen Ländermatch in Torshavn. Alle, mit Ausnahme des 1:0-Schützen, der am Höhepunkt seiner Karriere sofort zurücktrat, wirkten mit. Trotzdem erhielt der legendäre Zipfelmützen-Torhüter Knudsen von uns Reportern zwei Bummerln. Letztlich verwandelten die Färinger ein 0:2 noch in ein 4:2.
Inzwischen haben Teamchefs die Seiten gewechselt. Sie wurden Honorarkritiker. In dieser Funktion fordert Kolumnist Prohaska ein Bleiben von Marcel Koller; sieht Krankl in Kollers Abgang kein Drama; plädiert ATV-Analytiker Hickersberger für Herzog als Nachfolger. Koller selbst schweigt.
Vielleicht will er, der vom FC Nürnberg Begehrte, seine Gage beim ÖFB in die Höhe treiben. Vielleicht macht er weiter, wenn er erfährt, dass ihn sowohl die Spieler als auch die meisten Fans weiter als Teamchef haben wollen.
Fast 90 Prozent stimmten via KURIER-Online für Koller. Das ist angesichts der verpassten WM-Qualifikation ein sensationeller Vertrauensbeweis. Einer, der im Falle eines Nicht-Sieges auf Färöer allerdings sofort zu einem 10:90 verkäme. Somit müssen die Spieler beweisen, dass ihre Pro-Koller-Aussagen mehr als nur Lippenbekenntnisse sind, indem sie heute nicht nur für Österreich, sondern auch für den Schweizer rennen.
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