"Das ist die Apokalypse": Italien nach WM-Aus in Schockstarre

Italiens Tormann-Legende Gianluigi Buffon konnte einem leidtun.
Das Playoff-Rückspiel gegen Schweden endet torlos, tränenreich und mit Größen, die gehen. Nur der Trainer weiß noch nicht, wie es für ihn weitergeht.

Nach dem bitteren Scheitern in der WM-Qualifikation steht Italiens Fußball-Welt unter Schock. „Das ist die Apokalypse“, kommentierte kurz nach dem 0:0 gegen Schweden im Playoff-Rückspiel am Montag die Gazzetta dello Sport. Schon Sekunden nach dem WM-Aus flossen bei Torwartlegende Gianluigi Buffon die Tränen - wenig später verkündete der 39-Jährige seinen Rücktritt. „Ich verlasse mit Sicherheit eine Nationalmannschaft mit fitten Jungs, die von sich reden machen werden“, sagte der Keeper im italienischen Fernsehen und gestand: Es sei schlimm, dass seine Karriere so ende.

Das erstmalige Verpassen einer Fußball-Weltmeisterschaft seit 60 Jahren hat die Nationalmannschaft bereits unmittelbar nach dem Abpfiff am Montag in Mailand tief getroffen. Trotz drückender Überlegenheit endete das Playoff-Rückspiel gegen Schweden 0:0 und besiegelte das Fehlen des viermaligen Titelträgers 2018 in Russland. Im Hinspiel in der Qualifikation am Freitag hatte es in Stockholm ein 0:1 gegeben. 1958 war die letzte Weltmeisterschaft ohne Italien.

Nationalmannschaftstrainer Gian Piero Ventura entschied nach dem WM-Aus noch nicht über seine Zukunft. „Ich trete nicht zurück, weil ich noch nicht mit dem Präsidenten gesprochen habe. Es gibt zahlreiche Überlegungen“, sagte er laut Nachrichtenagentur Ansa in der Nacht zu Dienstag. „Ich fühle mich danach, mich bei den Italienern zu entschuldigen, für das Ergebnis, nicht für unsere Anstrengungen.“

„Katastrophe“

Der untröstliche Buffon nannte das Fehlen bei der WM eine „Katastrophe“. Es hätte für die Mannschaft und für das Land viel bedeutet. Auch im TV-Interview weinte er. Für seine langjährigen Teamkollegen Daniele De Rossi und Andrea Barzagli war es ebenfalls die letzte Partie im Trikot der Azzurri. „Ich glaube, das ist die größte Enttäuschung meines Lebens“, sagte Barzagli. „Es ist ein schwarzer Moment für unseren Fußball, und ein tiefschwarzer für uns Spieler“, kommentierte De Rossi. Nach dem Spiel habe eine Atmosphäre wie bei einem Begräbnis geherrscht. „Dabei ist niemand gestorben.“

So jubelten die Schweden:

Bei den äußerst passiv agierenden Schweden brach dagegen Jubel aus, nachdem sie zum zwölften Mal das WM-Ticket gelöst hatten. Sie sind nach zuletzt zwei gescheiterten Versuchen erstmals seit 2006 wieder dabei. Vor elf Jahren waren die Skandinavier im Achtelfinale an Gastgeber Deutschland gescheitert. Schweden steht als 29. von 32 WM-Teilnehmern fest.

Erfolgloses Anstürmen

In hitziger Atmosphäre im legendären San Siro hatten die Gastgeber schnell die Initiative genommen und auf den frühen Führungstreffer gedrängt. Lazio-Stürmer Ciro Immobile war einer der Aktivposten, vergab jedoch seine besten Möglichkeiten (40. Minute/64.).

Während sich die Gäste immer mehr zurückzogen und überhaupt nichts mehr für die Offensive taten, scheiterten auch Giorgio Chiellini (58.) sowie Stephan El Shaarawy (87.) und ließen die Tifosi jeweils raunen. In der Schlussphase standen alle Italiener inklusive Buffon in der gegnerischen Hälfte und drängten auf das ersehnte Tor - erfolglos.

Italien hat bislang an 18 Weltmeisterschaften teilgenommen und wie Deutschland vier Mal den Titel geholt, zuletzt 2006. In der Qualifikation für Russland reichte es in der Gruppenphase hinter Spanien in den vergangenen Monaten nur zum zweiten Platz. Gegen die Iberer setzte es im September ein 0:3.

Konsequenzen

Die spanische Zeitung AS nannte die verpasste WM ein „Drama“, die befürchtete Apokalypse sei bereits Wirklichkeit. Der bereits im Vorfeld der Partie kritisierte Chef des Fußballverbands, Carlo Tavecchio, wollte sich 48 Stunden Zeit nehmen, um Konsequenzen aus der verpassten Qualifikation zu verkünden. Dass es Ventura sein wird, der die Mannschaft bis zur Europameisterschaft 2020 wieder aufbaut, gilt als unwahrscheinlich.

ITALIEN:

Tuttosport: "Die Wahrheit tut weh, ja, und noch nie so sehr wie dieses Mal: Denn die Wahrheit ist, dass es zu Recht so ist. Italien fährt nicht zur Weltmeisterschaft, weil es das verdient hat: Angefangen bei dem Teil des Volkes, (...) der gepfiffen hat, als die schwedische Nationalhymne angestimmt wurde. Man kann weinen wie Buffon und weitere Millionen von Italienern. Man kann fluchen wie De Rossi auf der Bank (...). Man kann schweigen wie Ventura, der selbstgerechteste Nationaltrainer (...). Alle ab nach Hause, ja. An den Ort, wo man am besten reflektieren kann, wenn wir dazu überhaupt noch in der Lage sind."

Corriere dello Sport: "Es ist die Wirklichkeit eines italienischen Fußballs, der es zu der schmerzhaftesten Demütigung seiner Geschichte gebracht hat, eine Beschämung, eine sportliche Schande, die keinen Vergleich kennt. (...) Die Tränen von Buffon, aufrichtig und passioniert, bezeugen den Absturz, der viele Väter hat und dem niemand, wirklich niemand, entkommen kann."

Gazzetta dello Sport: Am 'day after' ist das entscheidende Spiel grausam, aber unvermeidlich. Ventura kann schon aus persönlicher Würde nicht anders als zu gehen. (...) Für Buffon und die anderen großen Alten ist die Vergeltung ungleich härter: Sie wurden von einer unwiderrufbaren Niederlage zum Abschied getrieben, nach so vielen erinnerungswürdigen Siegen."

La Repubblica: "Die Apokalypse hat eine dunkelblaue Farbe. Sie hat den Geschmack der Tränen von Gigi Buffon, die das Herz brechen: es wird keine sechste WM für ihn geben, er wäre in die Geschichte eingegangen."

DEUTSCHLAND

Süddeutsche Zeitung: "Der Abend, der mit einem lauten Lied begann, endete in Tränen und Schweigen. (...) Die azurblaue Apokalypse, von der der Verband vor dem Spiel sprach, sie brach über Mailand herein. (...) Die Motivation war vor dem Spiel da, aber Motivation allein gewinnt keine Fußballspiele."

Bild: "Italien beweint sein WM-Aus. Apocalypse Ciao"

FRANKREICH

L'Equipe: "Es ist kaum zu glauben: Italien, der vierfache Weltmeister, wird nicht bei der WM im kommenden Jahr sein."

ENGLAND:

The Sun: Mamma Mia. Der vierfache Weltmeister ist nach der demütigendsten Nacht seiner glorreichen Geschichte nächstes Jahr nur Zuschauer."

SCHWEIZ

Tages-Anzeiger: "Nun ist eingetroffen, was sich Italien wohl doch nicht hatte vorstellen können, trotz aller Lust daran, den Teufel an die Wand zu malen: Die Italiener fehlen erstmals seit 1958 an einer WM-Endrunde. Das ist nicht gerade der Weltuntergang. Aber Apokalypse kann auch 'Zeitenwende' bedeuten. Und so eine steht der italienischen Nationalmannschaft ganz sicher bevor. (...) Italien wird sich neu erfinden müssen."

Blick: "Leere Gesichter, tränende Augen. Das Unmögliche ist Tatsache. Die WM 2018 in Russland findet ohne Italien statt. (...) Die WM ohne den vierfachen Weltmeister, eine Katastrophe."

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