"Unvorstellbar: Ein Fußball ohne Clásico"

Peter Huber, einst Botschafter in Madrid, über Real, das Duell mit Barcelona und die Katalonien-Wahl.

In Madrid haben die Real- Stars das ehemalige Tiroler Tormanntalent Peter Huber mit einem von allen handsignierten, teils mit persönlichen Widmungen versehenen Champions-League-Finalsieger-Trikot verabschiedet. In Berlin überreichte Huber soeben dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier sein Beglaubigungsschreiben. Denn Ernst Happels einstiger Gasttrainierer ist Österreichs neuer Botschafter in Deutschland. In der gleichen hohen diplomatischen Funktion war Huber zuvor vier Jahre in Madrid tätig gewesen und bei Real rasch zum anerkannten Insider geworden.

Von der Botschaft aus blickte Huber auf das Madrider Bernabeú-Stadion, wo am Samstag der Clásico Real – Barcelona nur zwei Tage nach der richtungsweisenden Regionalwahl in Katalonien angepfiffen wird.

KURIER: Unmittelbar vor dem Heiligen Abend findet noch das vielleicht heikelste Fußballspiel des Jahres statt. Wie beurteilen Sie vor dem Clásico die sportliche wie politische Lage?

Peter Huber: Für Real geht es bei diesem Clásico bereits um alles. Verliert man, ist die Liga wohl entschieden. Die politische Situation zwischen Barcelona und Madrid wird unabhängig vom Ergebnis der Regionalwahlen am 21. Dezember auch danach angespannt bleiben.

Ursprünglich war der Clásico für 20.12. geplant gewesen. Wurde die Partie jetzt ganz bewusst erst für zwei Tage nach der Katalonien-Wahl angesetzt? Oder hat die neue Anstoßzeit, 23.12., 13.00 Uhr, auch wirtschaftliche Gründe?

Die neue Anstoßzeit hat vor allem den Grund, den Real-Spielern mehr Erholungszeit nach der Klub-WM zu gönnen. Zudem erreicht der Clásico den immer wichtiger werdenden asiatischen Markt zur besten Sendezeit.

Stimmt es, dass Barça selbst im Falle einer katalanischen Abspaltung von Spanien in der spanischen Primera División spielen will bzw. würde?

Obwohl die Frage hypothetisch ist, wird sie oft gestellt. In Barcelona ist man davon überzeugt. Die spanische Liga und wohl auch die UEFA dürften das anders sehen. Eine Fußballwelt ohne Clásico ist unvorstellbar.

"Unvorstellbar: Ein Fußball ohne Clásico"
Peter Huber

Ist Real-Trainer Zinédine Zidane aufgrund des großen Punkterückstandes gegenüber Barcelona bereits angezählt?

Zidane hat in zwei Jahren acht Titel geholt. Alleine im Kalenderjahr 2017 fünf und dabei als erster Trainer sowohl Champions League als auch die Klub-WM verteidigt. Den spanischen Supercup holte man im Sommer mit zwei Siegen gegen Barça. Noch wichtiger: Präsident Florentino Pérez hält Zidane für den besten Trainer der Welt und von allen möglichen Titeln die Champions League für den wichtigsten. Ich sehe Zidane in keiner Weise gefährdet. Vor allem weil ihm die Spieler vertrauen und er in der Lage ist, mit seiner Erfahrung ein solches Starensemble bei Laune zu halten.

Der FC Barcelona scheint konträr zum Stadtrivalen Espanyol politisch extrem zu Gunsten der Unabhängigkeitsbestrebungen engagiert zu sein. Täuscht dieser Eindruck?

Der FC Barcelona, der Präsident und dessen Vorstandsmitglieder äußern sich immer wieder politisch. Der Mannschaft – mit Ausnahme von Piqué – geht es aber um rein sportliche Belange.

Dürfen am 23. Dezember Barça-Fans Ins Bernabeú-Stadion?

Grundsätzlich haben in Spanien in der Meisterschaft die Gastvereine nur Anspruch auf sehr kleine Kartenkontingente. Viele Barcelona-Fans aus aller Welt besorgen sich aber Karten auf dem Schwarzmarkt, um einmal einen Clásico in Madrid zu sehen.

Vom netten, hilfsbereiten Menschen bis zum widerlich eitlen Egoisten – Cristiano Ronaldo wird extrem unterschiedlich beschrieben. Welchen Eindruck haben Sie als Real-Insider vom Weltfußballer des Jahres?

Ronaldo ist als Spieler immer da, wenn es um etwas geht und bei Real eine lebende Legende. Dennoch muss er von Zeit zu Zeit herbe Kritik und sogar Pfiffe im Bernabeú ertragen. Ronaldo ist in den vergangenen Jahren sicher gereift. Seine Disziplin bei Training und Ernährung ist enorm, seine Fitness Ausdruck davon. Jungen Spielern gegenüber verhält er sich gar nicht als Star. Er verfügt über ein großes Herz, hat auch sofort ein signiertes Trikot für einen österreichischen Fußballer gespendet, der bei einer Operation beide Beine verloren hatte.

Welcher Spieler gilt Ihrer Meinung nach als Reals größte Zukunftshoffnung?

Das größte Talent ist für mich Marco Asensio, ein Hochgeschwindigkeitsfußballer mit einem enormen Schuss, sowohl was Präzision als auch Härte betrifft. Real arbeitet schon seit Jahren sehr erfolgreich im Nachwuchsbereich und versucht, junge Talente schon sehr früh nach Madrid zu lotsen und je nach Talent direkt in die Kampfmannschaft zu integrieren oder via einer zusätzlichen Station in La Liga oder im Ausland aufzubauen. Beispiele dafür sind Carvajal, Casemiro, Varane, Nacho, Lucas Vasquez. Auch Álvaro Morata ging diesen Weg.

Hatte Real vor der EM 2016 tatsächlich mit der Verpflichtung von David Alaba spekuliert und Ihr Freund, Real-Direktor Emilio Butragueño, von dessen Vielseitigkeit geschwärmt? Oder waren dies nur eine mediale österreichische Erfindungen?

Die starken Leistungen von David Alaba in den Königsklassen-Duellen mit Real generierten großes Interesse. Seit meinem ersten Treffen mit Emilio waren daher Alaba und seine Vielseitigkeit immer ein Gesprächsthema.

Angeblich wird bei Real die Nachwuchsarbeit von Red Bull Salzburg mit Bewunderung verfolgt? Haben Sie diesbezüglich etwas vernommen?

Die Nachwuchsarbeit von RB Salzburg findet in Madrid hohe Anerkennung. Noch bevor es zum Finalturnier kam, hörte ich in Madrid bereits, dass Salzburg 2017 die Youth League gewinnen könne. Und so war es dann auch.

Philipp Lienhart, der als erster Österreicher bei Real zu einem Pflichtspieleinsatz gekommen war, wechselte nach Freiburg. Bedeutet das bei Real: Aus den Augen, aus dem Sinn?

Philipps Entwicklung wird in Madrid genau verfolgt. Man freute sich sehr darüber, dass er sofort den Sprung in die Stammelf des SC Freiburg schaffte und weiß bis ins Detail Bescheid über seine Einsatzminuten inklusive Nationalteamdebüt für Österreich.

Kommt Ihnen am deutschen Fußball etwas spanisch vor?

Thiago und Javi Martínez! Ganz im Ernst: Spanien und Deutschland sehe ich als WM- Favoriten.

Haben Sie auch in Deutschland einen Klub mit dem Sie sympathisieren? Oder zwingt die Diplomatie, dies nicht zu verraten?

Als österreichischer Botschafter freut mich, dass wir mittlerweile so viele gute Fußballer und mit Ralph Hasenhüttl und Peter Stöger zwei Trainer bei absoluten Topklubs in einer der stärksten Liga der Welt haben.

Angeblich haben Sie, der ehemalige St. Johanner Landesliga-Tormann und Trainingsgast bei Ernst Happel und dem FC Tirol, aus sportlichen Gründen eine besonders gute Erinnerung an Berlin?

Ja. Meine Marathon-Bestzeit von 2:50 Stunden bin ich in Berlin gelaufen.

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