Pep Guardiola gilt als Philosoph, Popstar und Sinnbild neuer Männlichkeit. Der Fußball-Lehrer macht sich aber rar. Fototermine genehmigt er nur in Ausnahmefällen. Er gibt Pressekonferenzen, aber seit fünf Jahren keine Interviews. Der Meister der Selbstverknappung hielt vor seinem Amtsantritt in München in Bogota und Buenos Aires Vorträge. Dabei sagte er, dass er nur gestohlen habe, was er in seinem Beruf für wichtig erachtet habe. Er habe es in einen Häcksler geworfen und einen Mix gemacht. „Der befindet sich nun in meinem Kopf.“
Was befindet sich nun in dem kahlen Köpfchen? Wie denkt er? Wen mag er?
Der Literat
Pep hatte in Miquel Martí i Pol eine Vaterfigur gefunden. Der Dichter war schon schwer von einer Multiplen Sklerose gezeichnet und starb 2003 mit 74 Jahren. In der Kabine las Guardiola seinen Spielern die Gedichte des bedeutenden katalanischen Schriftstellers vor. Die beiden schrieben einander lange Briefe. Seinen zweiten Gedichtband, das „Buch der Einsamkeiten“, widmete Martí i Pol dem jungen Freund und dessen Frau. Einer der ersten Menschen, die er über seinen Wechsel nach Deutschland informierte, war Martí i Pols Witwe, Montserrat Sans.
Großes Kino
David und Fernando Trueba, die brüderlichen Regisseure und Autoren, sind Freunde von Guardiola. Ein Buch von David, der schon für den Oscar nominiert war, schenkte er Lionel Messi: „Saber Perder“ (Die Kunst des Verlierens). David Trueba sagt: „Wenn du Guardiola analysieren oder einschätzen willst, musst du wissen, dass er unter dem eleganten Anzug, dem Kaschmirpulli und der Krawatte der Sohn eines Maurers ist. In den teuren italienischen Schuhen steckt ein Herz in Espadrilles.“
Ecken und Kant
Guardiola soll vor einem Duell mit Madrid das „Glasperlenspiel“ von Hermann Hesse gelesen haben. Guardiola ist aber vor allem von Immanuel Kants Erkenntnistheorie fasziniert. Nach welchen Gesetzen funktionieren die Wahrnehmung und das daraus abgeleitete Denken? Für die Matura hat er sich auf Fragen zu Kant vorbereitet. Er erläuterte, warum ihn die Rolle der Vaterfigur, die von der reinen Vernunft infrage gestellt wird, so sehr interessiert. Guardiola meint: „Wenige Spieler haben heute ausgeprägte Biografien, sie werden in Internaten identisch geformt.“ Ihnen zu helfen, einen eigenen Willen und eigenen Geschmack zu entdecken, sei eine der größten Aufgaben für einen Trainer.
Gute Noten
Eines der Lieblingslieder von Guardiola ist „Amor particular“ (Besondere Liebe) von Lluís Llach. Im Juni stand Guardiola bei einem Charity-Konzert gemeinsam mit dem 65-jährigen Llach und der Sängerin Silvia Perez Cruz auf der Bühne.
Familienbande
Geboren wurde Pep Guardiola am 18. Januar 1971 in dem Dorf Santpedor, 6500 Einwohner, rund 70 km nördlich von Barcelona. Sein Vater ist Maurer, seine Mutter Hausfrau. Er hat zwei ältere Schwestern und einen jüngeren Bruder, der sein Manager ist. Seit seinem 18. Lebensjahr ist er mit seiner Frau Cristina Serra zusammen. Mittlerweile sind sie seit 22 Jahren verheiratet und haben drei Kinder: Maria (2001), Marius (2003) und Valentina (2008). Er hat Cristina in der Boutique ihrer Eltern kennen gelernt, in Manresa, der Santpedor nächstgelegenen Stadt.
Der Kampf
Guardiola wechselte als Spieler zu Brescia nach Italien. Im Oktober 2001 wurden Spuren von Nandrolon nachgewiesen. Der italienische Verband sperrte ihn für vier Monate, 2005 wurde er zu einer Haftstrafe von sieben Monaten verurteilt. „Ein Apparat behauptet, ich habe Nandrolon genommen, aber das habe ich nie getan“, beteuerte er. Ein Arzt bewies später in einem Gutachten, dass Guardiola unter dem Gilbert-Syndrom leidet und sein Körper selbst Nandrolon produziert. Guardiola ging in Berufung und wurde im Jahr 2009 freigesprochen. In einem Vorwort schrieb Guardiola: „Das war der größte Titel. Nie mehr wieder werde ich einen so wichtigen gewinnen.“
Die Inspiration
1996 – Guardiola war 25, Juanma Lillo 30 Jahre und Oviedo-Trainer – bat der Spieler den jungen Trainer um ein Gespräch, weil er von der Spielanlage von Lillos Mannschaften begeistert war. Schon ein Jahr zuvor war GuardiolaSalamanca unter der Leitung von Lillo ins Auge gestochen. Die letzte Station als Spieler absolvierte Guardiola bei einem kleinen Klub in Mexiko, weil Lillo dort Trainer war. 2010 gewann Guardiolas Barça gegen Almeria 8:0, Lillo verlor seinen Trainerjob und ist seither nur noch TV-Analytiker.
Der politische Kopf
Über dem Haus seiner Eltern prangt die Estelada Blava, die katalanische Flagge. Guardiola legt regelmäßig Bekenntnisse zu seiner Heimat ab: „Es war eine Ehre, für Spanien zu spielen, aber ich fühle mich als Katalane.“ Über eine Million Katalanen waren im September des Vorjahrs auf die Straße gegangen, um für einen unabhängigen Staat zu demonstrieren. Guardiola schickte aus New York ein Unterstützer-Video. „Hier habt ihr eine weitere Stimme für die Unabhängigkeit“, ließ er ausrichten.
Geschmackssache
Er war 1990 einer der ersten Fußballer, der für einen Designer, Toni Miró, auf den Laufsteg ging. „In seinem Kleidungsstil an der Seitenlinie findet sich ebenso viel Kreativität wie zu seiner Zeit im Mittelfeld“, schreibt eine Kritikerin. Und weiter: „Neben dem Anzug-Look trägt er öfter schmale Cardigans oder dünne, farbige Pullover zu Hemd und Krawatte. Im Winter darf es ruhig ein grauer Mantel oder eine auffällige Lederjacke sein.“ Ironie der Geschichte: In Brescia machten sich die Italiener lustig über seinen Stil. Ex-Kollege Filippini: „Sich so hässlich anzuziehen, galt in Italien als Todsünde. Wir haben ihm regelmäßig die Klamotten versteckt. Aus Grauen.“
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