Skandal in Simmering: Der Vatikan pfiff seine Frauen zurück

Skandal in Simmering: Der Vatikan pfiff seine Frauen zurück
Die Fußballerinnen der päpstlichen Auswahl durften den Rasen in Wien-Simmering nur kurz betreten.

Francesca Martinelli steht in ihrer Dress mit der Nummer 10 vor der Umkleidekabine eines Simmeringer Fußballplatzes, nicht verschwitzt, dafür mit Tränen in den Augen. Die Juristin ist nach Wien gekommen, um sich die Stadt anzusehen und in der Leberstraße Nr. 84 Tore zu erzielen. „Jetzt bleibt mir nur mehr das Stadt-Ansehen.“

Martinelli ist eine der Verliererinnen – nach einer Entscheidung, die alte Männer des Vatikans getroffen haben.

Skandal überschattet Match der Fußball-Damen aus dem Vatikan

Skandal in Simmering: Der Vatikan pfiff seine Frauen zurück

Sie kam zum Toreschießen nach Wien, sie durfte jedoch nicht spielen: Francesca Martinelli (li.).

Feierstimmung

Dabei hatte alles so feierlich begonnen: Der Wiener Unterhaus-Klub FC Mariahilf, der in Ermangelung eines eigenen Fußballplatzes im sechsten Bezirk in der Vorstadt beheimatet ist, hatte anlässlich seines 20-Jahr-Bestehens die Frauen-Auswahl des Vatikanstaats zu einem Freundschaftsspiel eingeladen.

Die Ankunft des päpstlichen Frauenteams, eine Feldmesse, gut 500 Zuschauer auf dem Platz, der Geruch nach knuspriger Käsekrainer – alles lief fein. Bis die Hymnen abgespielt wurden. Dabei hoben drei Spielerinnen des FC Mariahilf ihre Trikots und zeigten als Zeichen für die Selbstbestimmung der Frau aufgemalte Eierstöcke. Nach diesem leisen Protest gegen die gesellschaftspolitische Haltung des Vatikans beorderten die Verantwortlichen der Delegation ihr Team sofort in die Umkleidekabine.

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„Kein Spiel“, musste Danilo Zennaro dann offiziell verkünden. Und es war ihm deutlich anzumerken, wie er sich damit schwertat. Mit großer Leidenschaft hatte der Archivar der Vatikan-Verwaltung die Frauen-Auswahl ins Leben gerufen und zuletzt 25 Spielerinnen für den Fußball gewinnen können.

Eine bunte Truppe: Die Torfrau arbeitet als Lehrerin, die Spielerin mit der Kapitänsschleife als Kassiererin im Vatikan-Supermarkt, andere sind als Krankenschwestern im Kinderkrankenhaus „Bambino Gesú“ im Einsatz. Die Torjägerin und AS-Roma-Anhängerin Francesca Martinelli („mein Idol ist und bleibt Francesco Totti“) darf als Ehefrau eines Vatikan-Gendarmen ebenfalls mittun.

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Kopfschütteln

Lange Gesichter auch bei den Mariahilferinnen: Anna Ressmann, die Torfrau, hat seit Dienstagabend jede freie Minute auf dem Fußballplatz verbracht, um mit Mitspielerinnen und ehrenamtlichen Funktionären ihr Spiel des Jahres vorzubereiten.

Und dann ist das Spiel zu Ende, bevor es noch begonnen hat. Die 32-jährige Chemikerin kann die Entscheidung der Gäste-Delegation nicht nachvollziehen: „Die Spielerinnen wollten gegen uns spielen. Doch es wurde hier über ihre Köpfe hinweg entschieden.“ Ihren drei Mitspielerinnen will Ressmann keinen Vorwurf machen: „Wenn so ein leiser Protest zum Abbruch aller Beziehungen führt, dann ist das auch ein Statement. Aber kein Statement von uns.“

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Danilo Zennaro

Am Vormittag, bei der Feldmesse mit zwei Simmeringer Pfarrern, hatten sich noch alle – auch die Würdenträger – als Zeichen des Friedens die Hände gereicht.

Danilo Zennaro gab vor der Abreise aus Simmering noch tiefe Einblicke in die Vatikan-Gepflogenheiten: „Wären wir angetreten und wären anschließend die Fotos der drei Spielerinnen in den sozialen Medien aufgetaucht, müssten wir damit rechnen, dass unser Frauen-Team aufgelöst wird.“ Das Problem für ihn wird nun ein anderes sein: Wer will derart sensible Gäste zu sich einladen?

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Party nach dem Crash

Der FC Mariahilf rund um seinen umtriebigen Obmann Ernst Lackner machte sodann das Beste aus dem unglücklich verlaufenen Samstag: Nach einem improvisierten Spiel der Fußballerinnen durften die Kinder auf den Platz. Dazu fällt Lackner ein: „Vor allem fußballbegeisterte Mädchen nehmen wir sehr gerne bei uns auf.“

Und auch all die Käsekrainer wollten noch verspeist werden. Mit einer Wiederholung des Spiels rechnet hingegen kaum jemand mehr in Simmering und Mariahilf.

Beten und Ballestern

Der kleinste Staat
Der Vatikanstaat ist nach Fläche und nach Bevölkerungszahl (rund 1000 Einwohner) der kleinste anerkannte Staat der Welt. 

Fußball im Vatikan
Männer ballestern schon lange im Vatikan (im Stadio Pio XII): in einer eigenen Meisterschaft, aber auch in einer Vatikan-Auswahl. Diese ist weder bei der FIFA noch bei der UEFA als Nationalteam anerkannt. Das Frauenfußballteam wurde erst vor drei Monaten gegründet.

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