Schulte & Rapid: Liebe auf den zweiten Blick

Rapid Sportdirektor Helmut Schulte beim Training mit Christopher Dibon, dem neuen Spieler bei Rapid.
Helmut Schulte und Rapid fanden zueinander. In vier Monaten endet der Vertrag des Sportdirektors.

Den folgenden Text hätte Helmut Schulte so nie geschrieben. Dem 55-jährigen Deutschen ist Selbstlob fremd. Damit ist der Rapid-Sportdirektor fremd im (Fußball-)Land der Schaumschläger und Heißluft-Produzenten.

Dementsprechend schwer hatte es Schulte nach seinem Engagement im Dezember 2012. Nach vier Monaten bliesen die Fans zum Sturm. Ein missverständlicher Satz über die nötige Fan-Unterstützung („Das sind dann auch die Leute, die Rapid im Herzen haben“) führte zu Rücktrittsaufforderungen. Vier Monate später fehlen nur noch vier Monate auf das Ende des Ein-Jahres-Vertrages. Das Image von Schulte hat sich gebessert – aber so klar ist die Botschaft, wie wichtig er für Rapid geworden ist, noch nicht angekommen. Das liegt auch an Schultes Arbeitsstil, über den er öffentlich kaum spricht.

Schmerzensgeld

Anfangs bezog er sein Gehalt hauptsächlich als Schmerzensgeld. Ausdauernd holte er sich die öffentlichen Watschen für die sportliche Misere und die verhängnisvolle Verlängerung mit Trainer Schöttel ab.

Dabei hatte er damit lediglich die Vorgabe des Präsidiums umgesetzt. Aber das auch öffentlich sagen – nein, das hätte er als Desavouierung von Rudolf Edlinger empfunden. Lieber rät er intern dazu, bei der geplanten Neustrukturierung des Vereins für modernere Entscheidungsstrukturen zu sorgen.

Sogar sein (in Deutschland sehr positiv rezensiertes) Buch „Drei St.-Pauli-Leben“ wurde ihm vorgeworfen. „Der ist ja nur da, um Werbung für sein Büch’l zu machen“ war von Fans zu hören. In Wahrheit wird Schulte seine Tantiemen den CliniClowns in Hamburg spenden. Aber darauf öffentlich nochmals hinweisen? Nein, Schulte hat seine Würde und hält sie hoch.

Grantig wird er nur, wenn er hört, dass Rapid gar keinen Sportdirektor braucht, weil eh kein Geld da sei. Dabei wäre sein Amt gerade in finanzieller Not besonders wichtig. Wer wenig hat, muss es umso effizienter einsetzen. Quasi als Gegenstück zur ungebremsten Kaufwut eines Felix Magath.

In den letzten Wochen ist Schulte dem öffentlichen Fokus entrückt. Nur bei Niederlagen wie in der Südstadt steht er als Erster bei den Journalisten. Um zu erklären; um den Trainer zu schützen; um das Positive im Negativen zu suchen. Bei Siegesfeiern wie gegen Tripolis bleibt Schulte unsichtbar. „Ich erklär’ doch viel lieber den Misserfolg“, erklärt er mit einem Augenzwinkern.

Missing Link

Schulte & Rapid: Liebe auf den zweiten Blick
epa03817218 Thanos Petsos of SK Rapid Wien celebrates scoring during the UEFA Europa League 3nd qualifying round second leg soccer match in Vienna, Austria, 08 August 2013. EPA/GEORG HOCHMUTH
Schulte lässt lieber seine Taten sprechen. Wie den Kauf von Thanos Petsos. Mit der Prophezeiung, dass er das „Missing Link im Rapid-Spiel“ sei, überzeugte er den Mittelfeldmann vom Transfer. Gut möglich, dass die Verpflichtung des Deutsch-Griechen später einmal als öffentlicher Wendepunkt zum Guten in Schultes Amtszeit gelten wird.

Ursprünglich wollte Ex-Trainer Schöttel Anel Hadzic als „Sechser“ verpflichten. Als der ablösefreie Rieder 150.000 Euro Handgeld für seine Unterschrift verlangte, stellten sich bei Schulte die Nackenhaare auf. Charakter reiht der frühere Nachwuchstrainer mindestens so hoch wie Können ein.

Als der KURIER von der Hadzic-Forderung erfuhr, ließ Schulte bewusst einen aufgelegten Elfmeter aus. Anstatt mit erhobenem Zeigefinger öffentlich zu erklären, warum er Hadzic nicht mehr will, sagte er nur: „Kein Kommentar“. Schließlich bestätigte Hadzic selbst seine für ihn „ganz legitime Forderung“ – übrigens mit dem Hinweis, dass langjährige Rapid-Funktionäre bereit gewesen wären, ihm das Handgeld zu bezahlen.

Schulte wartete lieber zu, ließ sich öffentlich für den fehlenden „Sechser“ prügeln – und kaufte um das Hadzic-Geld Petsos.

Erfrischend ehrlich

Ungewöhnlich verlief auch der erstmalige Deal von Rapid mit dem Klassenfeind Red Bull. Salzburgs Sportchef Rangnick verriet den Wortlaut von Schultes Verhandlungsstil: „Hallo Ralf! Wir möchten Christopher Dibon kaufen. Aber ich sag’s dir gleich: Wir haben überhaupt kein Geld.“ Rangnick ließ sich immerhin dazu breitschlagen, Dibon für wenig Geld und ein Jahr zu verleihen.

Billig kam auch U-21-Teamtormann Samuel Radlinger zu Rapid. Solange Lukas Königshofer noch beim Verein ist, kostet die Hannover-Leihgabe nichts zusätzlich. Dieser Deal mit einem externen Sponsor gilt bis Jahresende. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Schulte bis dahin noch dafür rühmen wird, ist – erraten – gering.

Aber wird Schulte 2014 überhaupt noch da sein? Die Front der „Experten“ gegen den „Piefke“ bröckelt. Und der Verein hat durchaus erkannt, dass er einen großen Fisch ans brach liegende Sportdirektoren-Land gezogen hat. Noch können aber beide Seiten den Vertrag kündigen, bevor er am 1. Jänner in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übergehen würde.

Ein Argument für Wien und damit Rapid heißt Bettina. Schulte lernte seine Ehefrau kennen, als er von St. Pauli-Fans 1988 auf deren Schultern getragen wurde. Bettina wurde ihm quasi zugetragen, er küsste sie schnell entschlossen. Jetzt will sie bleiben, weil sie das Leben und die Kultur in Wien liebt.

Die Schultes sind auch im Theater zu finden. Mit dem Wissen, dass selbst auf den größten Bühnen kaum mehr Theater geboten werden kann als in Hütteldorf.

Bilder vom Bundesliga-Samstag

Die Ausgangslage scheint klar: Die eine Mannschaft ist Zweiter und hat 2013 von 22 Ligaspielen 15 gewonnen, sowie bei vier Remis nur drei verloren. Die andere ist Vierter und kommt in 21 Ligaspielen 2013 nur auf eine ausgeglichene Bilanz: sowohl sechs Siege wie Pleiten und neun Remis.

In den Wettbüros ist aber das klar erfolgreichere Team der Außenseiter im Hanappi-Stadion (16.30 Uhr/ORFeins, Sky live): Grödig. Erfolgstrainer Adi Hütter stimmt zu: „Wir spielen als Aufsteiger beim Rekordmeister. Rapid ist der ganz klare Favorit.“

Rapid-Trainer Zoran Barisic warnt seine Spieler nicht nur wegen der Erfolgsbilanz der Salzburger: „Grödig ist ein sehr unangenehmer Gegner.“ Wer einläuft, entscheidet sich erst heute: „Einige lecken noch die Wunden vom 1:0 gegen Dila Gori.“ Petsos, Sonnleitner und Grozurek sind fraglich. „Es geht Schlag auf Schlag. Aber das ist schön und soll so weitergehen“, sagt Barisic vor dem wegweisenden Dreierpack gegen Grödig, Dila Gori und Salzburg.

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