"Das ist ja irre, was man hier trinkt"

Georgij Alexandrowitsch Mazakaria: Der 41-jährige Künstler ist in der Sowjetunion aufgewachsen und seit 25 Jahren in Wien.
Russkaja-Sänger Georgij Mazakaria über Fußball und wie Russen und Österreicher einander ähneln.

Georgij Alexandrowitsch Mazakaria steht heute ab 20 Uhr mit der Band Russkaja auf der Bühne am Wiener Rathausplatz, um 18 Uhr beginnt das Spiel zwischen Russland und Österreich. "Vielleicht gibt es ja irgendwo einen Fernseher, damit ich ein wenig schauen kann." Georgij, auf der Bühne der Laute, wirkt beim Treffen ruhig und sanft, mit stechenden Augen und strahlendem Lächeln. "Ich sag’s euch gleich, dass ich mit Fußball nicht allzu viel am Hut habe." Doch bei so einem speziellen Spiel macht der 41-Jährige, der in Moskau groß geworden ist, eine Ausnahme.

KURIER: Schauen Sie Fußball?
Georgij Mazakaria: Wenn sich eine lustige Runde ergibt wie zuletzt bei der Champions League. Da haben wir mit Freunden in Kroatien ein eigenes Public Viewing gemacht.

Die heutige Konstellation ist brisant. Welche Gefühle haben Sie dabei?
Ich habe zwei Flaggen zum Schwenken. Österreich ist derzeit relativ stark, vielleicht besser als Russland. Ich halte eher zu Russland, weil ich bei den anderen Sportarten ohnehin zu Österreich halte.

Sie sind in einer Zeit aufgewachsen, zu der die russische Mannschaft Europa-Klasse war.
Als Sowjetbürger ist man sich riesig vorgekommen. Die Spieler sind aus allen Republiken gekommen, das war ein anderes Gefühl damals.

"Das ist ja irre, was man hier trinkt"
BILD zu OTS - Thomas Klein und Russkaja
Wie groß ist Ihre Verbundenheit zu Russland heute?
Ich bin in der Sowjetunion aufgewachsen und mit meiner Mutter 1989 nach Österreich gekommen. Das Land, in dem ich aufgewachsen bin, existiert in keiner Form mehr. Ich hatte eine glückliche Jugend. Daher kann ich über das System von damals nichts Schlechtes berichten. Als Erwachsener ist alles ganz anders, wenn ich nach Russland komme. Es ist alles tougher, härter.

Sie haben eine neue Perspektive gewonnen?
Man nimmt eine neue Mentalität an, aber ich habe sicher noch den Russen in mir.

Wie sieht dieser Russe aus?
All das, was typisch russisch ist, habe ich bei den Österreichern auch gefunden. Die Russen sind großzügig. Ich kenne viele großzügige Österreicher. Der Russe ist gesellig. Hier habe ich die geselligsten Stunden verbracht. Der Russe trinkt sehr viel Wodka. Aber hier trinkt man noch mehr. Das ist ja irre, was man hier trinkt. Wir sind uns sehr ähnlich. In Russland ist alles härter geworden. Um zu überleben, müssen Leute einen zweiten oder dritten Job haben, damit sich alles irgendwie ausgeht. Die sozialen Strukturen sind bei Weitem nicht so toll wie hier. In Österreich kann man sich auch mehr entspannen, es ist ruhiger. In Russland muss alles ärger und überdrüber sein. Die U-Bahn in Moskau fährt so schnell, dass du dein eigenes Wort nicht mehr hörst. Es gibt keine Millionäre, sondern Milliardäre. Und die stellen die Dekadenz auch zur Schau. Es gibt keine Supermärkte, sondern Hypermärkte. Aber: Fährst du nur 100 Kilometer aus der Stadt raus, dann findest du prähistorische Gebäude. Die Schere geht weit auseinander.

Die Sommerzeit verbrachten Sie oft auf einer Datscha.
Eine Datscha ist kein Luxus, das kommt aus der Sowjetzeit. Die Idee dahinter ist die Selbstversorgung. Man bekommt ein Stück Land, um einiges anzubauen: Kartoffeln, Gurken oder Tomaten.

Russland präsentiert sich jetzt wieder anders. Es geht etwas in Richtung Kalter Krieg. Was meinen Sie dazu?
Aus der Politik möchte ich mich raushalten. Ich schaue mir die politischen Nachrichten von beiden Seiten an. Und ein und dasselbe Thema wird komplett anders dargestellt. Da sieht man, wie sehr das manipuliert wird. Ich kann in Wahrheit gar nichts darüber sagen, weil wir nicht wissen, was beispielsweise im Ukraine-Konflikt wirklich passiert.

Über Putin wollen Sie sich demnach auch nicht äußern?
Was soll ich sagen? Manche stehen auf ihn, weil sie eine starke politische Führung bevorzugen und sich dabei sicherer fühlen.

"Das ist ja irre, was man hier trinkt"
Interview mit Russkaja-Sänger Georgij Alexandrowitsch Makazaria am 11.06.2015 in Wien.
Können Sie sich vorstellen, nach Russland zurückzugehen?
Vorstellen kann ich es mir, aber wir werden es nicht machen. Meine Frau hatte ein Jobangebot. Aber das Gehalt hätte nicht einmal zur Hälfte gereicht. Ich habe ein kleines Geschäft mit der Firma meines Onkels, daher bin ich ab und zu in Moskau.

Was kann sich der Österreicher vom Russen abschauen?
Das Einzige, das ich merke: Hier jammern alle, dass Österreich so ein kleines Land ist, und daher kann man nichts erreichen. Das merke ich vor allem in Künstler-Kreisen.

Russland wurde wegen der Vergabe der WM 2018 kritisiert. Ebenso waren die Olympischen Spiele von Sotschi umstritten. Wie sehen Sie diese Kritik?
Es kommt grundsätzlich Kritik, egal, was Russland machen würde. Die Zeit ist eben so. Ich finde es traurig.

Sind Sie politisch interessiert?
Ich verfolge das eher wie eine Unterhaltung. Es ist eine Reality-Show. Es fährt total ein, wenn du das gleiche Thema völlig konträr dargestellt siehst. Wen interessiert, wer mit den Waffen auf der Krim steht? Die Leute wollen dort ihre Ruhe. Die Krim war immer ein Kurort, ich war zwei Mal im Sommer mit meinen Großeltern dort. Wir waren baden und haben Melonen gegessen. Daher ist das irgendwie absurd für mich.

Wie sehr kennt man in Russland Österreich?
Österreich ist in Russland sehr beliebt, allein schon wegen der Neutralität. Deswegen finden die Russen Österreich cool.

Russkaja ist eine Band aus Wien, die 2005 gegründet wurde. Der Sound der Band wurde von der traditionellen russischen Musik inspiriert und mischt diese mit Ska, Rock und Polkabeats. Das Bandprojekt Russkaja ist durch die Album-Veröffentlichung "Kasatchok Superstar" und die wöchentlichen Auftritte in der Late-Night-Show "Willkommen Österreich" österreichweit bekannt geworden und ging im Mai 2008 auf Europa-Tournee. Seitdem wurden zwei weitere Alben veröffentlicht.

Georgij Makazaria ist Gründer der Band und Sänger. Er wurde am 9. Mai 1974 in Moskau geboren. Er kam 1989 mit seiner Mutter nach Wien. Als Musiker wirkte er in den Bands New Village, Dawn of Decay, Stahlhammer und Soyuz mit.

Kommentare